G20-Gipfel: Politische Dissonanzen

China und die USA treten dem Klimaabkommen bei. Bild: White House/Pete Souza

Zu Beginn gaukelten die beiden größten Treibhausgas-Emittenten China und USA durch die Ratifizierung des Klimaabkommens Harmonie vor

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es war ein kurzer Paukenschlag, als der Gastgeber des G20-Gipfels China und die USA zu Beginn das Abkommen von Paris über den Klimaschutz ratifiziert haben. Damit wurde zwar ein großer Schritt gemacht, um es noch dieses Jahr wirksam werden zu lassen. Doch die Vereinbarung ist bekanntlich unverbindlich. Und neue Zusagen gab es auch nicht. Die sind nach Ansicht von Experten nötig, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Doch sehr vage und widersprüchlich blieb der verabschiedete "Aktionsplan". Mit dem "Konsens von Hangzhou" soll die schwächelnde Weltwirtschaft angekurbelt werden. Das war die Nachricht, die China verbreiten wollte, deren Staatspräsident Xi Jinping auch "schmerzhafte Reformen" für sein Land angekündigt hatte. Die Abschlusserklärung nimmt deutliche Probleme nicht einmal zur Kenntnis oder sie werden mit der üblichen Phraseologie übertüncht oder schöngeredet.

Zusehends war der Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, der schließlich am Montagnachmittag mit der verzögerten Veröffentlichung der Abschlusserklärung beendet wurde, von Spannungen überlagert. Die gespielte Harmonie, mit der vor allem die USA und China in das Treffen gegangen waren, wurde bald durch die realen Spannungen verdrängt. Dass es auf dem Rollfeld des Flughafens bei der Ankunft von US-Präsident Barack in der Provinz Zhejiang zu einer eher absurden Auseinandersetzung kam, machte das schon sehr deutlich. Hier wurde im Kleinen ein Machtkampf ausgetragen und China unterstrich seine Ansprüche im Rahmen einer neuen internationalen Machtverteilung.

Schon damit wurde offensichtlich, dass von Harmonie keine Rede sein konnte, in der die beiden größten Emittenten von Treibhausgasen zunächst angekündigt hatten, gemeinsam das Klimaabkommen von Paris zu ratifizieren. So übergaben der Gastgeber Xi Jinping und Obama die entsprechenden Dokumente schon vor Beginn des Gipfels in Hangzhou an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Obama sprach dabei von einem entscheidenden Schritt zur "Rettung unseres Planeten", während Staatspräsident Xi Jinping vom Wohlergehen und der Zukunft der Menschheit sprach. Das Abkommen lege die Weichen für den Kurs einer globalen Zusammenarbeit nach 2020 im Kampf gegen Klimawandel. Es lasse erkennen, dass ein kooperativer, auf Win-Win basierender und fairer Klimaordnungsmechanismus Gestalt annehme.

Klar ist, dass damit Dynamik in den Ratifizierungsprozess gekommen ist. Denn zuvor fehlten noch 22 Staaten, die für fast 54% der gesamten Treibhausgase verantwortlich sind (Für das Klimaabkommen fehlen 22 Staaten und 54 Prozent der Emissionen). Damit das Übereinkommen in Kraft treten kann, müssen es mindestens 55 Staaten ratifizieren, die gemeinsam für wenigstens 55% aller Treibhausemissionen verantwortlich sind. Zwar sind mit den USA und China zunächst nur zwei Länder neue hinzugekommen, doch die sind für fast 40% der Klimagase verantwortlich. China sorgt allein für etwa 25% des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes, während die USA auf rund 15% kommen.

Es kann nun tatsächlich darauf gehofft werden, dass das Abkommen noch in diesem Jahr in Kraft tritt, da Obama und Xi Jinping alle Teilnehmer - auch Deutschland - dazu aufgerufen haben, ihnen zu folgen. Nun fehlen dazu also noch 20 Länder mit einem Anteil von etwa 15%. In der Abschlusserklärung des Gipfels - dem sogenannten "Konsens von Hangzhou" - haben sich aber auch die übrigen Teilnehmer verpflichtet, das Abkommen zu ratifizieren, damit es noch 2016 in Kraft treten kann.

Doch sogar dabei bleibt die Abschlusserklärung vage. "Wir verpflichten uns, unsere jeweiligen innerstaatlichen Verfahren abzuschließen, um dem Übereinkommen von Paris beizutreten, sobald dies unsere nationalen Verfahren zulassen." Die G20-Staaten "sehen einer raschen Umsetzung des Übereinkommens mit all seinen Aspekten erwartungsvoll entgegen", wird die übliche Phraseologie bemüht. Und beim genaueren Hinsehen ist dieser "Erfolg" des Gipfels in Wirklichkeit auch keiner. Denn mit den in Paris vereinbarten Zielen kann das vorgegebene Ziel, eine Erwärmung des Weltklimas auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht erreicht werden. Experten rechnen bei einer Umsetzung eher mit drei Grad, wenn diese ohnehin nur schwachen Klimaziele tatsächlich umgesetzt werden. Und das ist zudem fraglich, da die Ziele weder völkerrechtlich verbindlich vereinbart wurden und bisher die Finanzierung in Entwicklungsländern unklar ist.

So ist es kaum verwunderlich, dass diverse Organisationen nicht mit Kritik sparen. "Dass die G20-Länder die Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens anstreben, ist kein Erfolg, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein", meinte der Oxfam-Sprecher Jörn Kalinski. Schließlich, fügt er an, sei das Abkommen schon im vergangenen Jahr im Konsens verabschiedet worden. Der Sprecher der Entwicklungsorganisation ist enttäuscht, dass es keine neuen Zusagen gab, weil die bisherigen nationalen Pläne nicht ausreichend seien, um das festgelegte Ziel zu erreichen. "So wird der Klimavertrag schnell zum Papiertiger, mit katastrophalen Folgen für die ärmsten und vom Klimawandel besonders betroffenen Länder."

Er wies auch auf das nächste Problem in den Beschlüssen hin. Kalinski kritisierte, dass es zum Beispiel bei den klimaschädlichen Subventionen von Kohle keine Fortschritte gab. Angeblich, um "die Ärmsten" zu unterstützen, sollen nur "ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe, die zu verschwenderischem Verbrauch verleiten", mittelfristig rationalisiert und "stufenweise" abgebaut werden. Vager kann man es kaum formulieren, um zu verschleiern, dass faktisch nur eine längst getroffene Entscheidung der G20 bekräftigt worden ist, ohne dies weiterhin konkret zu unterfüttern. Auf ein Wie und ein Wann wartet man aber weiter vergeblich.

So meinte auch Greenpeace, dass es zwar ein gutes Signal sei, dass nun das Pariser Abkommen schnell ratifiziert werden soll, doch "es fehlen konkrete Verpflichtungen, etwa zum Stopp von Kohle-Subventionen", kritisierte Tobias Münchmeyer. Mit Blick darauf, dass Deutschland nach China die G20-Präsidentschaft übernimmt, müsse die Bundeskanzlerin zuallererst im eigenen Land den Abschied von der Kohle einläuten. Bisher ist Deutschland dabei alles andere als ein Vorreiter. Der Rückgang des Kohleverbrauchs ist sogar noch geringer als in China und deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Und in einigen EU-Ländern hat der Verbrauch 2015 sogar wieder massiv zugenommen.