Für die Aufmerksamkeit von Online-Lesern ist Text wichtiger als Bilder

Erstaunliche Ergebnisse einer Untersuchung der Augenbewegungen von Internetbenutzern - allerdings nur von solchen, die auf der Suche nach Nachrichten sind

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Was machen die Menschen, wenn sie im Internet nach Nachrichten suchen? Werden sie zunächst von den blinkenden Bannern oder dem grafischen Schnickschnack angezogen? Überraschenderweise sind Online-Leser viel stärker als Offline-Leser auf Texte fixiert - und das oft auch ausdauernder, als wenn sie Zeitungen lesen.

Zumindest eine vorläufige Auswertung der Daten aus einer Untersuchung der Stanford University und des Poynter Institute, bei der die Augenbewegungen von Lesern von Online-Nachrichten registriert wurden, scheint zu ergeben, "dass Text als Eingangspunkt für Online-Nachrichten eine wichtigere Rolle als Grafik spielt." Darin zeige sich ein Unterschied zu einer Untersuchung, die das Poynter Institute vor 10 Jahren bei Zeitungslesern durchgeführt hat, die zuerst auf das dominierende grafische Element der Seite und dann auf die größte Schlagzeile schauten.

Bislang wurden allerdings nur einige der Daten ausgewertet, die von 67 Versuchspersonen in zwei Städten während ihrer jeweils 40stündigen Lektüre von Online-Nachrichten aufgezeichnet wurden. Es handelte sich um "erfahrene" Internetbenutzer, die regelmäßig ins Netz gehen und mindestens drei Mal in der Woche Nachrichten online lesen - vielleicht nicht unbedingt ein ganz repräsentativer Querschnitt. Insgesamt wurden während der Untersuchung über 600000 Augenfixierungen (und die entsprechenden Stellen auf den Bildschirminhalten) und über 24 000 Mausklicks registriert, die jetzt Schritt für Schritt weiter ausgewertet werden.

Gleichwohl mag für die Betreiber von Websites als auch für diejenigen, die im Web werben wollen, beruhigend sein, dass zumindest 45 Prozent der Werbebanner, die sich auf den Bildschirmen befanden, für durchschnittlich eine Sekunde betrachtet wurden, was reiche, um die Werbung bewusst wahrzunehmen. Fotos wurden allerdings zu 64 Prozent betrachtet. Das kurze Fixieren einer Werbung heißt freilich noch lange nicht, dass man sie auch anklickt. Das machen sowieso immer weniger Surfer, mit weit unter einem Prozent eigentlich verschwindend wenige. Besonders interessiert sind die erfahrenen Versuchspersonen auch nicht an personalisierten Informationsangeboten gewesen, mit denen man entsprechend den Vorlieben auch die Werbung schalten kann. Der Grund dafür: man könne schließlich etwas Interessantes oder Wichtiges verpassen.

"Wohin richten sich die Augen zuerst, nachdem die erste Bildschirmseite mit Online-Nachrichten geladen ist? Mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Text. Nicht auf Fotos oder Grafiken, wie man erwarten könnte. Stattdessen werden zuerst kurze Informationen oder Bildunterschriften fixiert. Die Augen der Online-Leser gehen anschließen wieder zurück auf die Bilder und Grafiken, manchmal nicht eher, bis sie nach dem Wegklicken zum ganzen Arikel zu der ersten Seite wieder zurückgekehrt sind." Möglicherweise liege der Grund für dieses Verhalten auch darin, dass normalerweise zuerst der Text und dann erst die Bilder geladen werden, dennoch liege die erste Chance des Anbieters, die Aufmerksamkeit des Lesers zu wecken, im Text. Erstaunlich aber ist auch, dass die Online-Leser auch nicht so flüchtig sind, wie man oft glaubt. Ihre Augen gehen bei fast allen aufgerufenen Texten systematisch über 75 Prozent der Textlänge. Allerdings werden im Unterschied zu Printmedien von den Onlinelesern auch nur die Artikel aufgerufen, deren Titel oder Einleitung bereits auf Interesse gestoßen sind, während die Offline-Leser häufiger die Lektüre von Artikeln abbrechen, die sie eher zufällig zu lesen begonnen hatten.

Onlineleser nutzen auch die vielen Optionen, zumindest solange sie ihnen noch kostenlos angeboten werden. Sie starten zwar oft von der Internetausgabe der lokalen Zeitung, wandern dann aber einige Websites ab und springen auch zwischen ihnen hin und her. Durchschnittlich wurden bei einer Nachrichtensurftour 34 Minuten verbracht und sechs Websites aufgerufen, manchmal waren es pro Sitzung aber auch bis zu 19. Doch, wie gesagt, bei dn Versuchspersonen handelte es sich um Menschen, die das Web aufgrund ihrer Bookmarks nach Nachrichten absuchten, aber nicht um Internetnutzer, die aus Langeweile oder zur Unterhaltung im Web herumsurfen. Da können und werden dann schon andere Präferenzen vorhanden sein ...