Giftige Algen – wachsende Gefahr in Meeren und Seen

Seite 3: Zahl vergifteter Tiere nimmt zu

Am Mandichosee bei Augsburg sorgt die giftige Tychonema-Blaualge regelmäßig für Badewarnungen. 2019 sei sie das erste Mal aufgetreten, seitdem verbreitet sie sich immer weiter, erklärt Franziska Bauer im Interview mit der Tagesschau. Die Biologin forscht am Lehrstuhl für Aquatische Biologie an der Technischen Universität München. Für ihre aktuelle Studie zur Blaualgen-Verbreitung in Badeseen analysierte sie Wasserproben aus 34 bayerischen Seen.

Die Messwerte überstiegen in Einzelfällen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Ergebnisse zeigen, dass die bisher selten vorkommenden Giftstoffe ein breites Monitoring erfordern, erklärt Systembiologe Jürgen Geist. Er und sein Team beobachten an der limnologischen Station in Iffeldorf die klimabedingten Veränderungen und sind gerade dabei, ein Frühwarnsystem zu entwickeln.

Der muffige Geruch schaumiger Algenfetzen zieht Hunde an. Drei Tiere verendeten 2019 durch eine Anatoxin-Vergiftung am Mandichosee. Bereits 2017 belegte eine Studie des Umweltbundesamtes am Tegeler See bei Berlin eine Anatoxinvergiftung bei zwölf Hunden, die Dunkelziffer ist vermutlich höher.

Weltweit registrierten Biologen seit den 1990er Jahren eine Zunahme solcher Vorfälle. Stickstoff und Phosphat aus Landwirtschaft und Industrieabwässern fördern die explosionsartige Vermehrung giftiger Blaualgen. Bei zunehmendem Niedrigwasser, aber auch nach Starkregen macht sich dies mancherorts bereits im Frühjahr bemerkbar. Das kann zu Badeverbote bis in den Herbst führen. Eine effiziente Lösung wäre, den Nährstoffeintrag in Flüssn und Seen deutlich zu senken.

Algen als Dünger und Nahrung

Grundsätzlich sind Algen als Grundlage der Nahrungskette wichtig für die Meere. Zudem binden sie große Mengen an Kohlendioxid. Sie werden erst zum Problem, wenn sie sich explosionsartig vermehren.

Allerdings gibt es inzwischen auch einige Ideen, Algenblüten produktiv zu nutzen. Als natürlicher Dünger erhöhen Algen die Fruchtbarkeit der Böden. Algen zu Dünger zu verarbeiten, damit experimentieren Gerhard van Hoorn und sein Team vom Ökowerk Emden bereits seit einigen Jahren. Sie sammeln Blasentang entlang des Emder Ems-Deichs ein befreien ihn von Müll und breiten ihn zum Trocknen aus, bevor er zerkleinert und getrocknet wird. Aus einer Tonne Blasentang entstehen am Ende 100 Kilogramm Puder für den Dünger.

Viele Algen sind essbar – und in der Ökobilanz viel besser als Fleisch oder Fisch. Diese Art von Algen muss allerdings gezüchtet werden.

Glaubt man der schwedischen Geologin Vivi Vajda, profitieren Algen auch von ökologischen Katastrophen. Denn häufig, wenn in der Erdgeschichte große Ökosysteme zusammenbrachen, waren Algen die Gewinner. Als vor 65 Millionen Jahren vermutlich infolge eines Meteoriteneinschlags die großen Dinosaurier ausstarben, vermehrten sich weltweit Mikro-Algen.

Als vor 250 Millionen Jahren – an der Perm-Trias-Grenze – 80 bis 90 Prozent der großen kohlebildenden Sumpfwälder verbrannten, starben alle Tier- und Pflanzenarten aus. Die Wissenschaftlerin sieht hier deutlich Parallelen zur Gegenwart: Brennende Wälder, erodierende Böden, starker CO2-Anstieg, massiver Nährstoffeintrag in die Gewässer – derzeit ahmen die Menschen nach, was bei früheren Massenaussterben geschah.