Gabriel präsentiert Energiewende-Agenda

Die Energie- und Klimawochenschau: PV-Freiflächenanlagen werden zum Versuchsfeld für Ausschreibungen und der Klimawandel beschäftigt die Forschung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nachdem der Bundestag am 27.6. der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zugestimmt hat, ohne dass die Abgeordneten Zeit hatten, den 204 Seiten umfassenden Änderungsantrag überhaupt zu lesen, kann nun bestenfalls noch der Bundesrat intervenieren und den Vermittlungsausschuss anrufen. Wie sich die Länderregierungen in der Sitzung am 11. Juli verhalten werden, ist jedoch alles andere als klar (EEG-Novelle: Kritik und Verunsicherung).

Die Hektik bei der EEG-Novelle hat sogleich einige Flüchtigkeitsfehler nach sich gezogen, die der Bundestag nun in einer erneuten Gesetzesänderung beheben muss. Demnach wurde vergessen, eine Übergangsregelung für Biogasanlagen zu schaffen.

Wie es nach dem Willen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie mit der Energiewende weitergehen soll, steht in einer "10-Punkte-Energie-Agenda", die das Ministerium am 26. Juni vorgestellt hat. Bis Ende 2014 soll demnach eine Verordnung für die Ausschreibung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen erarbeitet werden. Diese Freiflächensolaranlagen sollen als Pilotprojekt für das neue Wettbewerbsverfahren dienen und die Erfahrungen in die Ausschreibungsverfahren für andere Technologien einfließen.

Für das künftige Strommarktdesign soll bis zum Herbst ein Grünbuch erarbeitet werden, auf das nach öffentlichen Konsultationen ein Weißbuch folgen soll, das schließlich Ende 2015 in ein Marktdesign-Gesetz - also eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes - mündet. Im Bereich der Übertragungsnetze soll 2015 ein Netzentwicklungsplan unter Berücksichtigung der neuen Ausbaukorridore und der Überlegungen zum Strommarktdesign entwickelt werden. Anfang 2016 werden die Pläne der Bundesnetzagentur in die Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes einfließen. Auch die Verteilernetze müssen nach Ansicht des BMWi an die Anforderungen der Energiewende angepasst werden.

Auch die Energieeffizienz und der Emissionshandel stehen auf der Agenda von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Im Sommer will das Ministerium die Eckpunkte des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz vorlegen. Zum Emissionshandel heißt es:

Der Emissionshandel muss reformiert werden, um ausreichende Anreize für Investitionen in Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu setzen. Wir unterstützen daher den Vorschlag zur Einführung einer Markstabilitätsreserve zur raschen und nachhaltigen Reform des EU-Emissionshandels, die dabei helfen wird, die CO2-Preise zu stabilisieren und übermäßige Schwankungen zu vermeiden.

Die EU-Kommission hat dieses Instrument vorgeschlagen, um Zertifikate kurzfristig zurückhalten zu können, wenn der Überschuss von Emissionsrechten auf dem Markt zu groß ist. Nach dem Willen des BMWi sollte dieser Mechanismus bereits 2017 und nicht erst 2020 in Kraft treten. Zu den Klimazielen gibt es in dem Papier nichts Neues: eine CO2-Minderung bis 2030 um mindestens 40 %, einen erneuerbare-Energien-Anteil von 30 % und ein nicht näher definiertes, aber "ambitioniertes und verbindliches" Effizienzziel, "dessen Höhe sich an den wirtschaftlichen Potentialen orientiert". Ungenauer lässt es sich wohl kaum ausdrücken.

Neue Forschungsergebnisse zum Klimawandel

Wenn sich auch in Bezug auf den Klimawandel politisch wenig tut, so wird er zumindest wissenschaftlich intensiv bearbeitet. Allein in der vergangenen Woche erschienen mehrere Studien zum Klimawandel und seinen Folgen.

Die Temperatur in den Tropen werde mit zunehmender Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre ansteigen, behaupten Wissenschaftler der University of Bristol. Vorherige Theorien besagten, dass die Temperaturen vor allem in den höheren Breiten steigen, während sie in den Tropen weitgehend stabil blieben.

Die Klimaforscher aus Bristol leiten ihre These aus einer Untersuchung der Meerestemperaturen im Pliozän, das heißt vor 3 bis 5 Millionen Jahren ab. Damals überschritt die CO2-Konzentration ähnlich wie heute 400 ppm. Die Temperatur an der Meeresoberfläche in den Tropen war nach Rekonstruktion der Forscher höher als in den folgenden Erdzeitaltern. Die Temperaturwerte wurden dabei aus geochemischen Daten aus dem südchinesischen Meer abgeleitet.

CO2 ist der entscheidende Faktor für die Erderwärmung, meint der Klimaforscher Raymond Pierrehumbert. Die Reduktion anderer, vergleichsweise kurzlebiger Klimagase bringe wenig, wenn nicht auch das langlebige CO2 reduziert würde, das Tausende von Jahren in der Atmosphäre verbleibt. Der Emissionshandel sollte sich daher auf Kohlendioxid konzentrieren. "Wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint, muss man sich zuerst mit dem CO2 Beschäftigen", so Pierrehumbert.

Ein internationales Team unter der Federführung von Elmar Kriegler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung setzt auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS), um das Zwei-Gradziel bei der globalen Erwärmung nicht zu überschreiten. Die Forscher denken:_:www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/co2-abscheidung-noetig-um-klimaziele-zu-erreichen?set_language=de vor allem an die Abscheidung von CO2 aus Biogas, da dieses zuvor von der Vegetation aus der Atmosphäre aufgenommen wurde.

Anders als bei Kohlekraftwerken mit CCS wird so nicht ein zusätzlicher CO2-Ausstoß vermieden, sondern CO2 aus der Atmosphäre wieder gebunden. "Bedenken zu Bioenergie und CCS sind höchst relevant, dennoch zeigt die potenzielle Wichtigkeit dieser Technologien, wie dringend es nötig ist, Chancen und Risiken noch genauer zu untersuchen", sagt Kriegler. Wissenschaftler des PIK haben sich bereits in der Vergangenheit mehrfach für die Kombination von Bioenergie und CO2-Abscheidung ausgesprochen, um den Klimawandel zu bremsen.

Nichtstun kommt teurer

Eine weitere Studie widmet sich den Kosten, die der Klimawandel in Europa verursachen wird, wenn nichts dagegen unternommen wird. Das Joint Research Centre der Europäischen Kommission untersucht die Auswirkungen des Klimawandels in der Periode von 2071 bis 2100 im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1990. Ein Temperaturanstieg um 3,5 Grad Celsius würde Schäden in Höhe von mindestens 190 Milliarden Euro nach sich ziehen.

Das südliche Europa wäre dabei am stärksten betroffen. Die Auswirkungen betreffen beispielsweise Ernteverluste, Überschwemmungen, Waldbrände sowie unmittelbare Folgen für menschliches Leben und Gesundheit, etwa vermehrte Todesfällen als Folge von Hitze.

Klimakommissarin Connie Hedegaard erklärt: "Keine Maßnahmen zu ergreifen, ist eindeutig die teuerste Lösung von allen. Wieso sollen wir für die Schäden zahlen, wenn wir in die Reduktion der Klimafolgen investieren können und eine wettbewerbsfähige kohlenstoffarme Ökonomie entwickeln? Einzugreifen und im Oktober eine Entscheidung über die Klima- und Energieziele bis 2030 zu treffen, wird Europa im Kampf gegen den Klimawandel handlungsfähig machen."

Allerdings steht die EU in Bezug auf seine Klimaziele nicht wirklich gut da. Zwar lagen die CO2-Emissionen der 28 EU-Staaten laut Eurostat 2013 um 2,5 % niedriger als im Vorjahr, in sechs Ländern, darunter Deutschland, sind sie aber gestiegen.

Die Klimabilanz ist auch eine Frage der Betrachtungsweise, wie ein EU-gefördertes Forschungsprojekt zeigt. Wenn man die Importe und der EU-Länder einbezieht und die Exporte herausrechnet, liegen die Emissionen nämlich auf einmal um 25 % höher. Das haben Wissenschaftler im Projekt "Compiling and Refining Environmental and Economic Accounts" (CREEA) errechnet, allerdings für das Jahr 2007.