"Für mich hat der Krieg in den Köpfen spätestens 2008 und erst recht 2014 begonnen"
Seite 2: "Auch die Ökologen müssen sich irgendwann entscheiden"
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Wer die notwendige Verbindung von Friedenspolitik und Ökologie im Kopf hat, der weiß, dass er niemals die ökologische Frage weltweit lösen kann ohne eine neue Zusammenarbeit mit China und Russland und den Teilen der Welt, die sich nicht dem Westen zugehörig fühlen. Der weiß, dass er eine Brücke bauen muss über den immer tiefer werdenden Graben zwischen den neuen Machtzentren des neuen Kalten Krieges.
Gibt es noch Stimmen bei den Grünen, die diese Position vertreten?
Antje Vollmer: Also Pazifisten kenne ich keine mehr. Ökologen gibt es noch eine ganze Menge. Aber auch die müssen sich irgendwann entscheiden: Wollen sie vorrangig die Bösewichte der Welt, also die Putins und Xi Jinpings, bestrafen, oder wollen sie die Welt retten?
Im Augenblick hat man den Eindruck, dass die Grünen sich dafür entschieden haben, führend in der Phalanx derjenigen mitzumachen, die die verfluchten Autokraten zu Fall bringen wollen. Eine pazifistische Vision, die selbst für den Paria einen Ausweg sucht, hin zu neuen gemeinsamen Zielen, gilt ihnen als charakterlos und "lumpenpazifistisch".
Das hat viel damit zu tun, wie ernst man die Gattungsfrage in der Klimakrise nimmt. Ob wir meinen, uns noch ein paar Umwege leisten zu können, oder ob wir alles, wirklich alles darauf konzentrieren, Wege zum Frieden zu finden, damit wir endlich zu einer gemeinsamen Klimapolitik kommen.
Wie kommt es denn zu dieser Entwicklung? Ist das nach Ihrer Beobachtung ein Ergebnis der parlamentarisch-politischen Debatte, oder spielen da noch weitere Akteure eine Rolle?
Antje Vollmer: Über keine Entwicklung grübele ich mehr nach als über das umfassende Umkippen des Bewusstseins, das die alte Bundesrepublik bis in die 1990er-Jahre geprägt hat und das von Entspannungspolitik und Gerechtigkeitsfragen doch sehr durchdrungen war.
Jetzt wird uns ja dauernd gesagt, die Welt habe sich vollkommen verändert. Ich glaube aber eher, unsere Position zur Welt hat sich verändert.
Und da spielen die Leitmedien - alle im gleichen Alter wie die Grünen - eine zentrale Rolle. In den Talkshows und Rundfunk-Interviews ist es eine Gruppe, die gar nicht so sehr bekannt ist, aber großen Einfluss hat: eine anwachsende Menge von politischen Thinktanks und sogenannten Militär-Experten, die übrigens immer jünger und immer weiblicher zu werden scheinen.
"Die Heinrich-Böll-Stiftung war geprägt von dem Pazifisten Heinrich Böll"
Es ist an sich aber doch nicht verwerflich, Vertreter solcher Organisationen einzuladen, die im besten Fall Fachwissen in die Debatte einbringen.
Antje Vollmer: Das würde zutreffen, wenn es nicht eine grundsätzliche politische Neuausrichtung vieler dieser Organisationen gegeben hätte. Nehmen Sie etwa die Körber-Stiftung und die Bosch-Stiftung. Beide sind von ihren Gründern gedacht worden als Instrumente der Versöhnung und der Nachkriegs-Verständigung mit Russland.
Die Stiftung Wissenschaft und Politik dachte unter dem Einfluss von Habermas und Carl Friedrich von Weizsäcker über Weltinnenpolitik und über das Friedensethos nach, also über Fragen der weltweiten Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung.
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik war einst eine hochgeachtete Institution, in der führende Staatsleute aus Ost und West eine faire Plattform hatten, um ihre Sicht der Welt darzulegen.
Die Heinrich-Böll-Stiftung war geprägt von dem Pazifisten Heinrich Böll.
Was ist aus diesen Institutionen inzwischen geworden? Sie sind fast ausschließlich transatlantisch orientiert, sehr konfrontativ zu allen Gedanken der Entspannungspolitik, die sie als überholt definieren. Und sie sind immer dichter an die Berliner Politik-Blase herangerückt. Und das alles ohne öffentliches Mandat, sondern oft im privatwirtschaftlichen Interesse.
Das heißt, das sind keine inhaltlich unabhängigen Institutionen mehr, sie verbreiten aber eine ziemlich einheitliche Agenda. Sie haben ihren Gründungsauftrag nahezu in das Gegenteil verkehrt.
Lesen Sie im zweiten Teil dieses Gesprächs, wie der ideologische Lobbyismus die Demokratie untergräbt, warum wir die mediale Mehrheitsmeinung hinterfragen sollten und warum Reformen einem Regime Change vorzuziehen sind.
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