Hannibal Lecters Assoziationen

Britische Psychologen haben einen Test vorgestellt, mit dem die potenzielle Gewalttätigkeit von Psychopathen geprüft werden kann

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Mutmaßlicher Serienmörder Derrick Todd Lee, der gerade gefasst wurde, Bild: FBI

In den USA wurde gerade Derrick Todd Lee verhaftet, der vermutlich mindestens fünf Frauen ermordet hat. Nachbarn beschreiben den mutmaßlichen Serienmörder als freundlichen, charmanten Mann, der mit jeden sofort Freundschaft schloss. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Was geht vor in den Gehirnen von psychopathischen Gewalttätern, was treibt einen Hannibal Lecter, seine Opfer zu töten und zu verspeisen? Seit längerem werden die psychischen Störungen von Serienkillern erforscht, aber bisher gibt es keine Möglichkeit zu erkennen, wie groß die Gewaltneigung eines Psychopathen ist.

Englischen Forschern haben, wie sie in Nature berichten, einen psychologischen Test so modifiziert, dass die unbewusste Gewaltbereitschaft eines Geisteskranken erkennbar werde. Nicolas S. Gray, Malcolm J.MacCulloch, Jennifer Smith und Robert J. Snowden von der Cardiff University und Mark Morris vom Her Majesty's Prison Service haben dazu den impliziten Assoziationstest (IAT) verwendet, der entwickelt wurde, um verborgene Vorurteile, Stereotypen und innere Haltungen zu untersuchen. Klassischerweise wird er eingesetzt, um zu prüfen, welche Einstellungen Probanten in Fragen politischer Korrektheit z.B. gegenüber Homosexuellen oder Übergewichtigen wirklich haben. Gerne wird er auch in der Marktforschung eingesetzt, um die Images von Produkten und Marken zu erforschen. Er basiert auf einem einfachen Anwahlschema, bei dem Assoziationen und Geschwindigkeit der Reaktion ausschlaggebend sind (Eigen-Test online in Deutsch oder in verschiedenen englischen Versionen).

Psychopathische Mörder verbergen gewöhnlich sehr geschickt ihre emotionalen Defizite und Gewaltfantasien. Sie tarnen sich als harmlos und sind deshalb schwer zu fassen. Das Wissenschaftlerteam um Gray unterzog eine Versuchsgruppe von 121 Straftätern mit Persönlichkeitsstörungen, davon knapp die Hälfte Psychopathen (vgl. Psychopathie-Checkliste), dem entsprechend modifizierten impliziten Assoziationstest. Dabei zeigte sich, dass psychopathische Mörder eine abnorme Wahrnehmung von Gewalt haben, denn sie empfinden sie nicht ans unangenehm. Die Reaktionen der psychopathischen Mörder waren wesentlich positiver als die der nicht-psychopathischen Mörder oder anderer psychopathischer Delinquenten in der Probantengruppe.

Diese Wahrnehmung könnte ihre Handlungen mitbestimmen. Die Resultate weisen daraufhin, dass der speziell veränderte Test es möglich macht, die Überzeugungen und Gedanken aufzudecken, die eine Person verbergen möchte. Es ist noch eine Menge mehr Forschung nötig, aber solche Techniken könnten ein wichtiges Werkzeug werden, um Risikofaktoren zu erkennen, die zu gewalttätigem Verhalten führen könnten.

Nicolas Gray

Die Psychologengruppe passte den impliziten Assoziationstest an, indem sie Kombinationen von Worten erstellten. Groß geschriebene Worte wie z.B. "UGLY" sollten "pleasant" und "unpleasant" zugeordnet werden und klein geschriebene Worte wie z.B. "kill" "violent" oder "peaceful". Die gewählten Kombinationen, bzw. die unterschiedlichen Reaktionszeiten lassen auf die unbewussten inneren Überzeugungen schließen.

Die englischen Psychologen sehen ihre Ergebnisse als "den ersten kognitiven Beweis von abnormen sozialen Einstellungen bei psychopathischen Mördern". Die Tatsache, dass Hannibal Lecters Gewalt eher als positiv assoziieren, weist daraufhin, dass sie prinzipiell gewaltbereiter sind und deshalb verstärkt zu Wiederholungstaten neigen. Gray und Kollegen sehen in ihm ein gutes Instrument, um psychopathische Straftäter auf ihre Gefährlichkeit hin zu untersuchen. Der Test könnte künftig in Strafverfahren dazu dienen, um über die umstrittene lebenslange Sicherheitsverwahrung zu entscheiden, bzw. über die Aussetzung von Reststrafen zur Bewährung.