Gericht: Kopftuch von Lehrerin verstößt gegen Neutralität

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigt das Kopftuchverbot an Schulen und verbiegt die vom Grundgesetz geforderte Gleichheit und Neutralität

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Der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) hat ein fragwürdiges Urteil gefällt und einer verbeamteten Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule, die 1984 zum Islam konvertiert ist, damit untersagt, weiter lehren zu dürfen. Gleichzeitig erlaubt das Gericht ohne weitere Einschränkungen Nonnen in voller Kluft zu unterrichten. Damit wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, die das Verbot abwies, weil es "gleichheitswidrig" sei, aufgehoben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 seine Entscheidung zum Kopftuch auf der Grundlage eines vom Land Baden-Württemberg ausgesprochenen Verbots getroffen und es darin den Bundesländern ermöglicht, das Tragen von Kopftüchern bei Lehrern an öffentlichen Schulen zu verbieten. Das geschah allerdings mit der Einschränkung, dass dies durch ein Gesetz geregelt wird, das die nach dem Grundgesetz erforderliche "weltanschaulich-religiöse Neutralität angemessen" berücksichtigt. Bei den Regelungen, so das Schlupfloch, das das Bundesverfassungsgericht offen gelassen hat, dürfen "auch Schultraditionen, konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starke religiöse Verwurzelung berücksichtigt werden". Christliche Bezüge seien "nicht schlechthin verboten":

Die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität.

Das war sybillinisch zurückhaltend, aber eigentlich schon deutlich, dass Kopftücher als Zeichen des islamischen Glaubens verboten und christliche Symbole weiter getragen werden können, wenn eine nicht näher bestimmte Offenheit gewährleistet wird. Die hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart zusammen mit der Neutralität nicht angemessen im eilig nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verabschiedeten baden-württembergischen Gesetz gewahrt gesehen, da auch Nonnen in Ordenstracht, also in einer eindeutig religiösen Kleidung, an staatlichen Schulen lehren dürfen. Die Regierung hatte es sich mit dem Schulgesetz einfach gemacht. Es verpflichtet zwar zur Neutralität, sagt aber schlicht, dass dem die "Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen" nicht widerspreche.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte die Anweisung des Schulamts an die Lehrerin, ihren Unterricht nur ohne Kopftuch abhalten zu können, aufgehoben. Das Land ging in Berufung, nun hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) – wie zuvor in gleicher Sache der Hessische Staatsgerichtshofs und der Bayerische Verfassungsgerichtshof – das Urteil und damit das Bestehen auf Neutralität und Gleichwertigkeit kassiert:

Durch das Tragen der Kopfbedeckung verstoße die Lehrerin gegen die ihr durch das Schulgesetz auferlegte Verpflichtung, in der Schule religiöse äußere Bekundungen zu unterlassen, die geeignet seien, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern sowie den religiösen Schulfrieden zu gefährden. Der dem gesetzlichen Verbot zugrunde liegende abstrakte Gefährdungstatbestand sei mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, vereinbar.

Dass Nonnen an der staatlichen Grundschule im Baden-Badener Vorort Lichtental in ihrer Kluft unterrichten dürfen, darauf könne sich die Klägerin nicht berufen. Unerheblich sei auch, ob das Tragen eines Kopftuchs "konkrete Gefährdungen" mit sich bringe. Um das Kopftuchverbot und die Erlaubnis der Nonnentracht in Einklang mit der Neutralitätspflicht zu bringen, scheint das Gericht auf eine Begründung zurückzugreifen, die man eigentlich als Trick eines Winkeladvokaten bezeichnen könne, um sich das Gewünschte zurechtzubiegen. Die schriftliche Begründung liegt allerdings noch nicht vor.

In der mündlichen Begründung hatte ein Regierungsvertreter gesagt, so berichtet die Stuttgarter Zeitung, Lichtental sei ein „historischer Ausnahmefall“. Es sei eine frühere Klosterschule, die vom Staat übernommen wird. Aber man sei vertraglich gebunden. Der Vorsitzende Richter hat dann ebenfalls von einem „Sonderfall“ gesprochen. Die schriftliche Begründung dürfte also interessant werden. Wenn es sich denn nur um einen "Sonderfall" handelt, dann müsste das Gericht richtigstellen, dass für die erforderliche Neutralität auch das Tragen der Nonnenkluft an staatlichen Schulen (oder das deutliche Tragen eines Kreuzes) für verbeamtete Lehrer nicht gestattet werden kann. Das wäre konsequent und würde die Stärke von Gleichheit und Religionsfreiheit im Grundgesetz deutlich machen.

Zu vermuten aber ist, dass man irgendwie christlich-abendländisch im Verweis auf die Tradition den zweifachen Maßstab wahren wird. Die Islamisten wird es nicht stören, sondern bestätigen. Die Welt macht einen weiteren Vorschlag aus der Trickkiste. Man könne doch das Kopftuch auch als "politisches Symbol" behandeln und verbieten: "So lassen sich fundamentalistische Gläubige aus den Schulen verbannen, ohne Gefahr zu laufen, dabei die Religionsfreiheit zu beschneiden."