Griechenland: Die programmierte Wiederauferstehung

Seite 2: Wer ist der Boss?

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Während sich der Finanzminister seinerzeit in Athen hauptsächlich mit der Politik und den Großindustriellen beriet, stand für Angela Merkel heuer etwas anderes auf der Agenda. Eine ihrer fünf Stunden im Land widmete sie jungen Unternehmern.

Zur Diskussion mit ihnen erschien sie, um die Wichtigkeit des Treffens zu betonen, direkt nach ihrer Ankunft um kurz nach 15 Uhr. Während sie von den Offiziellen und auch von Premier Samaras zu ihrem Podiumssitz geleitet wurde, ergriff die Kanzlerin öffentlichkeitswirksam die Initiative. Mit einer Handbewegung "Da geht es lang!" zog sie den politischen Tross durch den Saal und suchte mit jedem der anwesenden, auserwählten Jungunternehmern ein kurzes Gespräch.

Angela Merkel sucht Jungunternehmer. Bild: W. Aswestopoulos

Direkt danach kokettierte sie mit ihrer Unbeliebtheit bei den Griechen. Merkel fragte die Anwesenden, ob sie sich nach dem Treffen mit ihr nach Hause trauen könnten oder ob sie zum Beispiel im Freundeskreis verschwiegen hätten, zu was für einem Treffen sie gehen.

Doppelte Begrüßung für den Staatsgast

Der Besucherin konnte nicht entgangen sein, dass sie bei vielen Griechen als Schuldige an der Misere gilt. Der Wagenkonvoi, der sie vom Flughafen in die abgesperrte City brachte passierte unter anderem die Parteizentrale der Goldenen Morgenröte.

Die als Verbrecherorganisation angeklagte extremistische Partei nutzte die Gunst der Stunde für einen PR-Gag. Deutsche Spruchbänder, wie Konfetti geworfene Flugblätter und wildes Gebrüll war, was die Kanzlerin mitbekam. Die Polizei, deren Offiziersschule direkt gegenüber der Parteizentrale liegt, hatte das Gebäude jedoch so abgeschottet, dass weiter nichts passieren konnte.

Am Vortag erwies sich die intensive Überwachung durch die Staatsmacht eher ohnmächtig. Eine Autobombe explodierte frühmorgens vor der Zentrale der griechischen Notenbank. Unklar ist weiterhin, ob das Attentat nicht auch der Kreditgebertroika gegolten haben könnte. Denn deren Büros befinden sich auch in der Amerikis-Straße.

Anschlagsort. Bild: W. Aswestopoulos

Tatsächlich sollte Randale stattfinden. Die griechische und die deutsche Presse hatten sich bereits darauf eingestimmt. Einige Zeitgenossen bewarfen die Kanzlerin mit Dart-Pfeilen. Allerdings befanden die sich in Thessaloniki, wo sie statt der Leibhaftigen nur eines Konterfeis habhaft werden konnten. Fraglich ist auch, ob die Bundeskanzlerin je Notiz von der dortigen Demonstration gegen sie nehmen wird.

In Athen waren solche Aktionen von vornherein ausgeschlossen worden. Es herrschte in der gesamten City ein Versammlungsverbot. SYRIZA, die linke Oppositionspartei, rief dennoch zu einer Großdemonstration auf. Lautstark wurde das Versammlungsverbot mit Besatzungsmacht und Faschismus in Verbindung gebracht.

Griechenland wäre nicht Griechenland, wenn die Regierung nicht auch für dieses substantielle Problem eine surreale Lösung hätte finden können. Ein kleiner Fleck in der City, der Klauthmonos-Platz, wurde vom Versammlungsverbot ausgenommen. Dort klagten bis zur Einführung des Beamtentums Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts traditionell die entlassenen Staatsbediensteten ihr Leid. Heulend sollen die Bürokraten dort einen Wechsel einer Regierung betrauert haben. Ein Jahrhundert später floss erneut reichlich Wasser. Es war nicht das Tränengas, das die Demonstration zersprengte, sondern ein simpler, wenn auch intensiver Regenguss. Wetten, dass es auch für diesen Umstand bald eine passende Verschwörungstheorie gibt.