Geopolitischer Umbruch? Malaysia und Thailand stärken Brics als US-Konkurrenten

Anwar Ibrahim, Premierminister von Malaysia

Anwar Ibrahim, Premierminister von Malaysia. Archivbild (2013): Firdaus Latif / CC BY-SA 2.0 deed

Malaysia kündigt Beitritt an, Thailand unterschreibt Absichtserklärung. Was bedeutet dies im Kampf der Narrative zwischen China und USA?

Die Brics-Gruppe scheint sich immer mehr zu einer realen Bedrohung der sogenannten regelbasierten internationalen Ordnung unter Vorherrschaft der USA zu entwickeln.

In einem Interview mit dem chinesischen Medium Guancha gab der malaysische Premier Anwar Ibrahim bekannt, der Gruppe um Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika beizutreten. Auch Thailand liebäugelt mit einem Beitritt.

Zu dieser mutmaßlichen "geopolitischen Verschiebung", wie das indische Nachrichtenportal WION sich äußert, gesellt sich eine weitere Bedrohung der US-Hegemonie: Die näher rückende Umsetzung einer globalen Währungsreform, die im vergangenen Jahr auf dem Brics-Gipfel in Südafrika angekündigt wurde – und als Meilenstein der Multipolarität und der sogenannten Entdollarisierung gehandelt wird.

"Herausforderung für die westliche Dominanz"

Die Brics-Gruppe erweitert bereits seit vergangenem Jahr verstärkt ihre Mitgliedschaft. Selbsterklärtes Ziel des Bündnisses ist es, die vom Westen dominierte Weltordnung herauszufordern. Saudi-Arabien, Iran, Äthiopien, Ägypten, Argentinien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind bereits beigetreten. Über 40 Länder haben darüber hinaus ihr Interesse bekundet.

Malaysias Premier Anwar Ibrahim erklärte gegenüber Guancha, die "formellen Verfahren bald ein(zu)leiten... wir warten nur noch auf die endgültigen Ergebnisse der Regierung in Südafrika". Anwars Ankündigung erfolgt kurz vor dem dreitägigen Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Malaysia.

Der Besuch steht im Zeichen des 50-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen Malaysia und China. Es wird erwartet, dass beide Länder mehrere Abkommen unterzeichnen, darunter die Erneuerung eines fünfjährigen Abkommens über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Das indische News-Outlet Wion fasst die globale Bedeutung der Verhandlungen, die Malaysia "verbesserte Handelsbeziehungen, mehr Spielraum für Investitionen und Zugang zu neueren Märkten" versprächen, folgendermaßen zusammen:

Die Erweiterung der Brics stellt eine Herausforderung für die traditionelle Dominanz der westlichen Volkswirtschaften und Institutionen wie IWF und Weltbank dar, da das Bündnis weiter wächst und zunehmend Einfluss auf die globale Wirtschaftspolitik, die Handelsnormen und die Finanzsysteme nehmen könnte. Diese Erweiterung könnte auch eine multipolare Weltordnung fördern, in der die wirtschaftliche Macht gleichmäßiger über verschiedene Regionen verteilt ist. Wion

Warnung vor "provokativen Handlungen"

In einem Interview mit der South China Morning Post (SCMP) lieferte der malaysische Premier einen Vorgeschmack darauf, welche Formen die Zusammenarbeit mit China annehmen wird: Demnach unterstützt die Volksrepublik Malaysia beim Aufbau der digitalen Wirtschaft sowie im Bereich erneuerbarer Energien und KI.

Anwar zeigte sich optimistisch, dass China trotz einer langsamen Erholung nach der Corona-Krise bald wieder auf Wachstumskurs sein wird: "Es ist ein riesiges Land, wie die Vereinigten Staaten", so der Premier. "Es hat enorme Kapazitäten, und unterschätzen Sie nicht die Fähigkeit seiner Führung, den Kurs zu ändern."

Der malaysische Premier stellte außerdem Chinas Rolle als wichtigster Handelspartner seit mittlerweile 15 Jahren heraus, betonte aber zugleich, dass die USA der größte Investor in Malaysia seien. Es sei jedoch sinnvoll, die Beziehungen zu China zu intensivieren, so der Anwar

Nicht zuletzt, da die Volksrepublik bereit sei, auf Malaysias Nöte und Sorgen einzugehen. "Sie haben sich als sehr offen erwiesen und arbeiten gut (mit uns) zusammen, ohne Arroganz zu zeigen."

Anwar sprach mit der SCMP auch über den langjährigen Territorialstreit im Südchinesischen Meer. Dabei räumte er ein, dass es Differenzen in den jeweiligen Gebietsansprüchen gebe, betont jedoch, dass diese nicht zu ernsthaften Konflikte geführt hätten.

Dabei kritisierte Anwar eine westliche Neigung, Problemen unverhältnismäßig viel Bedeutung beizumessen: "Haben wir ein Problem mit China? Ja. Haben wir ernsthafte Zusammenstöße oder Probleme erlebt? Nein."

Der Premierminister betonte weiterhin die Notwendigkeit für Malaysia, seine "eigenen Angelegenheiten zu regeln", und warnte vor provokativen Handlungen anderer Länder, einschließlich der USA. Malaysia werde diese Position auch als Vorsitzender (und Gründungsmitglied) des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) im nächsten Jahr vertreten.

Eine unabhängige und ausgewogene Außenpolitik inmitten der Spannungen zwischen den USA und China und ein fortwährender Dialog seien unentbehrlich, um künftige wirtschaftliche und territoriale Herausforderungen zu meistern.

Kampf der Narrative

China ist der wichtigste Handelspartner der meisten Länder Südostasiens. Im Jahr 2020 wurden die ASEAN-Staaten zum ersten Mal Chinas größter Handelspartner. Da die wirtschaftlichen Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, Japan und Taiwan zunehmen, befindet sich Südostasien zunehmend in einer entscheidenden Vermittler-Position.

Die Vereinigten Staaten werden derweil als wichtiger Sicherheitsgarant in der Region angesehen, insbesondere im maritimen Bereich, und pflegen neben ihrer Position als größter Investor auch als zweitgrößter Handelspartner der ASEAN enge Beziehungen zu dem Staatenverbund.

Mit den Philippinen und Thailand verbinden die USA direkte Vertragsbündnisse, während Indonesien, Malaysia, Singapur und Vietnam Sicherheitspartnerschaften zu den Vereinigten Staaten unterhalten.

Den Konflikt zwischen den USA und China hat der regierungsnahe US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace 2023 als "Kampf der Narrative" zusammengefasst:

Washington will die südostasiatischen Länder davon überzeugen, dass das Übergewicht der US-Militärmacht in der Region unbedenklich ist, dass die Vereinigten Staaten der Hauptarchitekt und die führende Kraft hinter einer stabilen Ordnung sind, die der Region in Form von Frieden und Wohlstand zugutegekommen ist, und dass sie gemeinsam mit ihren Verbündeten und Partnern diese Ordnung vor einer Unterwanderung durch China schützen.

Peking seinerseits versucht, die südostasiatischen Länder davon zu überzeugen, dass Chinas aufsteigende Macht wohlmeinend ist, dass sie der Region reichlich wirtschaftliche Möglichkeiten bietet und dass sie keine Bedrohung darstellt und nicht versucht, die bestehende internationale Ordnung umzustürzen. (…)

Malaysia ist sich der potenziell ausgrenzenden und spaltenden Implikationen der expliziten Dichotomie von "Demokratie versus Autokratie" innerhalb der liberalen internationalen Ordnung bewusst.

Carnegie Endowment for International Peace

Thailand: Weitere Verlagerung des Schwerpunkts nach Osten

In ihrer Annahme, dass die Welt mit dem Wachstum der Brics-Staaten auf einen globalen Kipppunkt zusteuert, sehen sich manche Beobachter auch durch Thailands Unterzeichnung einer Absichtserklärung für einen Brics-Beitritt in der vergangenen Woche bestätigt.

Dem thailändischen Außenministerium zufolge will das Land bereits im Oktober auf dem nächsten Gipfeltreffen in Russland Mitglied der Brics-Gruppe werden.

Der Beitritt zu Brics würde es Thailand ermöglichen, die sogenannte Süd-Süd-Zusammenarbeit weiter voranzutreiben, eine proaktivere Rolle zu spielen und zur Gestaltung der globalen Architektur beizutragen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Nikorndej Balankura, auf einer Pressekonferenz.

Thailand begründet seine Entscheidung mit dem großen Wert, den das Brics-Bündnis auf Multilateralismus und die Stärkung der Rolle der Entwicklungsländer in der internationalen Politik lege.

Die Absichtserklärung markiert nach dem Beitritt von Äthiopien im Januar eine weitere mögliche Verlagerung des Machtgefüges, innerhalb der sich der sogenannte Globale Süden immer stärker in Richtung (Fern-)Ost orientiert.

Eine weitere ist freilich Wladimir Putins Werben um eine "strategische Partnerschaft" in Vietnam und Nordkorea.