Gaddafi zur Welt

Der libysche Staatschef hat große Ambitionen, jetzt wendet er sich über eine persönliche Webseite an die Weltöffentlichkeit

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Seit Gaddafi Ende der 60er Jahr sich in Libyen an die Macht putschte und den König vom Thron stieß, hat er immer mal wieder als Schurkenkandidat für Aufmerksamkeit gesorgt. Der ehemals sozialistische Revolutionär, der nun die Einkünfte aus den Ölquellen verwenden konnte, schrieb in den 70er Jahren sein antiimperialistisches "Grünes Buch", entwickelte sich zum arabischen Nationalisten und würde nun gern auch als führender Politiker Afrikas in die Geschichtsbücher eingehen. Gerne zeigt er sich dozierend mit einem feschen Käppi und erhobenem Zeigefinger, übertitelt ist die Seite mit "Al Gathafi speaks".

Um die Prominentenkarriere zu beschleunigen und sich wenigstens weltweit im virtuellen Archiv einzuschreiben, hat Muammar Gaddafi nun auch endlich die Welt des Internet mit einer persönlichen Website betreten. Viel findet man dort noch nicht, aber man darf Bekanntschaft mit einigen seiner Botschaften machen, mit denen er die weltpolitische Bühne betreten und als visionärer Politiker, nicht aber als Förderer von Terrorgruppen erscheinen will. Daher gibt es kosmopolitischerweise seine Artikel auch auf arabisch, englisch, französisch - und koreanisch.

Weltpolitisch in neuem Gewand ist der allmählich rehabilitierte, autokratisch regierende Staatschef des immer noch als Schurkenstaat geltenden Landes schon einige Male aufgetreten. Beispielsweise hatte er in Verhandlungen und Lösegeldzahlungen mitgeholfen, das Geiseldrama von Jolo zu beenden. Nach dem 11.9. vertrat er offensiv das Recht der USA auf Selbstverteidigung gegen den Terrorismus und rief arabische Hilfsorganisationen zur Unterstützung New Yorks auf. Mit seinem Vorschlag, einen panafrikanischen Staat "Vereinte Nationen von Afrika" zu bilden, findet Gaddafi allerdings kaum Verständnis. Gerade hat Libyen, mit Stimmenthaltung der Europäer, den Vorsitz des UN-Menschrechtsorganisation UNHCR als Vertreter der afrikanischen Staaten übernommen.

Der Aufruf zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus, den die USA nicht alleine führen könne, findet man auch auf seiner Webseite. Dazu gibt es einen Beitrag, der irgendwie davor warnt, dass die Türkei, wenn sie in die EU aufgenommen würde, einem Trojanischen Pferd gleichen könne. Das Problem liege nicht in der wirtschaftlichen Diskrepanz, sondern entstehe aus der möglicherweise zunehmenden Radikalisierung der Jugend, die sich dem muslimischen Extremismus zuwenden: "Das Problem liegt nicht bei den türkischen Veteranen und der Generation von Politikern, die noch immer Atatürk verehren, sondern in der neuen und künftigen Generation. Es kann nicht verhindert werden, dass Jugendliche, die mit Satellitenfernsehen und dem Internet aufwachsen, täglich oder gar stündlich eine Lektion nach der anderen von muslimischen Geistlichen und selbst von Bin Ladin aus der ganzen Welt erhalten."

Gaddafi, der damit vielleicht auch bei der CDU/CSU gut aufgehoben wäre, warnt, dass die Türken zum bevölkerungsreichsten Land werden und eine Mehrheit im EU-Parlament erreichen könnten, um letztlich ganz Europa in einen muslimischen Staat umzuwandeln. Dann würde man nicht vor den Türen Wiens halten, schließlich war für die Türkei Europa auch "historisch nur eine Arena zur Expansion und Eroberung".

Aktuelles Kernstück der Webseite ist allerdings nicht die Haltung von Gaddafi zum Irak-Konflikt, sondern seine Lösung der Nordkorea-Krise. Mit dem Land ist Gaddafi schon alleine deswegen verbunden, weil Libyen für die USA noch immer, wenn auch zurückgenommener, zu den Schurkenstaaten zählt, auch wenn es von Bush nicht direkt zur trinitarischen "Achse des Bösen" gerechnet wurde. Seine Lösung ist einfach: friedliche Vereinigung nach dem Vorbild Deutschlands. Das sei kein Problem, da die Koreaner bis zur Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg ein Land gewesen seien, das von derselben Rasse mit der gleichen Kultur und Religion bewohnt wird. Eine Vereinigung würde die nukleare Aufrüstung Nordkoreas und die amerikanische Truppenpräsenz in Südkorea unnötig machen, meint der große Führer.