Green Deal ohne Partner?

Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag für alle Optionen positioniert, von einem Linksruck wollen sie nichts wissen

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„Bündnis 90/Grüne: Gratulation - Aber nur teilweise!“ Mit dieser Pressemeldung kommentierte der Erwerbslosenverband Deutschland den Parteitag von Bündnis90/Die Grünen, der am Wochenende in Berlin stattfand. Als richtige und anerkennenswerte Schritte werden vom Erwerbslosenforum Beschlüsse, die die Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV vorsehen, bezeichnet. Der Sprecher des Erwerbslosenforums Martin Behring betont, dass sie ohne die Mithilfe der Grünen nicht eingeführt worden wären: „Dennoch erkennen wir ausdrücklich an, dass die absurde Praxis von Zwangsbedarfsgemeinschaften und willkürlichen Sanktionen, der Sanktionen wegen nun auch bei Bündnis 90/Grüne angekommen ist."

Dieses Lob ist für die Grünen nicht unbedeutend. Schließend galten sie seit Jahren in sozialpolitischen Fragen kaum noch als Ansprechpartner. Da hatte die Linkspartei bisher die Nase vorn. Zudem ist die Reaktion auf den Parteitag vom Wochenende ansonsten nicht besonders positiv. Von einen Linksruck wird häufig gesprochen. Dafür wurden als Beleg gerade die Beschlüsse gegen das Hartz IV-Regime herangezogen, die das Erwerbslosenforum lobt. Nach dem Parteitag wollen sämtliche Flügel der Grünen den Eindruck verwischen, dass es einen Linksruck gegeben habe.

Den Grund nennt der grüne Nachwuchspolitiker Arvid Bell in einem Interview:

Die meisten Grünen interessieren sich für den Flügelstreit ebenso wenig wie für überflüssige Koalitionsdebatten. Wir wollen jetzt wirklich über die Wirtschafts- und die Klimakrise reden. Das ist vielleicht etwas relevanter.

Tatsächlich ist die Debatte um den Grünen New Deal schon älter und soll Ökologie und Wirtschaftskompetenz verbinden. Kernstück dieses New Deal ist die grüne Marktwirtschaft. Vor dem Hintergrund der Finanz- und Klimakrise und vor dem erhofften Rückenwind durch die Obama-Administration in den USA hoffen die Grünen, mit diesem Programm zu punkten. Dabei verweisen sie auch Erfolge in Deutschland. So mache die Entwicklung der Umwelttechnologie Fortschritte und Strom aus regenerativen Energien könne für die Atomwirtschaft bald zu einem Konkurrenzproblem werden. Solche selbstbewussten Töne hört man in letzter Zeit häufiger von Politikern der Grünen. Tatsächlich ist die Umwelttechnologie längst keine Nischenbranche mehr, was auch bis in Kreise der Energiewirtschaft durchgedrungen ist.

Keine Machtperspektive?

Angesichts der Orientierung der Grünen auf den Green Deal kommt den Parteistrategen die Medienresonanz auf den Parteitag eher ungelegen. Denn dort steht die angeblich fehlende Machtperspektive im Vordergrund. Die gesamte Farbenlehre wird da wieder herangezogen. Die Grünen hätten durch die Ablehnung einer Jamaika-Koalition mit Union und FDP angeblich jeglichen Anspruch auf das Mitregieren aus der Hand gegeben.

FDP-Parteichef Westerwelle hat mit seiner Ablehnung einer Ampelkoalition, also einem Bündnis von SPD, Grünen und FDP, dazu beigetragen, dass die Debatte über die Regierungsoptionen einen solch breiten Raum einnimmt. Dabei müsste eigentlich schnell deutlich werden, dass es sich dabei um das übliche Wahlkampfgeplänkel handelt. Denn weder haben die Grünen eine Zusammenarbeit mit der FDP ausgeschlossen, noch umgekehrt die FDP eine Kooperation mit der Ökopartei.

Vor allem aber verkennt diese Debatte, dass viele Grüne, wenn die Mikrofone aus sind, ganz offen sagen, dass der Green Deal sich gerade mit Teilen der Union gut verträgt. In Hamburg regiert Schwarz-Grün ziemlich geräuschlos. Auch im Saarland könnte es nach der nächsten Landtagswahl ein solches Bündnis, womöglich mit Einschluss der FDP, geben. Alle drei Parteien sprechen sich dort im Gegensatz zu SPD und Linkspartei für einen schnellen Ausstieg aus dem Bergbau aus.

Selbst in Sachsen, wo die Grünen bisher kein Machtfaktor sind, wird die Umweltpartei ausgerechnet vom CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich als möglicher Koalitionspartner ins Gespräch gebracht. „Mit den Grünen gibt es genau so Schnittmengen, wie es sie mit der FDP gibt", sagte er in einem Interview. Nur die Fortsetzung der großen Koalition, die zurzeit Sachsen regiert, will der Ministerpräsident nach den nächsten Wahlen am 30.August 2009 „gerne vermeiden“.

Es ist wahrscheinlich, dass Tillich vor seinem Interview die Unionsführung zumindest über seine Optionen in Kenntnis gesetzt hat. Zumal die Parallelen zur Bundestagswahl nicht von der Hand zu weisen sind. Auch dort würde die Union, wenn es für eine Mehrheit mit der FDP nicht reicht, andere Optionen suchen, bevor sie sich zähneknirschend erneut auf eine große Koalition einlässt. Zu diesen Optionen zählen die Jamaika-Koalition und auch ein schwarz-grünes Bündnis.

Diese Option werden viele in der FDP nicht gerne hören. Trotzdem wird sie Westerwelle nicht davon abbringen, einen Lagerwahlkampf für eine bürgerliche Koalition auszurufen. Im Gegenteil, der FDP-Chef wird nun mit dem Argument werben, dass wer Schwarz-Gelb will, seine Partei wählen muss. Das ist auch ganz im Sinne der Union, die sich so von der FDP unterscheiden kann und, wenn es nach der Wahl nicht für eine bürgerliche Mehrheit reicht, immer noch Optionen für andere Bündnisse offen hat.

Druck auf Linkspartei

Bei den verschiedenen Farbenspielen bleibt die Linkspartei außen vor. Unter den Grünen ist diese Herangehensweise durchaus nicht unumstritten. Daher gab es im Vorfeld des Parteitags Versuche, in den Texten Formulierungen unterzubringen, die ein rot-rot-grünes Bündnis als Option offen lassen sollen. Schließlich gäbe es dafür auch genügend Schnittmengen, heißt es dort. Dass es dazu nicht kommt, sei der Abgrenzung der SPD und dem Sektierertum der Linkspartei zuzuschreiben. Daran sollten sich n die Grünen aber nicht beteiligen und deshalb die Möglichkeit eines solchen Bündnisses zumindest formulieren, so die Argumente vom linken Parteiflügel.

Doch davon sind nur Spurenelemente in den Anträgen übrig geblieben. Das lag vor allem daran, dass die Grünen auf keinen Fall als Teil eines linken Blocks im Bündnis mit der Linkspartei im Wahlkampf wahrgenommen werden wollen. Dadurch würden ihnen schließlich nachher Optionen eines Bündnisses mit der Union verwehrt. Andererseits würden bei den Grünen auch wenige zurzeit eine totale Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei formulieren. Schließlich ist es eine weitere Option, die man sich auch offenhalten will.

Vor allem aber steigt der Druck auf die Linkspartei, sich in eine realpolitische Richtung zu bewegen, wenn sie sonst als Hemmschuh für eine „Reformkoalition“ angesehen wird. Schon seit mehreren Monaten veröffentlicht die grünennahe Tageszeitung gelegentlich Kommentare, die die Linkspartei ermahnen, endlich auch in Fragen der Außen- und Europapolitik realistisch, sprich regierungsfähig zu werden.

Es gibt aber nicht nur in den ostdeutschen Landesverbänden starke realpolitische Kräfte, die für solche Ermahnungen durchaus ansprechbar sind. So erklärte erst kürzlich der Brandenburger Politiker der Linkspartei Ralf Christoffers, dass er die Aufgabe seiner Partei in der Systemstabilisierung und nicht im Schüren von sozialen Unruhen sehe. Bei möglichen Koalitionsgesprächen nach den Landtagswahlen in Brandenburg verbitte er sich eine Einflussnahme durch die Bundespartei. Diese Warnung zielt vor allem auf die Politik von Lafontaine und manche Politiker der ehemaligen WASG, die die realpolitischen Optionen der Realos stören.

Am deutlichsten hat das bisher der langjährige Berliner Haushaltspolitiker der Linken Carl Wechselberg ausgesprochen. Vor allem von der Bundespartei angestoßene Diskussionen über die Legitimität eines Generalstreiks und die Forderungen nach mehr Geld für Hartz IV-Empfänger sind für ihn ein Grund, über einen Parteiwechsel nachzudenken. Sollten die Ergebnisse der Linkspartei bei den künftigen Wahlen hinter den selbstgesteckten Erwartungen zurückbleiben, dürfte sich die Debatte parteiintern ausweiten.