Glaubwürdigkeitsprobleme der Linken

Seite 3: Notwendiger Ausbruch aus dem neoliberalen Korsett

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Da die finanzielle Knebelung öffentlicher Haushalte wie auch anderes Druckpotential dem Tatbestand geschuldet ist, dass die Staaten in Konkurrenz um die Gunst von Investoren stehen, muss hier angesetzt werden. Dies ist umso dringender, weil sich die Lage fortwährend zuspitzt, da die Angebot-Nachfrage-Relation bei Produktionsstandorten sich permanent zugunsten der Kapitalseite verändert.

Als geeignete Instrumente auf nationaler Ebene würden sich Kapitalverkehrskontrollen und Importzölle anbieten. Diese kämen auch EU-weit in Frage, ebenso dringend wäre hier eine Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung. Global sollten Vermögen und Gewinne flächendeckend erfasst sowie internationale Regeln der Steuererhebung vereinbart werden, wodurch Steueroasen der Boden entzogen würde. Staaten könnten dann nicht mehr erpresst werden, sodass eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen und geerbten Anlagevermögen sowie eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer realisierbar wären.

Da die deutsche Volkswirtschaft in erheblichem Maße mit der anderer Länder verflochten ist, erscheinen nationale Alleingänge kaum möglich. Globale Vereinbarungen sind hingegen schwer durchzusetzen, da mit beträchtlichem Widerstand insbesondere aus angelsächsischer Richtung zu rechnen ist. Eine Alternative wäre die Selbstabschottung der EU mittels Kapitalverkehrskontrollen und Importzöllen. Gleichzeitig müssten Besteuerungsgrundsätze beschlossen werden, die einen ruinösen Standortwettbewerb der EU-Staaten untereinander ausschließen.

Erweist sich auch dies als unmöglich, gäbe es die Option einer Bindung an wirtschaftlich relativ unabhängige Staaten wie Russland und China. Dies wäre jedoch nicht nur ein Affront gegen westliche Partner, sondern würde einen volkswirtschaftlichen Umbau verlangen, der kaum ohne eine längere Durststrecke zu bewerkstelligen wäre. Daran wie auch an unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertvorstellungen dürfte diese Alternative scheitern. Sie könnte dennoch für kleinere Staaten wie Griechenland oder einige Balkanländer erwägenswert sein, was allerdings Wirtschaftshilfen durch Moskau verlangen würde, die dann politisch motiviert wären.

Voraussetzungen für eine glaubwürdige linke Politik

All diese Optionen erscheinen derzeit als höchst unrealistisch, obgleich eingestanden werden muss, dass sich kaum andere anbieten. Dennoch dürfte außer Frage stehen, dass eine Stärkung der Position von Staaten gegenüber globalen Kapitalgesellschaften unverzichtbar für die Realisierung zentraler linker Forderungen ist. Bereits kleine Fortschritte wie etwa eine Kontrolle von Finanztransfers aus der EU könnten dazu beitragen, den Prozess der zunehmenden Verengung des Handlungsspielraums politischer Entscheidungsträger zu bremsen. In diesem Kontext bekommt auch der Kampf gegen CETA und TTIP eine konkrete Dimension.

Solange die politische Gestaltungsfähigkeit von Regierungen erheblich eingeschränkt ist, lassen sich die Ziele der Linken nur minimal durchsetzen. Dieser Tatbestand sollte den Bürgern nicht vorenthalten werden. Zudem müssten bei jeder sich bietenden Gelegenheit die schädlichen Folgen der erzwungenen Konkurrenz von Staaten thematisiert und deren Schlüsselbedeutung für die Verfügbarkeit öffentlicher Finanzmittel betont werden. Hierzu sollte EU-weit ein gemeinsames Manifest erstellt werden, das linken und ihnen nahestehenden Parteien als einheitliche Richtschnur dienen würde und auf das immerfort Bezug genommen werden könnte. Der Linken kann dann kaum mehr unterstellt werden, sie würde Wähler mit unerfüllbaren Versprechen täuschen.

Vor diesem Hintergrund ließen sich Bedenken zerstreuen, die im Zusammenhang mit einer Regierungsbeteiligung auf kommunaler, regionaler und künftig vielleicht auch Bundesebene geäußert werden. Zum einen bringt die Nutzung verbleibender Spielräume reale Vorteile, zum anderen erwerben Mitglieder der Linken praktische Erfahrungen und erhalten Zugang zu Informationsquellen. Ebenso ist eine Kooperation mit anderen Parteien, sogar mit Kräften aus dem konservativen und großbürgerlichen Lager, zu befürworten, soweit gleiche Ziele angestrebt werden. Im Ergebnis könnte die Linke ihre Glaubwürdigkeit bewahren und sich gleichzeitig als zuverlässiger und kompetenter Akteur profilieren.