Geistwesen und Urheber-Persönlichkeitsrechte
Darf der Pumuckl eine Freundin haben?
Für viele Menschen ist seine Existenz ein Indiz dafür, dass bereits viel zu viele "Anreize für Schöpfungen" bestehen, und sie eher zurückgefahren werden sollten. Eine Figur, die optisch wie akustisch eigentlich nur aus mediengewordener Aufdringlichkeit besteht: Der "Pumuckl".
Konzeptuell erdacht hat ihn eine mittlerweile ältere Dame namens Ellis Kaut. Die grafische Umsetzung der Figur, wie man sie kennt, stammt von der Zeichnerin Barbara von Johnson. Letztere trat im März bei einen Malwettbewerb für Kinder auf, die der Figur eine "Freundin" malen sollten. Als Gewinn wurde ein Besuch in der Villa Johnsons und eine Teilnahme an der "Hochzeit" des Kobolds versprochen.
Das brachte die andere "Mutter" des Pumuckl, Ellis Kaut, auf den Plan, die beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen die weitere Teilnahme der Zeichnerin an dem Projekt erwirken will. Als Begründung führt Kaut an, Johnson würde mit der Beteiligung an der Aktion den Eindruck hervorrufen, sie und die teilnehmenden Kinder hätten Einfluss auf die weitere Entwicklung der Figur. Wörtlich ließ sie ihre Rechtsanwältin in der Anklageschrift ausführen:
"Der Pumuckl ist und bleibt ein Nachfahre der Klabauter, also ein Geistwesen. Grundsätzlich haben Geistwesen kein ausgeprägtes Geschlecht. Sie werden nicht geboren, sie wachsen nicht, sie werden genetisch nicht alt. Sie sind grundsätzlich unsichtbar, aber nicht unhörbar. Sie treiben gute oder auch böse Späße. Diese Späße sind ohne Sexualität. Auch der von der Antragstellerin [Ellis Kaut] geschaffene Pumuckl ist ein reines Kind der Phantasie, ein Geistwesen; er muss deshalb innerhalb dieses Wesens bleiben. Geister sterben so wenig wie sie heiraten. Letzteres von dem kleinen drolligen Pumuckl zu fordern, geht gegen das künstlerische Gefühl und widerspricht dem der Literaturfigur Pumuckl von der Antragstellerin gegebenen Charakter."
Johnson gab dagegen über ihren Anwalt bekannt:
"Frau von Johnson steht als Urheberin der grafischen Figur des 'Pumuckl' das Recht zu, sich mit der von ihr geschaffenen Figur auseinanderzusetzen [...] Als ausgebildete Kunsttherapeutin weiß Frau von Johnson, wie wichtig es für die psychische Entwicklung und Heilung eines Menschen ist, sein ganzheitliches Selbst zu finden. Beim Bildermalen mit Kindern ist es Frau von Johnson ein besonderes Anliegen, sie mit ihrem inneren, unbekannten Wesen in Kontakt zu bringen. Mit dem Malwettbewerb sollen Kinder mit der Frage konfrontiert werden, wie eine Partnerin des 'Pumuckl', also letztlich ein Synonym der inneren Anima im Kind, zeichnerisch aussehen könnte. Um forschend und künstlerisch tätig zu sein, wird Kindern eine malerische Entdeckungsreise angeboten, mit Spaß und Freude nach neuen Bildern zu forschen. Besonders Mädchen sollen angeregt werden, ihren inneren Witzbold als Freundin zu erkennen."
Schwul oder minderjährig?
Auch viele Fernsehzuschauer waren von den Vorgängen überrascht, ein Teil hielt den Kobold, der mit einem Schnauzbartträger zusammenwohnt, ganz selbstverständlich für schwul, ein anderer, trotz seiner Entstehung vor 45 Jahren, für minderjährig.
Die Anwältin von Ellis Kaut wollte bei der Verhandlung am gestrigen Donnerstag bereits die Namensnennung durch Johnson als Rechtsverletzung sehen, worauf sich das Gericht veranlasst sah, darauf hinzuweisen, dass es bei einem einzelnen Wort wahrscheinlich an der Werkqualität fehlt - gute Nachrichten für ein Elternpaar, dass sich vor einigen Jahren das Recht erstritt, ihr Kind "Pumuckl" nennen zu dürfen; da hätte sich sonst mancher Abmahner sicher schon die Hände gerieben. Weiterhin berief sich die Anwältin auch auf eine Markenrechtsverletzung, da "Pumuckl" eine "Notorietätsmarke" sei, an der Kaut die Rechte habe.
Potentiell aussichtsreicher beurteilte das Gericht die ebenfalls angeschnittene Frage, ob durch die mögliche Weiterentwicklung der Figur eventuell Urheberpersönlichkeitsrechte verletzt wurden. Solche Weiterentwicklungen sind ein wichtiges Element der Fan-Bindung, etwa in Slash-Stories - trotzdem gibt es häufig gerichtliche Klagen von Rechteinhabern gegen Fans, die Elemente moderner Mythen mit Monopolschutz in ihre eigenen Geschichten einbauen.
Schadensersatz wegen selbstgebastelter Pumuckl-Puppe
Der Anwalt Johnsons verwies auf ein BGH-Urteil aus dem Jahre 1993, in dem festgestellt wurde, dass die Figur Obelix zu parodistischen Zwecken nackt gezeichnet werden dürfe. Allerdings verlor seine Argumentation gegen zu umfassende Schutzrechte stark an Glaubwürdigkeit, als die Anwältin Kauts – wohl auch im Hinblick auf die anwesende Presse – genüsslich ausführte, dass er im Auftrag Johnsons eine "arme Metzgerfamilie" abmahnte, die ihr Schaufenster mit einer selbst gebastelten Pumuckl-Puppe dekoriert hatte und nicht nur die "Kosten der Abmahnung", sondern auch noch "Schadensersatz" verlangte.
Am Welttag des "geistigen Eigentums" war nichts besser als diese Verhandlung geeignet, um vorzuführen, dass das System der immer umfassenderen Monopolschutzansprüche seine Grenzen in der Absurdität findet. Überhaupt konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die beiden Anwälte, die sich während der Verhandlung auch anschrieen, sehr intensiv mit der Pumuckl-Serie auseinandergesetzt haben mussten - und dass der Habitus des Kobolds möglicherweise auch auf ihre Anspruchsvorstellungen, ihre Argumentation und ihr Verhalten beim Gerichtstermin abfärbte. Die Verhandlung zeigte außerdem in eindrucksvoller Weise, wie ungeeignet die von der EU-Kommission geplante Einführung des Strafrechts in Urheberrechtsstreitigkeiten ist. Wäre die EU-Richtlinie verabschiedet und umgesetzt, hätten sich nicht nur Johnson, sondern auch die Teilnehmer am Wettbewerb potentiell strafbar gemacht.
Die Entscheidung über eine einstweilige Verfügung, die eigentlich am Donnerstag hätte fallen sollen, wurde vom Gericht auf den 24. Mai vertagt.