Games go Open Source

Neue Entwicklermodelle für Computerspiele

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bei Betriebsystemen und Anwendungen haben sich Open Source Modelle zu einer echten Alternative entwickelt. Doch wie sieht es damit bei Computerspielen aus? Einige interessante Ansätze sind es wert, näher betrachtet zu werden.

Screenshot aus "Crystal Space"

Games und Open Source (OS) schienen bisher ein eher unversöhnliches Paar zu sein. Zwar gab es von Anfang an neben den kommerziellen Spielen auch immer sog. "Freeware" oder auch "Public Domain"-Spiele, doch nahmen sich diese gegen ihre Verwandten in den Geschäften meistens wie hässliche Entlein aus. Auch handelte es sich dabei selten um Open Source. Denn Open Source bedeutet in erster Linie, dass ein Programm aufgrund seiner offenen Struktur in einem kollaborativen Umfeld entsteht und nicht, dass es umsonst zum download angeboten wird. Doch gerade die sog. Freeware Spiele sind meistens von einzelnen Hobbyprogrammierern erstellt worden - also in einem geschlossenen Umfeld. (siehe auch Games go Linux)

Um es gleich vorneweg zu sagen: Es ist nach wie vor kein Toptitel in Sicht, der als Open-Source-Projekt programmiert ist. Zwar findet man eine ganze Reihe von mehr oder weniger fertigen offenen Gameprojekten im Netz, doch kann sich auch von diesen keines mit der Qualität eines guten, kommerziellen Spiels messen.

Und doch ist die Open-Source-Bewegung gerade dabei, auch die Unterhaltungssoftwarebranche zu erfassen. Dies gilt allerdings nicht für komplette Spiele, sondern für bestimmte Teile, aus denen die Games gemacht sind. Schaut man sich ein wenig im Netz um, stößt man schnell auf eine ganze Reihe von sog. Game Engines und Librarys. So gibt es z.B. seit einem Jahr die offene Grafik Engine Genesis 3D, die alles bietet, was ein heutiges State-of-the-art-Game benötigt. Crystal Space ist eine weitere 3D-Engine. An dem bereits in einer Betaversion vorliegenden Programm sind augenblicklich über 400 Entwickler beteiligt. Auch in Deutschland tut sich einiges. So starteten erst kürzlich Radon Labs mit The Nebula Device als erste deutsche Spieleentwickler ein offenes Game-Engine Projekt.

Die Bedeutung von Game Engines

Screenshot aus "Nomads"

"Wenn man heute ein konkurrenzfähiges Spiel auf den Markt bringen will, ist eine Game Engine unerlässlich", so Andre Weissflog, einer der Chefs von Radon Labs. Eine Engine kann man sich als eine Rahmenkonstruktion vorstellen, um die herum dann das eigentliche Spiel gestrickt wird. Dabei kann ein Spiel aus mehreren Engines bestehen, die jeweils für einen anderen Bereich des Spiels - z.B. Grafik, Sound oder auch künstliche Intelligenz - zuständig sind.

"Wir standen vor der Entscheidung, für unser neues Spiel Nomads entweder die Lizenz einer schon bestehenden Game Engine zu erwerben [was üblicherweise eine sechs stellige Dollar Summe kostet, Anm. d. Verf.] oder eine eigene zu programmieren."

"Dass wir uns letztendlich dafür entschieden haben, ein Open Source Projekt zu starten, hat durchaus für Diskussionen in der Szene gesorgt", so Weissflog weiter. "Sicher verzichten wir damit auf die Möglichkeit, Nebula eigenständig als Engine zu vermarkten. Doch gewinnen wir durch die Beteiligung von anderen Entwicklern den Freiraum, uns auf das eigentliche Spieldesign zu konzentrieren. Ausserdem zwingen wir uns mit der Veröffentlichung des Source Codes selber dazu, von Anfang an eine ordentliche und saubere Programmstruktur einzuhalten." [was bei Game Produktionen keineswegs üblich ist, Anm. d. Verf.] Damit hängt einer der wesentlichen Vorteile von Nebula zusammen, denn "Nebula ist ein plattformunabhäniges Tool. Damit wird es kein Problem sein, Spiele für verschiedene Plattformen wie Windows, Linux und andere Systeme herzustellen." Das auf Nebula-Basis erstellte Spiel Nomads hingegen wird als ganz normales (abgeschlossenes) Vollpreisprodukt in die Läden kommen.

Computerspiele sind anders

Das Vorgehen von Radon Labs könnte schon bald Schule machen. Denn wendet man die Grundidee von Open Source, wie sie Eric Raymond in The Magic Cauldron formulierte, auf Computerspiele an, stellt man fest, dass es höchst unwahrscheinlich ist, anzunehmen, dass komplette Spiele als Open Source entstehen. Denn die Games unterscheiden sich in mehreren Punkten von anderer Software, auf die sich Raymond hauptsächlich bezieht. Eines seiner Hauptargumente für OS ist, dass durch die Beteiligung Vieler die Stabilität und Qualität einer Software besser gewährleistet wird, als bei einem proprietären System. Doch was für Internetserver von entscheidender Güte ist, trifft für Games kaum zu. Hat man diese einmal gespielt, landen sie meistens in der Ecke.

Auch trifft für Spiele die Annahme von Raymond nicht zu, dass die Softwarebranche eigentlich eine Service- und keine Produktionsindustrie sei. So klingt es plausibel, wenn er dafür wirbt, die Programme der Öffentlichkeit zu geben, um dann seine Brötchen mit Service zu verdienen. Die meisten Spiele hingegen sind kaum wartungsintensiv. Ihre kurzen Verfallszeiten verlangen nicht nach einer aufwendigen Pflege. Als letztes erweist sich auch das kollaborative Produktionsmodell von OS als Hindernis bei der Spieleentwicklung. Spiele sind - wie Filme - geprägt von einer bestimmten Idee. Je mehr Leute involviert sind, desto langwieriger und anstrengender gestaltet sich die Produktion - ein Fallstrick der schon so manches gutgemeinte Projekt enden lies, bevor überhaupt die erste Zeile programmiert wurde. Verschärfend kommt der Zeitdruck hinzu, der wohl auch in Zukunft ein bestimmender Faktor sein wird.

Doch - wie wir schon gesehen haben - bedeutet das nicht, dass OS nicht auch für Spieleentwickler interessant ist. Gerade der Bereich der Engines und Tools bietet sich dafür an, da diese, wenn sie denn gut und stabil sind, längere Halbwärtszeiten haben, als die Spiele, die mit ihnen gemacht sind. Für die oft kleinen Entwicklerschmieden ergibt sich so die Möglichkeit, Ressourcen zu sparen und trotzdem auf einer stabilen Basis aufzubauen. Einen weiteren Schub dürfte die offene Gameproduktion durch die boomenden Internetspiele bekommen. Denn hier trifft zu, was Raymond über andere Software gesagt hat: Internetspiele sind über Jahre hinweg online und müssen aufwendig gewartet und weiterentwickelt werden. Eines der ambitioniertesten Projekte diesbezüglich ist Worldforge.

In der Spielebranche ist einiges in Bewegung geraten. Bisher konnten wir nur beobachten, dass der Quellcode eines Spiels offengelegt wurde, nachdem es als geschlossenes Produkt seinen kommerziellen Zenit überschritten hatte. Doom oder Quake sind die Paradebeispiele für ein solches Vorgehen (was den unbestreitbaren Vorteil hat, dass es die Fangemeinde noch länger an den Titel bindet). Um aber alle Vorteile von OS zu nutzen, werden in Zukunft offene Modelle von Anfang an Einfluss auf die Produktion haben. Auch wenn bei der Produktion von kommerziellen Spielen vieles noch in der Zukunft liegt: in einem Bereich hat OS die Spielewelt schon gehörig durcheinander gewirbelt. Gemeint sind die Emulatoren wie M.A.M.E oder M.E.S.S., die dank ihrer offenen Bauweise innerhalb kürzester Zeit eine stetig wachsende weltweite Entwicklergemeinde um sich geschart haben. So gibt es mittlerweile kaum eine Videospiel aus den 70'er und 80'er Jahren, dessen Erhalt nicht dank eines Emulators vorerst gesichert wäre.

Und nicht nur bei digitalen Spielen ist OS ein heisses Thema. Schaut man sich die Domain an, stellt man voller Verwunderung fest, dass auch bei Brettspielen über Open Source nachgedacht wird. In einem Interview bezieht sich Ryan Dancey von Wizards of the Coast (Dungeons & Dragons) explizit auf die Thesen von Eric Raymond. Und damit schließt sich der Kreis. Denn wer wäre eigentlich auf die Idee gekommen, dass Spiele wie Schach oder Skat kein Open Source sind?!

Links:

Eine gute Zusammenfassung aller quelloffenen Entwicklerwerkzeuge für Computerspiele findet man bei PenguinPlay, einer Projektgruppe des Linux Game Development Center.

Weitere offene Game Librarys und SDKs:

Allegro

ClanLib