Harte Arbeit ukrainischer Hacker

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Die Gruppe Cyberjunta veröffentlichte angebliche Dokumente aus der Sekretariats-Post von Wladislaw Surkow, Putins Berater für Donezk und Lugansk - Ukrainische Journalisten sprechen von "schlecht gemachten" Fälschungen

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In den letzten zwei Wochen veröffentlichte die ukrainische Gruppe Cyberjunta, nach eigenen Aussagen eine Gruppe von Hackern und Analytikern, die "gegen den inneren und äußeren Feind" kämpft, zahlreiche geleakte Dokumente aus dem Sekretariat des Putin-Beraters Wladislaw Surkow. Die Dokumente belegen nach Meinung der anonymen Gruppe die direkte Einflussnahme des Kreml auf die Wirtschafts- und Personalpolitik in den international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk.

Die Gruppe veröffentlichte geleakte Monats-Aufstellungen über Rentenzahlungen, Ausgabenpläne staatlicher Einrichtungen und Ausgaben für Kulturveranstaltungen in den "Volksrepubliken" sowie einen angeblichen Plan für die Teilung der Ukraine in drei Teile (Neurussland, Kleinrussland, Galizien), der dem Putin-Berater Surkow angeblich von Denis Puschilin, dem Vorsitzenden des Rates der Volksrepublik Donezk, zugeschickt worden war. Auch ein angeblicher Plan zur "Destabilisierung der Ukraine" unter dem Code-Namen "Schatun" wurde von den ukrainischen Hackern veröffentlicht. Der Leiter der Verwaltung des ukrainischen Geheimdienstes, Aleksandr Tkatschuk, und die Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Geraschenko und Sorjan Schkirjak, erklärten, die veröffentlichten Dokumente seien echt. Die ukrainischen Spitzenbeamten sagten aber nicht, womit sie die Echtheit feststellen lasse.

Wer ist Surkow?

Über Surkow, der von 1999 bis 2011 stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung und von 2011 bis 2013 stellvertretender Ministerpräsident war, hatten die deutschen Medien lange nicht mehr berichtet. Das änderte sich plötzlich am 19. Oktober, als Surkow in Berlin bei den Verhandlungen im Normandie-Format mit am runden Tisch saß, direkt zwischen Wladimir Putin und Franz-Walter Steinmeier (Minute 1:16). Der Spiegel beschrieb das Auftauchen von Surkow in Berlin als große Überraschung. Für die Moskauer Medien war es das nicht. Denn es ist seit Langem bekannt, dass der Putin-Berater für die Kontakte zu den international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk zuständig ist.

Kreml-Sprecher: "Surkow schreibt keine E-Mails"

Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, erklärte am 25. Oktober - unmittelbar nach der Veröffentlichung der ersten 2000 angeblichen Dokumente aus der Surkow-Sekretariat - , die Dokumente seien nicht echt. Mit einem Augenzwinkern meinte Peskow, die Hacker hätten "ganz schön geschuftet". Surkow nutze keine elektronische Post, auch nicht für den privaten Gebrauch. Im Übrigen sei der Umgang mit Staatsgeheimnissen sehr streng geregelt. Doch da Surkow ein "sehr talentierter Mensch" sei, versuche man ihm alles Mögliche "zuzuschreiben". Russische Medien wiesen darauf hin, dass viele Redewendungen und Zeichensetzungen in den veröffentlichten Dokumenten sich mit dem Russisch decken, welches in der Ukraine gesprochen wird, nicht aber mit dem Russisch, das in Russland gesprochen wird. Die angeblichen Dokumente wurden von der ukrainischen Hacker-Gruppe seit dem 23. Oktober in mehreren Schüben veröffentlicht zuletzt am 3. November. Vermutlich, um die Echtheit des erbeuteten Materials zu beweisen, veröffentlichen die ukrainischen Hacker auch Scans der Pässe von Wladislaw Surkow, seiner Ehefrau und seinen drei Kindern.

"Schüren von sozialen Protesten"

In den angeblich geleakten E-Mails befindet sich auch ein "Plan Schatun" zur "Destabilisierung der Ukraine". Der "Plan" beschreibt exakt, an welchen Schwachpunkten der Kiewer Macht, pro-russische Kräfte ansetzen können. Falls die Dokumente ganz oder teilweise gefälscht sind, könnte man sie auch als Warnung an alle diejenigen in der Ukraine lesen, die es wagen, Präsident Poroschenko und seine Umgebung in Bedrängnis zu bringen. Der Vorwurf, Russland versuche die Ukraine zu destabilisieren, ist nicht neu. Er kam bereits nach dem Mord an dem Journalisten Pawel Scheremet in Kiew und dem Marsch von russisch-orthodoxen Gläubigen in die ukrainische Hauptstadt. Beide Ereignisse seien von Moskau eingefädelt, hieß es damals von Seiten hoher ukrainischer Politiker. Der angeblich geleakte "Plan Schatun" wurde von den Hackern als Scan veröffentlicht. Der "Plan" sei Surkow von einem Mitarbeiter zugeschickt worden, schreiben die Hacker. Man müsse vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen anstreben, heißt es in dem "Plan". Es müsste die Kräfte im Parlament gestärkt werden, "die für einen Frieden im Donbass eintreten". Denn das seien "zusätzliche Hebel zur Einflussnahme auf die politische Führung der Ukraine". Es müsse eine Wiedereingliederung des Donbass in die Ukraine in Erwägung gezogen werden. Dadurch könnten Russland gegenüber loyale Abgeordnete auf den außenpolitischen Kurs der Ukraine Einfluss zu nehmen und "die Zusammenarbeit mit der Nato zu blockieren".

"Gespräche mit Timoschenko"

In dem "Plan" werden weitere notwendige Maßnahmen zur Destabilisierung genannt: Mit den Parteien von Julia Timoschenko (Vaterland), Oleh Ljaschko (Radikale Partei) und Juri Boiko (Oppositionsblock) müssten Gespräche aufgenommen werden. Mit Hilfe von bekannten ukrainischen Journalisten, die auf Korruption spezialisiert sind, müssten Korruptionsskandale im Lager des Präsidenten Poroschenko aufgedeckt werden. Die Journalisten werden in einer Rangfolge nach "Status" und "Effektivität" namentlich genannt. Außerdem, so heißt es in dem "Plan Schatun", müssten für die Aufdeckung von Korruption Quellen in Europa und den USA genutzt werden. In den angeblich von Cyberjunta geleakten Dokumenten befindet sich auch ein konkreter Vorschlag für die Destabilisierung der Situation in Charkow. Die Stadt befindet sich unter Kontrolle von Kiew, war aber 2014 bekannt für größere Anti-Maidan-Proteste. In dem stichpunktartig verfassten Vorschlag heißt es: „30 bis 50 Personen, inszenierte Straßensperrung, zwei Plakate "Rücktritt von Poroschenko" "Poroschenko Ch…lo", ein kleiner Konflikt, Polizisten oder Prawoseki (Rechter Sektor, U.H.), "danach Ansprache von Jemanden, der mit den Tarifen und dem Leben insgesamt unzufrieden ist."

"Polittechnologie von Drittklässlern"

Der Journalist Sergej Leschenko, der auch Abgeordneter des Poroschenko-Blocks ist, gehört zu den Personen, die laut dem "Plan Schatun" Korruption im Lager des Präsidenten enthüllen sollen. In einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehkanal 112 erklärte Leschenko mit einem Lachen, bei den angeblich geleakten Dokumenten handele es sich natürlich um eine Fälschung (Minute 0:23):

Wenn du gefälschte Dokumente machst und in diese Dokumente alle für dich unangenehmen Themen packst und dann sagst, das hätten die Russen gemacht, dann das ist Polittechnologie auf dem Niveau von Drittklässlern.

Dmitro Gnap ist einer der auf Korruption spezialisierten Journalisten, die nach dem "Plan Schatun" Korruptionsfälle im Umfeld des ukrainischen Präsidenten aufdecken sollen. In einem Interview erklärte der Journalist, bei den Dokumenten handele es sich wohlmöglich um echtes und unechtes Material. Die Veröffentlichung könne mit dem Ziel lanciert worden sein, Journalisten, die sich mit der Korruption in der Ukraine befassen, als Personen zu diskreditieren, die im Auftrag Russlands arbeiten.