Glyphosat: Von "wahrscheinlich krebserregend" zu "keine kritischen Problembereiche"
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gibt vorerst grünes Licht für verlängerte Zulassung des Herbizids. Dem Hersteller gefällt das. Warum es keine echte Entwarnung ist.
Als "wahrscheinlich krebserregend" war das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat vor acht Jahren von der WHO eingestuft worden. Krebskranke, die mit dem Herbizid in Kontakt gekommen waren, hatten teils erfolgreich gegen den Hersteller Bayer (ehemals Monsanto) prozessiert und in den USA mehrere Millionen Dollar Schadenersatz erstritten.
In letzter Zeit gewann der Agrar- und Pharmakonzern allerdings auch wieder Glyphosat-Prozesse. Allerdings nicht, weil der von den Klägern vermutete Zusammenhang gerichtlich widerlegt wurde. Stattdessen wurden neuerliche Überprüfungen verlangt.
Am 15. Dezember dieses Jahres sollte die Zulassung des Herbizids in der EU enden. Eigentlich! In der Debatte um eine Zulassungsverlängerung sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) laut einer am Donnerstag veröffentlichten Einschätzung "keine kritischen Problembereiche", aber Datenlücken und offene Fragen.
Als "kritisch" gilt ein Problembereich nach Lesart der Behörde, wenn alle vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat "betroffen" sind und beispielsweise schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier haben könnten.
Zu den noch nicht abschließend geklärten Aspekten gehörten allerdings laut einer Efsa-Mitteilung vom Donnerstag auch ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher – neben der Bewertung von Risiken für Wasserpflanzen und möglichen Folgen für den Artenschutz. Hierzu ließen die aktuell verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlüsse zu, räumt die Behörde mit Sitz im italienischen Parma ein.
Nach Einschätzung der Efsa sind die Risiken aber zumindest nicht so groß, dass eine weitere Zulassung jetzt untersagt werden müsste. EU-Kommission und Mitgliedstaaten sollten aber nicht abschließend geklärte und offene Fragen "in der nächsten Phase des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung berücksichtigen", teilt die Efsa am Donnerstag mit.
Insgesamt seien 23 vorgeschlagene Verwendungen untersucht worden. Mit Blick auf die Umweltschädlichkeit von Glyphosat wurde zwar bei 12 der 23 vorgeschlagenen Verwendungen "ein hohes langfristiges Risiko für Säugetiere ermittelt" – um dies als "kritisches Problem" zu betrachten, das einer Zulassung im Weg steht, müssten nach Angaben der Behörde aber bei allen 23 vorgeschlagenen Verwendungen schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren ermittelt werden.
Bayer spricht von "abschließender wissenschaftlicher Schlussfolgerung"
Wohl auch aufgrund solcher Definitionen wirft das Umweltinstitut München wirft der Efsa Einseitigkeit vor – sie stütze sich auf von der Industrie finanzierten Studien, die Glyphosat Harmlosigkeit bescheinigen.
Der Glyphosat-Hersteller Bayer begrüßt erwartungsgemäß die Ergebnisse der Efsa, bezeichnet sie aber – anders als die Behörde selbst – als "abschließend": "Diese abschließende wissenschaftliche Schlussfolgerung legt den Grundstein für die erfolgreiche Wiederzulassung von Glyphosat in der EU", hieß es am Donnerstag von Seiten des Konzerns.
Laut Guilhem de Seze, Leiter der zuständigen Efsa-Abteilung, ist die Risikobewertung das Ergebnis der Arbeit von Dutzenden Wissenschaftlern und der EU-Mitgliedstaaten in einem dreijährigen Verfahren.
Im März 2015 hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.
"Die neue Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu Glyphosat widerspricht der Bewertung durch die Weltgesundheitsorganisation und zahlreichen wissenschaftlichen Studien", betonte daher am Donnerstag der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.
Glyphosat ist noch bis zum 15. Dezember EU-weit zugelassen. Unter Berücksichtigung der Efsa-Ergebnisse will die EU-Kommission einen Vorschlag zur weiteren Genehmigung entwickeln. Über eine Wiederzulassung entscheiden dann allerdings die Agrarministerinnen und Agrarminister der EU-Staaten.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich bereits klar dagegen positioniert.