Google News: Die große Leere
Seite 2: Was von der guten Rechercheplattform bleibt
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- Was von der guten Rechercheplattform bleibt
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Es war möglich, auch Jahre alte Texte zu einem Thema schnell zu finden, die unterschiedlichen Quellen schnell abzugleichen, einen immensen Informationsschatz rasch anzusammeln - und auch die Widersprüche, Halbwahrheiten, Verdrehungen der unterschiedlichen Quellen schnell aufzudecken.
Mit einem Satz: Google News bildete allen Einschränkungen zum Trotz eine gute Rechercheplattform, mit dem auch der Medienbetrieb bei Gelegenheit bloßgestellt werden konnte. Alles war nur ein paar Klicks entfernt. Der Benutzer wurde in die Lage versetzt, sich schnell und einfach einen Überblick nicht nur über das Nachrichtengeschehen, sondern auch über den Nachrichtenbetrieb zu verschaffen.
Das ist nun vorbei - ohne dass auch nur eine einzige nennenswerte Nachrichtenquelle darüber berichtet hätte. Ein Unternehmen, das bei internetbasierten Suchdiensten eine monopolartige Stellung innehält, schafft de facto seine Suchfunktion für Nachrichten ab, und keiner berichtet darüber.
Nun wird dem User nach dem Eingeben eines Stichworts genau eine halbleere Seite an "Geschichtenkarten" angeboten. Das war es dann. Es ist nicht mehr möglich, hier einen Zeitraum festzulegen, die Relevanz zu sortieren, die Quellen sich auszusuchen. All gone.
Dies ist erst innerhalb einer Story-Card möglich, sobald der Link zu den weiterführenden Informationen verfolgt wurde. Abermals wird dem Benutzer nur eine Seite präsentiert, bei der sich die Sortierung eigentlich erübrigt.
Zudem sind ältere Artikel und Texte schlicht nicht mehr zu recherchieren. "Was schert mich mein Geschreibsel von Gestern?" - dieses Motto des Medienbetriebs, bei dem man bei allen Halbwahrheiten und Manipulationen immer auf die Vergesslichkeit des Publikums bauen konnte, scheint beim Relaunch berücksichtigt worden zu sein.
Das Vergessen beigebracht
Auf die alte Version von Google News kann man folglich noch bedingt zugreifen: Immer dann, wenn ein Begriff eingegeben wird, der noch nicht in den tagesaktuellen Artikeln auftaucht, die nur noch seit dem Relaunch berücksichtigt werden. Fazit: Google hat seiner verstümmelten Attrappe einer Nachrichtensuche das Vergessen beigebracht. Genau das ist es, was man - neben vielen leeren, weißen Flächen - bei einer Nachrichtensuchmaschine braucht. Fire and forgett.
Es ließe sich nun einwenden, dass die intensive Recherche einer "Story" entlang der Geschichtenkarten erfolgen könne. Doch ist offensichtlich die Anzahl der Text, die von Google berücksichtigt werden, stark beschnitten worden. Beim "Aufklappen" der verschiedenen Story-Cards überschneiden sich die einzelnen Quellen sehr stark, zudem ist eine strukturierte Suche kaum noch möglich.
Offensichtlich wurden die Quellen arg zusammengestrichen, die "maschinelle" Suche ist nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Somit ist ein gutes, von jedem Laien einfach zu bedienendes Recherchemedium schlicht verstümmelt worden. Die "verbesserten" Algorithmen dienen somit nicht dazu, möglichst viele Infos zur Verfügung zu stellen, sondern eine quasi redaktionelle Filterung der Nachrichten aus einem sehr begrenzten Pool vorzunehmen.
Es ist, als ob Google News nach dem Relauch entscheiden würde, was aus der früheren Vielfalt an Nachdichten noch dem Leser zugemutet werden dürfe - er muss ja vor der Nachrichtenflut "beschützt" werden. Hier wurde eindeutig eine Art Filter eingebaut.
Je weniger Infos, desto größer die "Übersicht"
Weniger Nachrichten bei einer extremen Filterung und Reduzierung der Quellen - in den Nachrichten spielt diese Filterung der Nachrichten selbstredend keine Rolle. Stattdessen wird über "luftige" neue Designs und den größeren Überblick geschwärmt, den eine Verringerung von Informationen verschaffen soll. Ignoranz gilt hier offensichtlich als Stärke. In einer orwellschen Umdrehung der Fakten wird die Form mit dem Inhalt verwechselt. Wenn ich mehr scrollen, mehr Klicks absolvieren muss, um dieselbe Menge an Infos zusammenzutragen, dann hat dies nichts mit einer größeren Übersicht zu tun.
Letztendlich hat das neue, übersichtliche und "aufgeräumte" Design eine unterschwellige Nachricht an den User: Weniger ist mehr. Je weniger Infos zu einem Thema bereitgestellt werden, desto größer die "Übersicht" über das Thema.
Es geht Google somit nicht um die korrekte Darstellung des konkreten, komplexen sozialen Vorgangs, der Gegenstand der Berichterstattung ist, sondern um die Schaffung einer möglichst bequem zu erreichenden Illusion beim User: Er habe den "Überblick" über das Thema. Vulgo: Ignoranz ist Stärke. Hier wird eine Verblödung des Users mittels der Beschneidung der Recherchemöglichkeiten betrieben.
Statt zu recherchieren, sollen sich die User in der tollen Personalisierung der Nachrichtensuche verlieren, die massiv ausbaut wurde. Präzise Nachrichtenrecherche kann aber gerade nur jenseits der "individualisierten" Nachrichtensuche erfolgen, bei der Algorithmen gerade darangehen, entlang der angleichenden "Interessen" der User möglichst schnell deren thematischen Horizont zu begrenzen. Der Nachrichten-Algorithmus baut eine Mauer um den User, was letztlich einer personifizierten Wahnbildung zuträglich ist.