Galaktisches Feuerwerk für junge Sterne

Das Very Large Telescope (VLT) der ESO befindet sich am Paranal-Observatorium im Norden Chiles auf der Chajnantor-Hochebene in der Atacama-Wüste. Bild: ESO, H.H.Heyer / CC-BY-SA-4.0

Neue Weltraumbilder zeigen die Entstehungsorte von Sternen in nahen Galaxien

Die Kombination macht es möglich, denn durch den Abgleich von Aufnahmen verschiedener Teleskope enthüllt ein internationales Astronomen-Team nun eindrucksvolle Details von nahen Galaxien. Ein tiefer Einblick in Regionen des Universums, in denen Sterne geboren werden. Ein Vorgang, der immer noch rätselhaft ist.

Sterne entstehen aus dichten, dunklen Staub- und Gaswolken, die Molekülwolken oder stellare Kinderzimmer genannt werden. Interstellaren Materie ballt sich in ihnen zusammen und verdichtet sich, bis die Kernfusion zündet und ein neuer Stern aufgeht. Wie genau das abläuft und welche die entscheidenden Faktoren dafür sind, ob und welche Art von Stern sich bildet, ist noch weitgehend ungeklärt. Das gilt auch für die Frage welche Rolle die sie umgebenden Galaxien dabei spielen.

Sterngeburten in verschiedenen Galaxien

Um das zu erforschen wurde das PHANGS-Projekt (Physics at High Angular Resolution in Nearby GalaxieS - Physik bei hohen Auflösungen in nahen Galaxien) gegründet, das aus mehr als 90 Wissenschaftlern von 30 Institutionen auf vier Kontinenten besteht. Seit 2013 beobachtete das internationale Team mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array der Europäischen Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) in Chile systematisch 100.000 stellare Kinderzimmer in 90 nahen Galaxien.

Durch die Abbildungen in Millimeterwellenlängen (mit der gleichen Schärfe wie Bilder im sichtbaren Licht) konnten die PHANGS-Experten die sich zunehmend aufwärmenden Molekülwolken, die für optische Teleskope undurchdringlich sind, genau durchmustern und analysieren.

GNGC 1385 ist eine Galaxie, die eine "flockige" Scheibenmorphologie aufweist. Die Untersuchung durch PHANGS ergab, dass entgegen der akzeptierten wissenschaftlichen Theorie nicht alle stellaren Kinderstuben gleich aussehen oder sich gleich verhalten. NG1385 ist hier als ALMA (orange/rot) Komposit mit Hubble Space Telescope (HST) Daten dargestellt. Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/PHANGS, S. Dagnello (NRAO)

Ziel war es vor allem besser zu verstehen, wie sie mit ihren Muttergalaxien verbunden sind. Dabei stellten sie fest, dass die Regionen der Sternenentstehung nicht nur sehr verschieden aussehen, sondern auch sehr verschieden funktionieren. Die Experten erinnert es an die große Vielfalt der Lebenswelt von Menschen und ihrer nachbarschaftlich organisierten Populationen.

Eva Schinnerer vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und leitende Wissenschaftlerin der PHANGS-Kollaboration erklärt:

Um zu verstehen, wie Sterne entstehen, müssen wir die Geburt eines einzelnen Sterns mit seinem Platz im Universum verbinden. Das ist so, als würde man eine Person mit ihrem Zuhause, ihrer Wohngegend, ihrer Stadt und ihrer Region in Verbindung bringen. Wenn eine Galaxie eine Stadt darstellt, dann ist die Nachbarschaft der Spiralarm, das Haus die sternbildende Einheit, und nahe gelegene Galaxien sind benachbarte Städte in der Region. Diese Beobachtungen haben uns gelehrt, dass das "Wohnviertel" kleine, aber deutliche Auswirkungen darauf hat, wo und wie viele Sterne geboren werden.

Fünf Galaxien, aufgenommen bei verschiedenen Wellenlängen des Lichts mit dem Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) Instrument des Very Large Telescope (VLT) der ESO. Dieses Bild kombiniert Beobachtungen der nahen Galaxien NGC 1300, NGC 1087, NGC 3627 (oben, von links nach rechts), NGC 4254 und NGC 4303 (unten, von links nach rechts). Das goldene Leuchten entspricht hauptsächlich Wolken aus ionisiertem Wasserstoff-, Sauerstoff- und Schwefelgas, die das Vorhandensein von neu geborenen Sternen markieren, während die bläulichen Regionen im Hintergrund die Verteilung von etwas älteren Sternen zeigen. Bild: ESO/PHANGS

Das PHANGS-Projekt steht für eine enorme Erweiterung kosmischer Kartographie. Gezielt wurden sehr unterschiedliche Galaxientypen untersucht, um Ähnlichkeiten und Unterschiede in den molekularen Gaseigenschaften und Sternentstehungsprozessen von Galaxienscheiben, stellaren Balkenstrukturen, Spiralarmen und Galaxienzentren zu entdecken.

Es entstand über die Jahre ein neuer Atlas von 90 Galaxien im nahen Universum, der detailgetreu die Bereiche zwischen den leuchtenden Sternen in den Muttergalaxien zeigt, in denen sich der stellare Nachwuchs bildet. Die Aufnahmen werden seit Jahren von den Experten intensiv ausgewertet. Die Forschenden verglichen die ALMA-Daten unter anderem mit denen des Hubble-Weltraumteleskops.

Mehr als zwanzig auf PHANGS basierende Studien wurden bereits veröffentlicht, zuletzt präsentierten Forschergruppen zehn Fachartikel allein im Juni beim Jahrestreffen der American Astronomical Society.

Die galaktische Umgebung ist entscheidend

In jede stellaren Kinderstube im All können sich während ihrer Lebensdauer Tausende oder sogar Zehntausende neuer Sterne bilden. Jetzt ist deutlich, dass dieser Vorgang nicht überall in etwa gleich abläuft, sondern die lokalen Unterschiede der Umgebung für die Form, Beschaffenheit und die inneren Vorgänge in den Molekülwolken entscheidend sind.

PHANGS-Mitglied Annie Hughe vom Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie (IRAP) sagt:

Wir fanden heraus, dass die Eigenschaften von Sternentstehungswolken davon abhängen, wo sie sich befinden: Wolken in den dichten Zentralregionen von Galaxien sind tendenziell massereicher, dichter und turbulenter als Wolken, die sich in den ruhigen Außenbezirken einer Galaxie befinden. Auch der Lebenszyklus von Wolken hängt von ihrer Umgebung ab. Wie schnell eine Wolke Sterne bildet und der Prozess, der die Wolke schließlich zerstört, scheinen beide davon abzuhängen, wo sich die Wolke befindet.

Das Radioteleskop-Observatorium ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) steht im Norden Chiles auf der Chajnantor-Hochebene in der Atacama-Wüste. Bild: Y. Beletsky (LCO)/ESO

PHANGS arbeitet mit hochauflösenden Bildern über das gesamte elektromagnetische Spektrum von nahen Galaxien, die von leistungsstarken, boden- und weltraumgestützten Teleskopen aufgenommen wurden.

Aktuell legen die Forscher Aufnahmen vor, die einem bunten kosmischen Feuerwerk gleichen und vom Very Large Telescope (VLT) der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste stammen. Sie verwendeten das sieben Tonnen schwere Instrument Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE), das fest am VLT befestigt ist und für jedes Pixel einer Aufnahme dessen Farbe bzw. Wellenlänge analysiert. Am Ende steht ein dreidimensionaler Datensatz, bei dem für jeden einzelnen Bildpunkt die Farbe des eintreffenden Lichts feststeht.

Auf allen Wellenlängen

Auf den Bildern sind nun entsprechend die unterschiedlichen Bereiche und Strukturen von Galaxien in verschiedenen Farben zu sehen. Die Standorte junger Sterne werden sichtbar, sowie das Gas, das sie in ihrer direkten Umgebung beleuchten und aufheizen. Dadurch werden die Unterschiede der galaktischen Regionen deutlich, die an Sterngeburten beteiligt sind.

MUSE produziert für jedes Bild ein eigenes Farbspektrum, eine Art Strichcode für die Astronomen, die mit diesen Informationen die charakteristischen Eigenschaften von Himmelsobjekten definieren. Für das PHANGS-Projekt beobachtete MUSE 30.000 Nebel aus warmem Gas und sammelte etwa 15 Millionen Spektren von verschiedenen galaktischen Regionen, die bereits von ALMA durchleuchtet, bzw. von Hubble fotografiert worden waren.

NGC 4303 aufgenommen vom Multi-Unit Spectroscopic Explorer (MUSE). NGC 4303 ist eine Spiralgalaxie mit einem Balken aus Sternen und Gas in ihrem Zentrum und befindet sich etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Jungfrau. Das Bild ist eine Kombination von Beobachtungen, die bei verschiedenen Wellenlängen des Lichts durchgeführt wurden, um die Sternpopulationen und das warme Gas zu kartieren. Die Beobachtungen von ALMA sind in bräunlich-orangen Tönen dargestellt und heben die Wolken aus kaltem molekularem Gas hervor, die das Rohmaterial liefern, aus dem Sterne entstehen. Die MUSE-Daten zeigen sich hauptsächlich in Gold- und Blautönen. Bild: ESO/PHANGS

Eric Emsellem von der ESO erklärt:

Zum ersten Mal lösen wir einzelne Sternentstehungsgebiete mit einer großen Vielfalt an Regionen und Umgebungen in einer Auswahl von Galaxien auf, die die verschiedenen Varianten gut repräsentiert. Wir können das Gas, aus dem die Sterne entstehen, direkt beobachten. Wir sehen die jungen Sterne selbst, und wir werden Zeuge ihrer Entwicklung im Verlauf verschiedener Phasen.

Kombiniert mit den ALMA-Daten lässt das weitere Rückschlüsse darauf zu, welche Mechanismen in den Gaswolken die Bildung von Sternen beeinflussen. Das Team gleicht die Beobachtungen auf unterschiedlichen Wellenlängen (sichtbar, nahes Infrarot und Radio) verschiedener Observatorien ab und zeichnet so Karten unserer galaktischen Nachbarn, mit denen die verschiedenen Stadien der Sternentstehung bestimmt werden können.

Die PHANGS-Gruppe sieht sich erst am Anfang einer neuen Epoche der Erkenntnisse über Sterngeburten und den Einfluss der sie umgebenden Galaxien. Sie hoffen auf kommende Projekte wie das James Webb Space Weltraum-Teleskop der NASA, das Ende des Jahres starten soll, und das Extremely Large Telescope (ELT), das sich im Bau befindet. Sie werden künftig noch viel höher aufgelöste Bilder liefern.

Eva Schinnerer vom MPIA freut sich auf die Zukunft:

So erstaunlich PHANGS auch ist, die Auflösung der Karten, die wir erstellen, reicht gerade aus, um einzelne Sternentstehungswolken zu identifizieren und zu trennen. Aber sie ist immer noch nicht gut genug, um zu erkennen, was in ihrem Inneren im Detail passiert. Neue Beobachtungsansätze von unserem Team und anderen verschieben die Grenzen des Machbaren in diese Richtung, so dass wir noch Jahrzehnte spannender Entdeckungen vor uns haben.