Geopolitik im Umbruch: Wie die USA-zentrierte Weltordnung ins Taumeln gerät

Seite 2: Die US-zentrische Welt

Unsere Welt, eine Welt, die 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges entstand, ist die des US-Hegemonialmoments. Einige argumentieren, dass die US-Hegemonie bereits in Frage gestellt wird und die Entstehung einer multilateralen Welt offensichtlich ist.

Doch angesichts der jüngsten Ereignisse in der internationalen Politik, wenn man den globalen Einfluss der Vereinigten Staaten – und ihrer Verbündeten, die ihre Politik tatsächlich fortsetzen – betrachtet, scheint der Moment eines echten Multilateralismus, wo verschiedene konkurrierende Mächte in der Welt auf der Grundlage eines ausgewogenen Verhältnisses ihrer Kräfte und im Hinblick auf gegenseitige Interessen agieren, noch in weiter Ferne zu sein.

Nehmen wir zwei Beispiele, über die heute viel gesprochen wird: die Ukraine und Taiwan. In einer multipolaren Welt mit einem multipolaren Machtgefüge und unter Berücksichtigung der Interessen unterschiedlicher politischer Akteure hätte es kaum zu einer militärischen Konfrontation zwischen dem Westen und Russland in der Ukraine geführt.

Der Westen und die Nato konnten die Ukraine auf keinen Fall aufgeben, die Neutralität der Ukraine aus Sicht des Westens – der Vereinigten Staaten – war inakzeptabel, weshalb es sich lohnte und noch lohne ("Wir werden die Ukraine unterstützen, so lange es nötig ist!"), einen umfassenden Krieg mit Russland zu riskieren.

Ebenso war für Russland die Aussicht auf eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato eine rote Linie, wie Russland im Laufe mehrerer Jahre mehrfach bekräftigt hat.

Doch der Westen – die USA – konnte die Sicherheitsinteressen Russlands in keiner Weise berücksichtigen. War der Wunsch, der Nato beizutreten, ein Produkt des organischen Wesens der Ukraine oder eine makroinstitutionelle Entwicklung?

Entsprang der Wunsch, der Nato vor Februar 2022 beizutreten, einem innigen Bedürfnis in der Ukraine oder wurde er woanders geboren? Man kann in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf den Text "A Geostrategy for Eurasia" hinweisen, einen Artikel von Zbigniew Brzezinski, der 1997 in der einflussreichen Zeitschrift Foreign Affairs erschien.

Hier erklärte der ehemalige nationale Sicherheitsberater, dass die Ukraine zwischen 2005 und 2010 der Nato beitreten würde, als ob der Beitritt der Ukraine zur Nato das unvermeidliche "offenkundige Schicksal" wäre.

Wenn man Brzezinski liest, scheint es, dass das Schicksal der Ukraine in der Nato bereits damals entschieden war. Und nicht gerade in der Ukraine. War die Ukraine in diesem Fall Subjekt oder Objekt geopolitischer Kräfte?

Oder denken Sie an Taiwan, das von den meisten Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft – einschließlich der Vereinigten Staaten und Europa – offiziell als Teil Chinas anerkannt, aber de facto unabhängig ist.

Die USA erklären sich bereit, militärisch einzugreifen, um Taiwan zu verteidigen, sollte China die Kontrolle über die Insel zurückgewinnen wollen. China wird üblicherweise als Hauptkonkurrent der US-amerikanischen Hegemonie angesehen.

Die Vereinigten Staaten könnten es sich theoretisch leisten, eine militärische Intervention in einer Region zu wagen, die von der Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten international als Teil Chinas anerkannt wird. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass die Logik des Multilateralismus weiterhin nicht zum Hauptmotiv des politischen Handelns der Vereinigten Staaten gehört.

Wäre es möglich, dass in der heutigen Welt ein anderer Staat eine ähnliche Position zu einer internen US-amerikanischen Angelegenheit vertritt? Wie würden die USA in diesem Fall reagieren?

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