Gentests zugunsten der Versicherungsgesellschaften

Großbritannien könnte zum Vorreiter für die umstrittene Verwendung von Gentests zur Einstufung von Beiträgen oder gar zur Abweisung seitens der Versicherungen werden

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Wie BBC berichtet, will die britische Regierung morgen bekannt geben, dass Versicherungsgesellschaften Gentests zur Erkennung von Erbkrankheiten einsetzen können. Die Ergebnisse dürfen zur Erhöhung der Beiträge oder auch zu Ablehnung von Menschen führen, die mit den falschen Genen geboren wurden.

Im letzten Jahr hat britische Gesundheitsministerium das Genetics and Insurance Committee (GAIC) eingesetzt, um zu prüfen, ob und in welcher Form Versicherungen Gentests durchführen und ihre Ergebnisse verwenden dürfen. Zunächst soll das Komitee festlegen, welche Gentests wissenschaftlich verlässlich sind, so dass sie offiziell zugelassen werden. Und dann wird es von der Regierung abhängen, ob sie es Versicherungen gestatten will, dass sie zur Festsetzung der Beitragszahlungen auch Gentests heranziehen können.

Eigentlich wurde GAIC eingesetzt, um wegen der weitverbreiteten Angst, dass Gentests zu einer genetischen Zweiklassengesellschaft führen könnte, zu prüfen, ob man diese nicht verbieten sollte. Doch weil die Experten der (realistischen?) Meinung sind, dass Versicherungen auch dann Gentests durchführen werden, wenn es dafür keine gesetzliche Regelungen gibt, schlug man einen pragmatischen Weg des Kompromisses vor. GAIC soll jetzt die Verlässlichkeit von bis zu 10 Gentests für Erbkrankheiten wie Brustkrebs, Sichelzellenanämie oder Alzheimer überprüfen. Offenbar hat das Komitee jetzt die Entscheidung getroffen, einen ersten Gentest, mit dem sich die genetische Prädisposition für die Huntingtonsche Krankheit erkennen lässt, zuzulassen.

Noch ist freilich damit nicht entschieden, ob die Versicherungen tatsächlich Gentests etwa zur Aufnahme von Versicherungswilligen und/oder zu der Einstufung von deren Beiträgen wirklich fordern und verwenden dürfen. Die Human Genetics Commission wird noch in diesem Jahr einen Bericht über die Verwendung und den Schutz genetischer Informationen vorlegen, in dem auch das Thema Gentests und Versicherungen behandelt wird. Die britische Regierung allerdings scheint entschlossen zu sein, die Verwendung der Informationen aus Gentests, sofern diese vom GAIC als technisch verlässlich beurteilt werden, zulassen zu wollen.

Nach BBC versucht John Durant, der Vorsitzende des GAIC, Bedenken zu entkräften, dass Versicherungsgesellschaften jetzt auch vor dem Eintritt eines Kunden Gentests verlangen dürfen. Man würde von den Kunden nur erwarten, dass sie, falls sie einmal einen Gentest für die Huntingtonsche Krankheit gemacht haben, die Ergebnisse der Versicherung mitzuteilen. Verpflichtet seien die Menschen aber dazu nicht, allerdings hätten die Versicherungen das Recht, Menschen abzuweisen, wenn sie nicht mit den entsprechenden Informationen versorgt werden: "Das ist keine Bestrafung. Davon werden in Wirklichkeit viele Menschen profitieren, die eine Versicherung abschließen wollen." Das aber sind dann wahrscheinlich eben nicht diejenigen, bei denen eine Veranlagung festgestellt wurde. Und dieser indirekte Zwang wird natürlich auch keinen Kritiker verstummen lassen, sondern diese gerade aufhören lassen.

Eigentlich schon zynisch meinte Durant weiter: "Die einzigen Menschen, die wahrscheinlich einen Test für die Huntingtonsche Krankheit haben durchführen lassen, sind diejenigen, in deren Familiengeschichte diese Krankheit vorgekommen ist. Viele dieser Menschen werden jedoch Ergebnisse haben, die zeigen, dass sie glücklicherweise nicht diese Gene geerbt haben, daher werden diese Menschen eine Versicherung erhalten, auch wenn sie es im Augenblick als schwierig sehen."

Wenn Versicherungen Kunden aufgrund von Gentests abweisen oder höher einstufen dürfen, dann ist damit zugleich der Weg eingeschlagen, dass Gentests nicht nur bei der In-Vitro.Fertilisation als Präimplantationsdiagnostik, sondern auch bei "normal" erzeugten Kindern regelmäßig und massenweise durchgeführt werden. Welche Eltern würden schon so unverantwortlich sein, nicht nur zu riskieren, dass ihr Kind eine schwere Krankheit hat, die man durch Abtreibung oder durch die Präimplantationsdiagnostik vermeiden könnte, sondern auch, dass es auch finanziell diskriminiert wird oder keine Chance hat, überhaupt Versicherungen abzuschließen, wenn die Familie nicht ein so großes Vermögen hat, darauf nicht angewiesen zu sein.