Golfstrom mit künstlicher Pumpe

Mit der Klimaerwärmung würde es in Nordwesteuropa kälter werden, weil der Golfstrom schwächer wird - ein Wissenschaftler hat eine Idee entwickelt, unser gemäßigtes Klima auch dann zu erhalten

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Die durchschnittlichen Temperaturen steigen. Die Ursache ist nach Meinung vieler Wissenschaftler die Klimaerwärmung, die sich dem Ausstoß von Treibhausgasen verdankt. Manche mögen sich im kalten nördlichen Europa denken, dass dann endlich angenehmere Zeiten und wärme Sommer kommen, auch wenn im Süden Dürre und Hitze herrscht. Aber Voraussagen nach wird die Klimaerwärmung im nördlichen Europa zu einem Kälteeinbruch führen. Ein kanadischer Wissenschaftler hat zur Lösung des Problems eine exotische Idee entwickelt.

Der Golfstrom ist ein Teil globalen thermohalinen Zirkulation. Bild: FTE info

Die Klimaerwärmung verändert u.a. auch den Salzgehalt der Meere, wodurch die Zirkulation der Meeresströmungen sich verändern kann. So könnte durch eine größere Verdunstung in den wärmeren Regionen mehr Regen in den nördlichen Breiten entstehen, wodurch der Salzgehalt des Wassers sinkt, wozu auch das Schmelzwasser, verursacht vom Abtauen der Gletscher und des Eises, beiträgt. Das bislang stärker salzhaltige Wasser im Nordpolarmeer ist mitverantwortlich für die Existenz des Golfstroms, denn es drückt das kalte Wasser nach unten, so dass hier eine Meereströmung zurück in die Tropen und bis in die Antarktis entsteht, während das warme Wasser des oberflächigen Golfstroms "angezogen" wird und Europa von Lissabon bis Skandinavien anheizt.

Nach Messungen hat sich der Golfstrom in den letzten Jahrzehnten bereits verlangsamt. Der Rückgang der kalten Strömung in der Tiefe hat sich in den letzten Jahren weiter beschleunigt, während der Salgehalt des Wassers abgenommen hat. Sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen, bestünde die Gefahr, dass der Motor der Meeresströmungen ins Stottern gerät und der Golfstrom, wie beispielsweise schon während der Eiszeit vor 120.000 Jahren, nicht mehr so weit in den Norden reicht. In Nordwesteuropa könnte der dadurch erfolgende Rückgang der Temperaturen um mehrere Grad und die sich verlängernden Winter tiefgreifende Folgen verursachen.

Peter Flynn von der University of Alberta, hatte sich eigentlich mit der Frage beschäftigt, ob das kalte Wasser, das in die Tiefe sinkt, mehr Kohlendioxid in die Tiefsee transportieren kann. Dabei spielten er und sein Kollege mehrere Möglichkeiten durch, wie man die in die Tiefe absinkende kalte Meeresströmung eventuelle benutzen könnte, um Kohlendioxid zu "entsorgen". Das Ergebnis der Studie war, dass dies praktisch nicht möglich bzw. unbezahlbar teuer sein würde.

Im Zuge seiner Forschung konnte er auch bestätigen, dass die gigantische Umwälzpumpe schwächer geworden ist. Erst unlängst haben britische Forscher nachgewiesen, dass die Zirkulation erheblich nachgelassen hat. Flynn ist Ingenieur, aus diesem Grund wohl hat er die zuvor entwickelten theoretischen Möglichkeiten, Kohlendioxid in die Tiefsee zu pumpen, daraufhin geprüft, ob sie möglicherweise tauglich sein könnten, um das "Ozeanischen Förderband" wieder schneller laufen zu lassen und so Nordwesteuropa vor zunehmender Kälte zu schützen.

Eine der Methoden, die er sich überlegt hatte, war zugleich die kostengünstigte gewesen. Um mehr Wasser in die Tiefe zu befördern (mit der vergeblichen Hoffnung, dass damit auch mehr Kohlendioxid auf den Meeresboden gelangt), müsste man einfach den Salzgehalt erhöhen. Die daraus folgende Idee zum Antreiben der riesigen Umwälzpumpe: Im Herbst müssten an die 8.000 Schiffe in den Norden fahren und die Bildung von Meereseis beschleunigen. Sie könnten, so Flynn, Wasser aus dem Meer pumpen und in die Luft blasen. Haben sich die ersten Eisschichten gebildet, wird Wasser darauf gepumpt, so dass die Eisschicht mehrere Meter dicht wird. In ihr wäre dann auch das Meeressalz enthalten. Im Frühjahr könnte man dann wiederum zum Auftauen Wasser über das Eis pumpen, so dass nun eine große Menge kaltes, salzhaltiges Wasser zusätzlich entsteht, dass die in die Tiefe gehende Strömung verstärkt, wodurch dann wiederum die warme Strömung des Gulfstroms stärker angezogen würde.

Das wäre nach Flynns Berechnungen alles für 50 Milliarden Dollar zu haben. Das klingt viel, aber wenn man die Kosten beispielsweise damit vergleicht, dass das Pentagon für die Einsätze im Irak und Afghanistan dieses Jahr 70 Milliarden Dollar zusätzlich fordert, erscheinen schon in einem anderen Licht. Flynn rechnet ein wenig anders, um die Höhe der Kosten zu relativieren:

Sagen wir einmal vorsichtig, dass in Europa 100 Millionen von dieser Meeresströmung betroffen sind. Dann würden 50 Milliarden Dollar pro Person 500 Dollar bedeuten. Wir denken nicht, dass dies ein unvernünftiger Preis ist, wenn die Gletscher sich schon an der Hintertür befinden und die eigene Lebensweise zu verschwinden droht.

Viele Menschen würden wegziehen müssen (und kämen dann mit den Menschenströmen zusammen, die von den überfluteten Küsten fliehen), Landwirtschaft und Industrie würden einbrechen. Wie auch immer die Szenarien aussehen würden, die Kosten wären jedenfalls hoch, höher vermutlich als diejenigen, die durch die künstliche Verstärkung der sich verlangsamenden Pumpe entstünden, wenn dies denn überhaupt funktionieren würde.

Flynn betont natürlich, dass man nie weiß, welche unvorhersehbaren Folgen ein solcher geo-ingenieursmäßiger Großeingriff in die Natur haben könnte. Überdies würden mit den Schiffen und Pumpen wiederum große Mengen an Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben, die vielleicht den Effekt der Aktion kompensieren könnten. Flynn rät erst einmal dazu, nicht an den Symptomen herumzukurieren, sondern die Ursachen zu bekämpfen, also den Ausstoß der Treibhausgase zu reduzieren: "Aber wenn unsere Bemühungen scheitern, die Kohlendioxid-Menge in der Atmosphäre zu kontrollieren und in eine Krise schlittern, dann könnten wir Notfallmaßnahmen in Betracht ziehen."