Gipfel endet mit Absichtserklärungen

Seite 4: Der Rasenmähermann und die Finanzierungsvorbehalte

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Die Studienfinanzierung wäre ein wenig entlastet, doch woher kommen die Milliardenbeträge, die nach Einschätzung aller maßgeblichen Experten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in den Bildungsbereich investiert werden müssen, um international konkurrenzfähig zu bleiben?

Nirgendwoher sagt Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts für Bildung und Forschung auszugeben, für unerreichbar hält. Koch verlangt angesichts der gigantischen Haushaltslöcher einen harten Sparkurs, von dem der Bildungsbereich nicht ausgeschlossen werden könne.

Der erste Vorstoß des Ministerpräsidenten (Roland Koch bläst zum Angriff auf die Bildung) wurde von Bildungsministerin Annette Schavan und Kanzlerin Merkel in der vergangenen Woche umgehend kassiert, doch Koch legte am Wochenende nach und plädierte für eine tabulose Diskussion und Sparvorgaben nach dem Rasenmäherprinzip.

So schwer es fällt, wir werden das Ziel für Bildung verschieben müssen. (...) Die Dimension des Problems ist viel größer, als viele selbst in meiner Partei wahrhaben wollen. Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse. (...) Das meiste Geld sparen Sie dadurch, dass Sie überall etwas sparen.

Roland Koch

Der Verdacht, dass sich der Vorsprecher des konservativen Unionsflügels für alle denkbaren Fälle als "Reservekanzler" in Stellung bringen möchte, ist möglicherweise nicht ganz unbegründet. Doch Koch hat Sympathisanten, die sich mit leichter Zeitverzögerung nun ebenfalls aus der Deckung trauen.

"Mehr Geld macht nicht automatisch klüger", erklärte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Freitag. Das Ziel, zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts in Bildung und Forschung zu investieren, habe in Zeiten leerer Kassen "seine Bedeutung verloren". Man müsse nunmehr nach Wegen suchen, "die Bildung zu verbessern, ohne immer mehr Geld ins System zu pumpen".

Annette Schavan wies am Tag der Bologna-Konferenz ebenfalls prophylaktisch darauf hin ("dass nicht alle Maßnahmen kosten Geld – "es geht auch um mehr Effizienz und bessere Organisation".

Tatsächlich geht es nicht nur um Geld – auch nicht bei der aktuellen Debatte um eine Korrektur der peinlich missglückten Bologna-Reform. Für die Politik steht eine Richtungsentscheidung auf dem Spiel, die seit Jahren angekündigt, aber nicht getroffen wird. "Bildung und Forschung haben für diese Bundesregierung höchste Priorität", gab Schavan am 9. Dezember 2009 zu Protokoll. Geschehen ist – davor und danach – wenig bis gar nichts. Dabei will niemand bestreiten, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise mit all ihren Rettungsschirmen die Situation dramatisch erschwert hat. Sie lässt allerdings auch die Alternativen sehr deutlich hervortreten.

Wer jetzt den Rotstift bei den Bildungsausgaben ansetzt, bekennt sich unmissverständlich zum Ist-Zustand mit seinen offenkundigen qualitativen und den kaum absehbaren sozialen Defiziten. Die politischen Freunde von Koch und Tillich werden nichts dagegen einzuwenden haben, denn sie können sich noch eine geraume Zeit die Rosinen aus dem ranzig gewordenen Bildungskuchen picken. Doch für viele andere wird der Weg in die oft zitierte Bildungsrepublik bis auf weiteres versperrt bleiben.