Gerangel um die Klimapolitik

Im Vorfeld des G8-Gipfels präsentierte US-Präsident Bush in gewohnter Strategie wieder einmal eine einseitige Initiative

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US-Präsident Bush macht mit seiner http://www.whitehouse.gov/news/releases/2007/05/20070531-9.html am Donnerstag seinem Ruf mal wieder alle Ehre. Nach langem und ungewohnt öffentlichem Gerangel um die Abschlusserklärung des G8-Treffens lädt er selbstherrlich zu einer Klimakonferenz ein, die den UN-Prozess umgehen soll und sicherlich kaum Verbindliches zu Wege bringen wird. Mit dem Timing im Vorfeld des G-8-Gipfels demonstriert er den anderen Staatschefs zugleich, dass er in ihnen weniger Verbündete als Gefolgsleute sieht, schließlich verkündete er vor dem G8-Gipfel auch die "United States Global Leadership". Derweil bemüht sich die Bundeskanzlerin krampfhaft, den Affront zu übersehen und spricht von einem „gemeinsamen Grund, auf dem man agieren kann.“ Bush scheint zwar in einer Videokonferenz mit der Bundeskanzlerin, wie der Sicherheitsberater Hadley erklärte, den Affront gemäßigt und Merkel als Vorreiterin gelobt zu haben, das dürfte aber an der Strategie des Präsidenten nichts ändern.

Kurz vor dem G8-Gipfel erinnerte US-Präsident Bush daran, wer Weltmacht ist. Bild: Weißes Haus

Dass so genannte Sherpas (so werden in Nepal Bergführer genannt, hierzulande bezeichnet der Begriff eher Diplomaten, die Gipfel vorbereiten) für die Staats- und Regierungschefs schon im Vorfeld die Abschlussdokumente aushandeln, entspricht dem diplomatischen Alltag. Anders sind Show-Veranstaltungen wie die in Heiligendamm an der Ostsee, für die Deutschland gerade auf russisches Polizeistaatsniveau gebracht wird, für die beteiligten Staats- und Regierungschefs kaum zu bewältigen. Dass jedoch der Dissens dabei derart breit und laut in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird wie derzeit der Klimastreit, ist schon bemerkenswert.

The way to meet this challenge of energy and global climate change is through technology, and the United States is in the lead. …The United States is taking the lead, and that's the message I'm going to take to the G8.

US-Präsident Bush

Gastgeberin Merkel möchte gerne, dass sich die G-8-Chefs auf das von der EU formulierte Ziel festlegen. Die globale Erwärmung soll zwei Grad Celsius nicht überschreiten, doch US-Präsident Bush möchte davon nichts wissen. Auch das Ziel, bis 2050 die globalen Emissionen auf die Hälfte des Niveaus von 1990 herunter zu fahren, behagt ihm nicht (Prima Klima mit Merkel?). So wollte die US-Delegation bei den vorbereitenden Gesprächen unter anderem folgenden Absatz aus dem Entwurf gestrichen haben:

We firmly agree that resolute and concerted international action is urgently needed in order to reduce global greenhouse gas emissions and sustain our common basis of living. To this end we will, in the face of the UN Climate Change Conference at the end of this year, send a clear message on the further development of the international regime to combat climate change.

Dass man derlei nicht unterschreiben mag, liegt ganz auf der Linie der US-Diplomatie unter Bush und seinen neokonservativen Einflüsterern, die eine regelrechte Phobie gegen das Völkerrecht sowie alle verbindlichen Verhandlungen und Verträge im Rahmen der UNO entwickelt haben. Folgerichtig hat der US-Präsident am Donnerstag eine eigene Initiative vorgestellt: Die 15 Nationen mit den meisten Emissionen sollen sich gemeinsam mit den Vertretern der Energiewirtschaft an einen Tisch setzen, um Reduktionsziele und Zeitpläne festzulegen. Das erste Treffen solle bereits im Herbst stattfinden, also vor der nächsten Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention, zu deren Unterzeichnern auch die USA gehört. Die trifft sich Ende November auf der indonesischen Insel Bali, und Merkels Vorschläge für den G-8-Gipfel zielen unter anderem darauf, den dortigen Verhandlungen einen Anstoß zu geben. Es wird nämlich höchste Zeit, dass die Gespräche über die Nachfolge des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls in Gang gebracht werden.

Nun möchte Bush also seine eigene Veranstaltung aufziehen. Merkel versucht die Frechheit zu überhören, mit der sie als Gastgeberin des Gipfels übergangen wurde, und EU-Kommissionspräsident José Barroso vertröstet sich und andere auf die Zeit nach Bush. Nur Tony Blair wedelt mit dem Schwanz und spricht von einem „riesigen Schritt nach vorn“.

Veränderungen der CO2-Emissionen in den sogenannten Annex-I-Staaten 2004 gegenüber 1990, das heißt, in den Industrieländern, die nach dem Kyoto-Protokoll zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet sind, sofern sie ratifiziert haben. Die USA und Australien haben dies abgelehnt. Grafik: UNFCCC-Sekretariat

In der UN-Klimaschutzrahmenkonvention, die auch von den USA ratifiziert wurde, hatten die Annex-I-Staaten 1992 bereits versprochen, bis zum Jahre 2000 ihre Emissionen auf das Niveau von 1990 zurückzubringen. Washington setzte allerdings später die Rechtsauffassung durch, dass diese Regelung keinen verbindlichen Charakter habe. Wie die Grafik erahnen lässt, schlossen sich die anderen Industriestaaten auch deshalb gern dieser Ansicht an, weil nicht nur die USA sondern auch viele anderen entwickelten Länder ihre Emissionen immer weiter steigern. Reduktionen im nennenswertem Umfang hat es bisher im Wesentlichen nur in Osteuropa (einschließlich DDR) in Folge des ökonomischen Zusammenbruchs 1990ff gegeben.

Originell ist auch Bushs Idee, gemeinsam mit den großen Energiekonzernen über Klimaschutz verhandeln zu wollen. Immerhin hatten nicht nur US-Unternehmen der Branche seit Ende der 1980er Jahre kaum eine Mühe gescheut, Klimaverhandlungen und öffentliche Meinungsbildung durch massive Desinformationskampagnen zu sabotieren (Siehe Artikel über Exxon, Januar?). Nun sollen sie „ihr Wissen über saubere Energien einbringen“, wie es in einem Bericht der New York Times über Bushs Ankündigungen heißt.

Da hätten sicherlich auch Deutschlands Stromkonzerne einige Erfahrungen mit anderen zu teilen. Wahrscheinlich würden sie bei den US-Unternehmen, die bisher wenig vom Emissionshandel halten, Neidgefühle mobilisieren, weil ihre Kassen derzeit besonders prall gefüllt sind. Möglich wurde das unter anderem, weil sie den Stromkunden fiktive Kosten für die vom Staat verschenkten Emissions-Zertifikate aufhalsten. Des weiteren könnte E.on aus Schleswig-Holstein berichten, wie man mit allerlei Tricks den Ausbau der Stromnetze verzögert, damit die Windenergie nicht in vollem Umfang ins Netz eingespeist werden kann. RWE und Vattenfall könnten schließlich vielleicht aus dem Nähkästchen plaudern, wie man in einem Land, dass sich selbst als Vorreiter beim Klimaschutz sieht, Braunkohlekraftwerke politisch durchsetzen kann, die nicht einmal im nennenswerten Umfang Arbeitsplätze bringen, dafür aber Treibhausgase emittieren wie kein anderer fossiler Brennstoff, wofür außerdem noch ganze Regionen umgepflügt werden müssen.

Interessant auch die Haltung der US-Regierung zu Fragen des Energiesparens: Insbesondere, so heißt es in der International Herald Tribune, lehne das Weiße Haus Ziele zur Steigerung der Energie-Effizienz ab, wie sie von der EU befürwortet werden. Ein Standard, der in einem Land passe, sei in einem anderen nicht anwendbar. Das ist offensichtlich richtig. In den USA wurden 2006 vom Haupt-Treibhausgases CO2 gut 20 Tonnen pro Kopf und Jahr in die Luft geblasen, hierzulande waren es etwas über acht Tonnen und in China maximal fünf Tonnen. Die Notwendigkeiten zur Verbesserung der eingesetzten Technik sind also ungleichmäßig verteilt.

Umdenken in Peking?

Unterdessen wärmte die New York Times in ihrem Bericht über Bushs Vorstoß zum wiederholten Male das Märchen auf, China und Indien hätten das Kyoto-Protokoll nicht unterschrieben. Das sei für Bush 2001 die Begründung gewesen, die Ratifizierung zu verweigern. Tatsächlich haben sowohl Peking als auch Neu-Delhi nicht nur unterschrieben, sondern auch ratifiziert. Die republikanische Partei und die US-Ölindustrie, in der Bush vor seiner politischen Karriere gearbeitet hatte, waren jedoch stets gegen die internationalen Klimaverhandlungen gewesen, während sich Bushs Vorgängerregierung 1997 in der alten japanischen Kaiser-Stadt an der Aushandlung des Vertrages maßgeblich beteiligt hatte. Der seinerzeitige Vizepräsident Al Gore hatte sogar manche Vergünstigung für die USA herausgeschlagen und den Vertrag damit nicht unwesentlich verwässert, in der Hoffnung, das Protokoll daheim im von Republikanern dominierten Kongress durchzubekommen. Doch daraus wurde nichts mehr, wohl auch, weil Bill Clinton zu sehr mit Wichtigerem wie dem Krieg gegen Jugoslawien oder seiner Lewinsky-Affäre beschäftigt war.

China hat übrigens zwei Tage vor der Bush-Rede seine Position in den Verhandlungen erneut unterstrichen. Seine Pro-Kopf-Emissionen seien weit unter dem Durchschnitt der Industriestaaten und es sei ein Entwicklungsland. Zunächst sei es Aufgabe der Industriestaaten, ihre Emissionen zu verringern, meinte die Sprecherin des Außenministeriums Jiang Yu gegenüber der ausländischen Presse in Peking. Jiang stellte auch klar, dass ihr Land größten Wert auf den völkerrechtlichen Rahmen der Verhandlungen legt:

The international community should make joint efforts to counter the challenge of climate change facing the whole world. The United Nations Framework Convention on Climate Change and the Kyoto Protocol constitute the legal foundations for the international community in meeting the climate change. The meeting of the contracting parties is a major channel for international negotiations and cooperation in this regard.

Die Stellungnahme macht deutlich, dass China sich aktiv in den Verhandlungsprozess einbringen will, was durchaus neu wäre. Noch in den 1990ern hatte man in Kyoto eher als Beobachter am Rande gestanden. Kommende Woche soll ein seit längerem angekündigter nationaler Klimaschutzplan vorgelegt werden.