Fußballballett
Praxistest: DVB-T im Allgäu
Alles wird digital. Auch das Fernsehen. Billiger wird es davon zwar nicht, es bleibt bei 17,03 Euro im Monat, aber mehr. Man spricht vom Überall-Fernsehen, also auch am Klo. Obwohl TV dort gegenüber der Zeitung taktische Nachteile hat, wenn das Papier auf der Rolle aus ist. Doch wir wollen diesmal nicht so sehr von der Software (Programm) reden und auch nicht von der Hardware, sondern vor allem vom Empfang.
Eigentlich gucken nur noch Oma und Opa mit der einst normalen Hausantenne. Für ARD und ZDF reicht das auch fast überall, solange die Antennenhalterungen nicht wegrosten oder die Antennen den Herbststürmen zum Opfer fallen. Eventuell kommt noch ein „Drittes“ rein. In den Städten ließen sich teils auch ohne neue Antennen die später hinzugekommenen Privatsender blicken: RTL, Pro 7, Sat 1 und Lokal“größen“ wie beispielsweise in Hamburg HH1, gesprochen Ha-Ha-Eins und auch so einzuordnen: Die meisten Zuschauer gab es nach Mitternacht. Das Programm um diese Zeit? 0190-Telefonnummern mit Wi….Einschlafvorlagen. Als ob das normale TV-Programm hier nicht schon genug böte.
Doch damit ist es nun bald vorbei. Auch schlechtes Programm braucht nämlich viel Strom zum Ausstrahlen – normales terrestrisches Fernsehen benötigt wesentlich stärkere Empfangspegel als Radio oder die vielgeschmähten Handys, bei denen eigentlich nur der Sendepegel durch das Telefon am Ohr des Benutzers nennenswert ist, die Funktürme der Basisstationen dagegen eher ein rein optisches Problem darstellen (Der Funkbaum).
Und das kostet Geld. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben zwar noch genug davon, doch schon 2001 schauten gerade noch 8% der Zuschauer über normale Antennen (Politik und Fernsehen: DDR im Himmel und GEZ fürs Internet) und seitdem sind es noch weniger geworden: So man nämlich überhaupt Außenantennen anbringen darf, ist eine Satellitenschüssel inzwischen nicht nur unauffälliger und preiswerter als die normale Fernsehantenne, sie bringt auch wesentlich mehr Programme. Sind Außenantennen verboten oder technisch nicht machbar, so bleibt ohnehin nur das mit weiteren monatlichen Gebühren belegte Kabel.
Die privaten Sender kalkulieren dagegen härter: Auch wenn sie es einst gar nicht abwarten konnten, mit ihren Signalen aus Kabel und Satellitenschüsseln in die normale Luft kriechen zu dürfen, so geben sie die bisherigen analogen terrestrischen Sendelizenzen inzwischen reihum wieder zurück: Für die paar verbliebenen Antennenzuschauer lohnen sich so hohe Ausgaben einfach nicht mehr. Die Ausstrahlung über Satellit ist billiger, da es hier nur einmal hohen Energieaufwand bedeutet, den Satelliten an seinen Platz zu befördern. Danach fallen nur vergleichsweise geringe Sendeleistungen an, um die Programme zum Satelliten zu befördern. Dieser wiederum strahlt gerade mit insgesamt ein paar hundert Watt zurück zur Erde, die aus Solarzellen gewonnen werden und insofern gar nicht auf irgendwelchen Stromrechnungen auftauchen.
Konkurrenzlos ist der Antennenempfang lediglich bei tragbaren Geräten: Diese im Haus an Kabel oder Satellitenempfänger anzustöpseln ist lästig – im Auto oder im Grünen ist es unmöglich. Doch der mobile Empfang schneit und rauscht: Es bräuchte eben doch eine richtige Antenne auf dem Dach und nicht bloß einen eher für Kofferradios geeigneten Antennenstab, außer man ist ziemlich nah am Fernsehturm, so wie dies in den Städten oft der Fall ist. Doch selbst dann verursachen Reflektionen „Geisterbilder“, Verzerrungen und Farbfehler.
Über Satellit kennt man solche Probleme nicht – das analoge PAL-Bild der Astra-Satelliten ist erstklassig und rauschfrei und so mancher erkennt dann erst, was er über Antenne oder Kabel jahrelang für miese Bilder bekommen hat. Dennoch wird das Satellitenprogramm seit einigen Jahren auf digital umgestellt: DVB-S (Digital Video Broadcast-Satellit) bietet mehr Programme – in derselben Bandbreite wie vorher ein Programm sind nun typischerweise deren vier unterzubringen. Zudem lässt sich Pay-TV besser verschlüsseln – analog war dies am Schluss mit jedem PC zu knacken. Die Folge: Inzwischen sind bereits die Mehrzahl der Satellitentransponder digital. Angenehmer Nebeneffekt: Es kann nun auch leichter aufgezeichnet ("Premiere" digital auf Festplatte aufzeichnen) und wenn es sein muss auch auf DVD überspielt (MP3 und Filme zum Download über Satellit) werden.
Also war es angesagt, auch das normale terrestrische Antennensignal zu digitalisieren. So können in einen alten analogen Kanal auch hier vier digitale Programme gepresst werden. Also alle Programme der RTL-Gruppe oder von Pro7/Sat1 auf einem Sender. Das Ergebnis: DVB-T (DVB-Terrestrisch). Das digitale Signal hat außerdem nicht mehr die Probleme mit Geisterbildern wie das alte Analogsignal – viele teure Füllsender werden überflüssig. Und es ist deutlich weniger Sendeleistung notwendig – das spart Strom und führt zusammen mit den überflüssig gewordenen Füllsendern zu geringerer Belastung durch Funkwellen.
In München sind so schlagartig 22 Sender zu empfangen: Auf dem ARD-Kanal tummeln sich nun auch noch 1 Plus, Arte und Phönix, beim ZDF 3Sat und Kinderkanal, die sich allerdings die Frequenz mit ZDF Info und ZDF Doku teilen müssen und beim Dritten kommt neben dem bayrischen Dritten und dem Wissenschaftskanal BR Alpha auch noch das hessische und das südwestdeutsche Programm mit. Bei RTL gibt es nun auch RTL II, Super-RTL und VOX, bei Pro7 noch Sat1, Kabel 1 und N24. Tele 5 schleppt nun zusätzlich noch Eurosport und den Kaufkanal HSE 24 an.
Für den, der ohnehin wenig fernsieht, den teuren Kabelanschluss loswerden will oder eben das Zweitgerät einfach anschließen will, durchaus praktisch. Dumm allerdings, dass man erst weiß, wie der Empfang ist, wenn man sich bereits eine DVB-T-„Set-Top-Box“ gekauft hat – ein Gerät, das aussieht wie ein kleiner Satellitenempfänger.
Am Land ist dagegen klar: Das „Überallfernsehen“, den Empfang mit Zimmerantennen, das kann man vergessen. Digital wird in Bayern nur noch von Olympiaturm und Wendelstein gesendet. Das geht je nach Entfernung nur über Außen- oder gar Dachantenne. Am Starnberger See mit dem tragbaren Gerät Fußball schauen ist also nicht drin. Gottseidank. Und wie ist es im Ostallgäu am Rande des vorgesehenen Versorgungsgebiets mit der noch vorhandenen Dachantenne?
Diese alten Anlagen sind durchaus auch für Digitalsignale geeignet, haben aber drei Probleme:
- Die Antennen waren bislang horizontal polarisiert, bei DVB-T sind sie nun vertikal. Das soll den Empfang mit tragbaren Geräten erleichtern, deren Antennenstäbe nun mal senkrecht in die Luft (und mitunter in das Auge unachtsamer Benutzer) stechen
- DVB-T wird bis 860 MHz ausgesendet, das analoge Fernsehen hörte in Deutschland schon im Bereich um die 600 MHz auf
- Die Antennen sind oft nicht auf den DVB-T Sender ausgerichtet.
Im Ostallgäu zeigen die Antennen üblicherweise zum ORF und versuchen dabei, die Sender vom Hohenpeißenberg noch mit zu nehmen, was auch gut funktioniert. Der Wendelstein kommt dagegen schwach und verzerrt an.
Der letzte Aldi-PC hatte ja schon zuvor für einen Satelliten-Empfangstest Federn lassen müssen (Multimedia-PC mit Sat-HDTV-Empfang von der Wursttheke): Die Sat-Karte hatte die Koppelung mit einem Homecast-Receiver nicht überlebt. Da der Besitzer des Geräts ohnehin nicht fernsieht, war er bereit, es Telepolis zum DVB-T-Start in Bayern am 30. Mai 2005 noch einmal zur Verfügung zu stellen, um diesmal den DVB-T-Teil der Karte zu ruinieren. Das passierte zwar nicht – die Empfangsergebnisse waren dennoch durchwachsen:
Der ARD-Kanal 10 war mit der vom Vormieter hinterlassenen und zum Schweizer Fernsehen ausgerichteten Unterdach-Antenne beim besten Willen nicht zu empfangen. Da half auch das Drehen der Antenne auf Vertikal nicht weiter, zumal diese nun vom ebenfalls vertikal laufenden Antennenhalterrohr stark in ihrer Funktion beeinträchtigt wurde. Außerdem war unter Dach einfach nicht genügend Platz vorhanden, um die Antenne in die korrekte Richtung zum Wendelstein zu drehen.
Die UHF-Antenne für die restlichen Kanäle war auf dem Dach – nächtliche Umbauten durch nicht schwindelfreie Tester schieden deshalb aus. Man konnte nur nehmen, was kam. Das ZDF sendet auf Kanal 35, RTL auf 34, Sat1 auf 48, das dritte auf 56 und Tele 5 auf 66 – oberhalb des bisherigen UHF-Fernsehbands. Empfangen werden konnten ZDF, RTL und Sat1. wobei RTL am besten und ZDF am schlechtesten lief. Das Signal der Dritten nahm der PC zwar noch wahr, konnte daraus aber kein Bild mehr erzeugen. Von Tele 5 war keine Spur zu finden – damit war die alte Antenne überfordert, als sie gebaut wurde, trieben sich in diesem Frequenzbereich noch CT1-Funktelefone herum.
Doch auch die anderen Sender waren kein Vergnügen: Des Signal war nicht ausreichend stark und stabil. Schon bei RTL führte dies zu „Fußballballett“: Wenn das Signal am DVB-T-Empfänger Aussetzer hat, so bleibt das Bild stehen. Mitunter wiederholt der Empfänger allerdings auch Ausschnitte der letzten Sekunden vor dem Ausfall, was dann zu Loops und Endlosschleifen führt. Das Ergebnis ist je nach Programmmaterial zwar durchaus amüsant – einer Sendung vernünftig folgen kann man so allerdings nicht, auch wenn alles gestochen scharf ist und kein „Schneetreiben“ das Bild trübt.
Unangenehmer ist der Ton bei schlechtem Empfang: Wie beim Handy oder bei DAB bricht er unvermittelt mit Artefakten und Pieptönen ab, doch wesentlich lauter. Das führt nach einiger Zeit sicher zu Ohrensausen. Und dies war nur das Ergebnis bei RTL – bei Sat1 schienen bereits alle Darsteller an Parkinson zu leiden und beim ZDF erschien nur noch eine unvertonte Diashow.
Mit einer neu installierten Dachantenne hätte der Empfang durchaus klappen können. Aber da ist die Satellitenschüssel dann sinnvoller und preiswerter, zumal die nicht unbedingt aufs Dach muss. Lediglich auf die Münchner Lokalfenster von RTL und ARD muss man dann verzichten.
Wer in der Stadt wohnt, kann mit DVB-T und einer Zimmerantenne dagegen durchaus glücklich werden. Auch am Computer: Es gibt auch Steckkarten für den PC, PCMCIA-Karten für den Notebook und USB-Empfänger für den, der sich nicht entscheiden kann. Auch die GEZ freut sich – zumindest momentan verdient sie am PC mit Fernsehkarte ja noch mehr als am Modell ohne (Das Internet wird gebührenpflichtig!). Damit kann man dann auch Sendungen direkt auf Festplatte aufnehmen.
Den Ton zu laut aufdrehen sollte man allerdings auch am Computer nicht, wenn man seine Ohren gern hat. Und Radio hören kann man mit einer DVB-T-Karte leider auch nicht, während die rundfunkgebührensparende, weil nicht TV-geeignete ebenfalls digitale Alternative DAB (Digital Audio Broadcast) für Radiohörer als PC-Karte momentan wieder ausgestorben ist.