Hamburg: SPD feiert, die Grünen legen stark zu
Die Bürgerschaftswahl bestätigt die rot-grüne Regierung. FDP und AfD sind knapp an der 5-Prozent-Hürde
"In Hamburg ist die SPD Volkspartei", sagte Olaf Scholz. Damit ist schon die Ausnahmesituation angesprochen. Hamburg ist etwas Besonderes in vielerlei Beziehung, auch für die AfD, die dort um den Verbleib im Landesparlament der Hansestadt bangen muss.
Besonders ist auch, dass die SPD eine Wahl gewonnen hat. Die Hochrechnungen um kurz nach 19 Uhr stellen ihr 37,6 Prozent (ARD) bzw. 37, 8 Prozent (ZDF) in Aussicht. Damit ist sie mit großem Abstand stärkste Partei. Ihr folgen die Grünen/Bündnis 90 mit 25,4 Prozent in beiden Hochrechnungen, die CDU mit 11,4 (11,3) Prozent. Danach kommen die Linken mit 9,1 (beim ZDF mit 9,5).
Die FDP liegt nach beiden Hochrechnungen bei genau 5,0 Prozent. Und die AfD muss nach dem Einzug in die Bürgerschaft, den sie 2015 feierte ("Durchbruch"), nach der Hochrechnung gegen 19 Uhr mit 4,7 Prozent über abwiegelnde Formulierungen nachdenken für den Fall, dass sie nicht in der Bürgerschaft bleiben kann. Die Auszählung dauert allerdings noch einige Zeit.
Politisch überzeugt hat die AfD die Wähler in Hamburg offenbar aber nicht besonders. Experten kommentieren ihr Abschneiden damit, dass sie in Hamburg als "Protestpartei" in die Bürgerschaft gewählt wurde. Gut abgeschnitten hatte sie 2015 in Randbezirken.
Bei der ARD-Hochrechnung um 20:47 verbesserte sich die AfD auf 5,1 Prozent. Die Grünen hatten da nur 24,4 Prozent. Bei den anderen Parteien veränderte sich demgegenüber nicht viel. Die zweite Hochrechnung zeigt jedoch an, dass die Stimmenauszählung - diesmal mit Vorabauszählung - noch einige Veränderungen zutage bringen kann. Trend ist gegen 21 Uhr 30, wie es die Hamburger Zeit feststellt, dass die AfD mit jeder Hochrechnung etwas stärker wird. (Einfügung: Später bestätigte das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein dies mit seiner "Ergebnispräsentation".)
Bei der SPD fällt auf, wie groß die Freude über das Abschneiden ist, obwohl sie doch gegenüber den 45,6 Prozent bei der Wahl 2015 richtig an Stimmenanteilen verloren hat. Beim Stand um 19 Uhr war es ein Verlust von 8 Prozentpunkten. Das ist nicht wenig. 2011 hatte die Hamburgische Volkspartei noch 48,4 Prozent (mit Olaf Scholz als Zugpferd).
Man spürt die große Erleichterung bei der SPD darüber, dass sich nach der langen Serie von Niederlagen in Landeswahlen endlich ein anderes Signal zeigt. Den Erfolg wollte sich dann gleich auch die neue SPD-Bundesführung anstecken, zumindest nach der ersten Reaktion der Bundesvorsitzenden Saskia Esken bei den öffentlich-rechtlichen Sendern - obwohl sich die SPD in Hamburg davor hütete, das neue Führungsduo Esken/ Walter-Borjans zum Wahlkampf nach Hamburg einzuladen. Man wollte auf Distanz zur Bundes-SPD bleiben.
Peter Tschentscher, der Spitzenkandidat der SPD für die Bürgerschaftswahl, hatte einen "Kandidatenfaktor 40", wie der Wahlanalyst bei der ARD erklärte: es heißt, er ist unter den Hamburger SPD-Wählern sehr beliebt und hat, wie auch der als Kanzlerkandidat gehandelte Grünen-Co-Chef Habeck erklärte, seine Wirkung als politische Persönlichkeit in Hamburg gut einsetzen können.
Dass der Sieg der SPD ein persönlicher Sieg für Tschentscher ist, hieß es auch von der CDU. Dort dürften wohl am ehesten direkte Erklärungslinien für ein "historisch schlechtes Wahlergebnis" (Generalsekretär Paul Zemiak) aus Hamburg nach Berlin gezogen werden. Wobei man sich in der CDU wahrscheinlich gerade über ein anders historisches Ereignis den Kopf zerbrechen wird: die Krise in Berlin nach dem Pannen-Warnblicker in Erfurt.
Einen ungetrübten Erfolg können die Grünen feiern. Selbst wenn ihr voraussichtliches Wahlergebnis von 25,4 Prozent im Laufe des Abends noch nach unten korrigiert werden sollte (die Auszählung wird wegen des komplizierten Verfahrens noch dauern), so wird der Abstand zu den 12,3 Prozent, die sie bei der letzten Bürgerschaftswahl 2015 erreichte, beachtlich bleiben. Die Grünen haben mit Katharina Fegebank als Spitzenkandidatin ordentlich dazu gewonnen. Dass sie den SPD-Amtsinhaber ablösen könnte, wie sie im Wahlkampf ankündigte, damit hatte niemand ernstlich gerechnet.
Wichtiger ist für die Grünen: Vor allem jüngere Wähler und Frauen wählten die Partei, die wie keine sonst ein progressives Element für sich reklamiert. Ob ihr das dann auch bundesweit viele Wähler verschafft? - das Interesse daran wird ihr bis zu den nächsten bundesweiten Wahlen noch weiter viel Aufmerksamkeit verschaffen.
Die Hamburger Bürgerschaftswahl ist eine besondere Wahl. Es gab lediglich 1,3 Millionen Wahlberechtigte. Mit 57 Prozent lag die Wahlbeteiligung um 16 Uhr schon über dem Wert der Wahlen vor fünf Jahren. Die rege Anteilnahme spricht wie das Wahlergebnis für die rot-grüne Stadtregierung. Diese wird aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Arbeit fortsetzen. Ein Zusammengehen der SPD mit der CDU ist dagegen ziemlich unwahrscheinlich.