Greyworld - Audio-Erfrischungen in grauen Transitzonen

Fußgängertunnel unter der Themse wird zur interaktiven Klangskulptur

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Greyworld - das ist die graue Sphäre, die die Menschen durchqueren, um vom Arbeitsraum zum Freizeitraum zum Wohnraum zu gelangen; die Transiträume, die nicht wahrgenommen, und wenn, dann abgelehnt werden. Diese graue Welt dient als bevorzugtes Environment für die Soundinstallationen der Künstlergruppe, die sich darauf beziehend Greyworld nennt.

Greyworld formierte sich vor fünf Jahren in Paris. Die Gruppe teilte unter sich die Kritik an Werken öffentlicher Kunst, die ihrer Meinung nach die Öffentlichkeit in keiner Weise involvierten und formulierte daraus das Greyworldsche Motto, Menschen so weit wie nur möglich in das ‚Funktionieren' ihrer Arbeiten einzubeziehen. Zweiter Schlüsselpunkt, der sich durch ihr Oeuvre ziehen sollte, war der Versuch, die alltägliche Geräuschumgebung, die man gewöhnlich wegfiltert, bewußter werden zu lassen, indem Audioelemente (wie Kühlschrankgesumme oder Rascheln mit Papieren) gezielt eingesetzt werden.

Ein frühes Projekt von Greyworld füllte eine verlassene Zugstation in Fontenay-le-Comte in Südfrankreich mit den Geräuschen eines Bahnhofs in Betrieb. Die Interaktion mit den Sounds beruhte darauf, daß das Publikum sich durch die Halle bewegte und so unterschiedlichen Klangquellen näher kam, die lauter hörbar wurden. Der Bürgermeister war von der Belebung des Bahnhofs durch die Simulation der Geräuschkulisse so begeistert, daß er die Station wiedereröffnete.

Heute arbeiten die Greyworld-Mitglieder Sabine Tress, die aus Ulm stammt und Malerei an der École des Beaux Arts Paris studiert hatte, Andrew Shoben, der als Komponist für zeitgenössischen Tanz tätig war, und Laurie Yule, der einen Hintergrund als Techno-DJ aufweist, in einem Studio in London in der Nähe von Greenwich, wo Ende dieses Jahres auch ihre nächste große Installation geplant ist:

The Layer, ein begehbarer Klangboden, der mit interaktiven Sensoren und selbstgenerativer Musik arbeitet, soll die graue Zone des Fußgängertunnels, das unter der Themse nach Greenwich führt, für die im Jahr 2000 in hohen Zahlen erwarteten Besucher des Milleniumdoms freundlicher gestalten.

Tunnel unter der Themse

The Layer wurde in bescheidenerer Form bereits an zahlreichen Orten ausgestellt.

‚The Layer selbst kann überall dort angebracht werden, wo sich Leute von A nach B bewegen', erklärt Sabine Tress. ‚Durch die Installationen werden die Menschen in einen kreativen Prozeß involviert, sie eilen nicht nur durch, sondern bewirken damit auch etwas; sie setzten ihre Energie individuell und hörbar um.'

Dazu wird der Boden des Tunnels in Zonen unterteilt, deren Oberfläche, mit Sensoren ausgestattet, die Impulse der Passanten aufnehmen: Je nach Gewicht der Person, nach Geschwindigkeit und Gangart, werden diese Impulse in Musikklänge übersetzt. Die Besonderheit des Layers ist nun, daß dieser nicht nur auf die individuelle Bewegung eingeht, die dadurch eine einzigartige, abgestimmte Klangaura erzeugt, sondern daß diese durch den Einsatz von Koan Software selbstgenerativ entsteht.

Andrew Shoben:

‚Als wir Tim Cole unsere Projektidee beschrieben, arbeitete SSEYO gerade genau an dem, was wir benötigten und nun als ‚listening voices' in Koan integriert ist. Sie erweiterten die Koan Engine um die Fähigkeit, auf von außen kommende Inputs in Echtzeit zu reagieren. Dadurch konnte die Engine direkt Impulse erhalten. Koan ‚hört' den Menschen ‚zu', wie sie sich bewegen und schafft daraus etwas Kohärentes und Melodisches.'

Auch Tim Cole (Mitbegründer von SSEYO, der Firma, die die Koan Software entwickelte) ist über die Zusammenarbeit mit den Künstlern glücklich. Konkrete Anwendungsideen seiner Software wiesen in interessante Richtungen zur Weiterentwicklung von Koan. Konnten durch die Kooperation mit Greyworld die Listening Voices in einem anspruchsvollen Kontext getestet und angewandt werden, so hatte vor einigen Jahren die Kooperation mit Brian Eno Einblick in das Potential des frischgebackenen Koan Authoring Tools gegeben.

Lesen Sie auch das Gespräch mit Tim Cole, Geschäftsführer von Sseyo und Erfinder der Koan Software.

Links:

www.greyworld.org
www.sseyo.com

Die CD 'Various Walkers' (1997) von Greyworld hält die Klangaura von 4 Personen fest, die sich auf The Layer bewegten: ein Kleinkind, ein Rollstuhlfahrer, eine Tänzerin und Sabine Tress. Erhältlich bei Greyworld um 12.99 Pfund (ca. 40.-DM) inklusive VAT, plus Verpackung und Versandt.