"Härter als Le Pen"

Seite 4: Strategie nicht durch Abenteurertum gefährden

Um nicht - ähnlich wie die deutsche AfD - als in Zeiten der (Pandemie-)Gefahr irrlichternd zu erscheinen, bemüht der RN sich um ein betont verantwortungsvoll wirkendes Auftreten in der Corona-Krise.

Zwar spielt die rechtsextreme Partei bisweilen mit der politischen Wirkung von Verschwörungstheorien herum. Doch in ihren tagespolitischen Vorschlägen und in TV-Talkrunden bemüht die Partei sich betont darum, konstruktiv aufzutreten, auch wenn sie - wie andere Oppositionsparteien auch - die diversen Widersprüche und Unzulänglichkeiten in der Regierungspolitik benennt.

Als sich im Winter 2020/21 in der französischen Öffentlichkeit ein Druckpotenzial der fundamentalen Impfgegner aufzubauen schien - dieses ist inzwischen weitgehend verpufft, und ihre Deutungsmacht sich fast in nichts aufgelöst -, betonte Marine Le Pen zwar einerseits, die Impffreiheit im Sinne eines Ja oder Nein müsse grundsätzlich verteidigt und von allen Betroffenen selbst entschieden werden. Zugleich beantwortete sie wiederholt die Frage, ob sie selbst denn dazu bereit sei, sich impfen zu lassen, mit Ja.

Im Konkreten trägt ihre Partei ansonsten ihre jeweils eigenen Patentvorschläge vor, aber ähnlich wie andere politische Kräfte dies auch tun. Die RN-Chefin und ihre Parteikollegen trugen in Debattensendungen etwa in schöner Regelmäßigkeit den Vorschlag vor, durch Abwasser-Analysen - wie sie zu Anfang des Jahres in Lothringen nahe der französisch-deutsch-luxemburgischen Grenze durchgeführt wurden - Corona-Clustern auf die Spur zu kommen. (Die linke Wahlplattform LFI etwa fordert in ähnlicher Regelmäßigkeit Investitionen für den Einbau von Luftreinigungsfiltern in Schulen, für den es anscheinend ein durch die Regierung beharrlich ignoriertes Modell gibt, und eine Art Halbtags-Rotationsmodell in Ausbildungsstätten und an Arbeitsplätzen.)

Einen Lockdown befürwortet der RN eher nicht oder nur, "wenn alles andere versagt hat"; doch als Ende März d.J. die Corona-Fallzahlen an staatlichen Schulen explodierten - Bildungsminister Jean-Michel Blanquer redete diese zunächst mit den Worten herunter, es seien ja bloß 0,5 % der Anwesenden nachweislich infiziert, bis man ihm in Sendungen vorrechnete, dies entspreche immerhin einem Inzidenzwert von 500 pro 100.000 Personen! -, sprach sich auch Marine Le Pen unisono mit anderen politischen Protagonisten für Schulschließungen aus.

Noch in derselben Woche verhängte dann auch Staatspräsident Macron am 31. März, unter dem sich auf breiter Front aufbauenden politischen und gesellschaftlichen Druck, eine zwischen drei- und vierwöchige Schulschließung, durch eine Verlängerung der 14-tägigen Frühjahrsferien.

Zu einer mit melodramatischen Tönen untermalten Fundamentalopposition, die Teile der deutschen Rechtsextremen gegen die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung an den Tag legen, hält der RN durchaus Distanz. Ein öffentliches Herumalbern mit komplotttheoretischen Deutungen der Krise und Forderungen nach "Totalöffnung in allen Bereichen und sofort" überlässt die rechtsextreme Partei derzeit eher ihrem früheren Chefstrategen Florian Philippot.

Letzterer steht, seitdem er im September 2017 von seinem Posten beim damaligen Front National geschasst wurde, an der Spitze einer Kleinstpartei unter dem Namen Les Patriotes. Trat Philippot vor seinem Abgang noch eher als vergleichsweise moderat wirkender Flügelmann beim FN auf, bemüht er sich heute offenkundig noch um den irrsten und verwegensten "Bewegungs"hype.

Ebenfalls mit fliegenden Fahnen auf Kundgebungen gegen die "Corona-Diktatur" wettern die Neonazis des Parti de la France (PdF), einer 2009 durch den vormaligen FN-Funktionär und neuheidnischen Ideologen aufgebauten Splitterpartei. Solches Tun wirkt zwar auf die Ränder des rechtsextremen Lagers ein. Gesamtgesellschaftlichen Einfluss hat es jedoch derzeit in Frankreich real keinen.