"Härter als Le Pen"
Seite 3: Breite Medienpräsenz für Marine Le Pen
- "Härter als Le Pen"
- Rechtsextremes Gewaltpotenzial: Vorläufig an die Leine gelegt?
- Breite Medienpräsenz für Marine Le Pen
- Strategie nicht durch Abenteurertum gefährden
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Der Privatfernsehsender BFM TV räumte Le Pen seinerseits am 11. März dieses Jahres fast drei Stunden für eine Mischung aus ausführlichem Interview und Talk, wiederum im Hauptabendprogramm ab 20.50 Uhr, ein.
In der Einführung dazu veröffentlichte der einflussreiche Sender mehrere Umfrageergebnisse des Instituts Elabe, welche am Vormittag desselben Tages ebenfalls in der liberalen Tageszeitung L'Opinion erschienen waren.
Einem von ihnen zufolge halten 48 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen einen Sieg der RN-Chefin bei der Präsidentschaftswahl in dreizehn Monaten für "wahrscheinlich". 36 Prozent wiederum halten demnach eine eigene Stimmabgabe für Marine Le Pen für "wahrscheinlich".
Zwar liegen diese Werte in einer kurz darauf bei der Sonntagszeitung JDD publizierten Umfrageserie zum Thema Marine Le Pen darunter. Es kommt eben wohl immer darauf an, wie man dem Publikum eine Frage stellt und in welchen thematischen Kontext man sie platziert. Nichtsdestotrotz handelt es sich um ein deutliches Alarmzeichen.
Jungwähler überdurchschnittlich für Marine Le Pen
Beeindruckend erscheint ferner, dass die schon seit Anfang 2020 erklärte Präsidentschaftskandidatin des RN in einem relevanten Teil der Jungwählerschaft die Nase vorn zu haben scheint, wie die Pariser Abendzeitung Le Monde in ihrer Ausgabe vom Osterwochenende 2021 analysiert.
In der Vergangenheit war ihre Partei in dieser Altersgruppe nicht in vergleichbarem Ausmaß verankert, jedenfalls nicht über dem Durchschnitt, oder allenfalls nur während kurzer Phasen. Bei der Präsidentschaftswahl 2002 etwa waren die massiven Protestdemonstrationen, die auf den damals überraschenden Einzug des seinerzeitigen Front National-Chefs Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl folgten - allein am 1. Mai jenes Jahres, zwischen den beiden Wahlgängen, gingen zwei Millionen Menschen auf die Straße, überwiegend wegen ihm und gegen ihn - stark durch die junge Generation getragen.
Letztere wählte damals in überdurchschnittlichem Ausmaß vor allem links, und grün: Der undogmatisch-trotzkistische junge Kandidat Olivier Besancenot und der ökologische Präsidentschaftsbewerber Noël Mamère erhielten damals zusammengerechnet 9,5 % in der Gesamtwählerschaft, doch 25 % bei den Erstwählenden. Umgekehrt erhielt Jean-Marie Le Pen in dieser Altersgruppe 13 % der Stimmen, gegenüber 17 Prozent im nationalen Durchschnitt.
Heute hat Marine Le Pen einen Ruf, der nicht mit dem ihres Vaters vergleichbar ist. Jener Altfaschist, dessen periodisch Adolf Hitler relativierende bis verteidigende Aussprüche spätestens seit 1987 zu seinen öffentlichen Markenzeichen zählten, hatte keinen sonderlich jugendlichen Nimbus. Zwar liebte er es, sich als "Rebell" zu inszenieren; zugleich verströmte er seit den achtziger Jahren in den Augen der Jüngeren eine gewisse Altherrenmentalität.
Seine Tochter wirkt im Vergleich zu ihm frisch, auch wenn sie inzwischen selbst die Fünfzig überschritt, und sie eine Frau. Dementsprechend wirken keine vergleichbaren Hemmschuhe ihrer Anziehungskraft auf ein jüngeres Publikum entgegen.
Unter den Jungwähler:innen zwischen 25 und 34 Jahren landet, der oben zitierten Untersuchung von Le Monde zufolge, Marine Le Pen unter allen Präsidentschaftsbewerber:innen mit 29 Prozent der Stimmabsichten (im Vergleich zu 23 Prozent im Jahr 2017, und einem damaligen generationsübergreifenden Ergebnis von 21,3 Prozent im ersten Wahlgang) auf dem ersten Platz.
Hingegen schneidet sie in der darunter liegenden Alterskohorte mit 20 bis 21 Prozent der Stimmabsichten schwächer ab; dort liegt, der hier zitierten Zeitung zufolge, überraschenderweise Emmanuel Macron mit 29 Prozent auf dem vorderen Platz.
Letzteres erklärt sich daraus, dass die etablierten Parteien im konservativen Spektrum (Les Républicains/LR) wie bei der Sozialdemokratie in Gestalt des Parti Socialiste/PS in dieser Altersgruppen auf einen Splittergruppenstatus zusammenschrumpfen: Die allermeisten jener Jungwähler, die bereits sind, für einen bürgerlichen Kandidaten zu stimmen, reihen sich demnach hinter dem jugendlich wirkenden Macron auf, und dieser verdrängt alle anderen Vertreter des politischen Establishments.
Dass dagegen Marine Le Pen unter den 25- bis 34-Jährigen stärker abschneidet als unter den noch Jüngeren, leitet Le Monde daraus, dass Erstere aus den Studienjahren herauswuchsen und sich mit den Schwierigkeiten des Arbeitsmarkts konfrontiert sehen, zweitere hingegen noch nicht.
In Deutschland hingegen lässt sich an den bislang vorliegenden Zahlen jedenfalls nicht festmachen, dass die jüngere Generation überdurchschnittlich rechtsextrem stimmen würde. Auf regionaler Ebene scheint dies in Thüringen zumindest bei manchen Wahlgängen der Fall zu sein, darüber hinaus wohl auch in Sachsen und Brandenburg. Dies dürfte mit einem speziell in diesen Bundesländern (oder Teilen von ihnen) verbreiteten Meinungsklima zusammenhängen, eventuell auch mit der Präsenz von "Aktivistenkern", z.T. auch gewaltbereiten Netzwerken in einem Segment der männlichen Jugend.
Auf bundesweiter Ebene lässt sich dies in Deutschland nicht übertragen. Hier schienen in jüngerer Vergangenheit eher die Grünen - oder jedenfalls die Stimmabgabe für dieselben - die führende politische Kraft darzustellen; bei den allerletzten Wahlen punkteten auch vergleichbare Überzeugen vertretende, jedoch weniger bürgerlicher "Realpolitik" verhaftete oder in ihr festklebende Kräfte wie die baden-württembergische "Klimaliste" in der jungen Generation..
Zwar existiert auch in Frankreich eine Tendenz zur Stimmangaben im Zusammenhang mit zukunftsrelevanten Themen wie Umweltzerstörung und Klimaschutz. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2017 machte sich dies in einer überdurchschnittlichen Stimmabgabe für den Linkssozialdemokraten Jean-Luc Mélenchon bemerkbar; ihm gelang es, das frühere Stimmenpotenzial der französischen KP aufzusaugen, doch im Unterschied zu den Parteikommunisten bezog Mélenchon oft prononcierte Positionen zu Umweltthemen und auch zum Atom-Ausstieg (welcher für die KP noch immer ein Schreckgespenst darstellt).
In jüngster Zeit jedoch sinkt der Stern Mélenchons, unter anderem aufgrund einer für ihn ungünstigen Berichterstattung infolge mancher, nun ja, unvorteilhaften Auftritte, aber auch aufgrund stagnierender sozialer Proteste in der Corona-Krise. Und weil Mélenchon - auch, aber nicht nur deswegen - weniger Erfolgsdynamik als früher auszustrahlen vermag. In der jungen Generation verschob sich das durch den verbreiteten Klimaprotest motivierte Stimmverhalten laut jüngsten Umfragen zugunsten der französischen Grünen, auch wenn diese selbst nicht unbedingt immer erfolgsverwöhnt blieben oder sich immer modellhaft klar zu allen Themen positionierten.
Auch deswegen sank die Stimmabsicht für Jean-Luc Mélenchon in der Kategorie der 18- bis 24jährigen von circa 30 % im Jahr 2017 auf nun noch 19 %; und unter 25- bis 34jährigen von 24 % (im Jahr 2017) auf jetzt noch 17 %. Diese Zahlen stehen im Vergleich zu 19,58 % in der Gesamtwählerschaft bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren und derzeit 9 % in den Umfragen.
Der mögliche grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot überschreitet in derselben Altersgruppe nun die 10 %, und erzielt damit knapp doppelt so viel Unterstützung wie im generationsübergreifenden Durchschnitt.
Diese Aufspaltung des eher links angesiedelten Potenzials in der jungen Generation sorgt jedoch dafür, dass der RN in ihr mindestens als stimmenstärkste Oppositionspartei erscheint.