Harte Zeiten für Bush und die Republikaner
Die amerikanischen Republikaner weisen sich schon zweieinhalb Wochen vor dem Urnengang die Schuld an der Wahlniederlage zu
Ein großes, wenn nicht sehr großes "Ereignis" von nationalen Ausmaßen ist die einzige Hoffnung, die den US-Republikanern bleibt, um den aus ihrer Sicht verheerenden Wählertrend in letzter Minute doch noch umzukehren und die Machtübernahme der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat zu verhindern.
Haben das Weiße Haus und die Republikaner irgendwelche Karten im Ärmel versteckt ? Wird beispielsweise Chefberater - Bush's Brain - Karl Rove wenige Tage vor der Wahl PR-wirksam Osama Bin Laden aus dem Hut zaubern und der Wählerschaft auf der 5th Avenue in Manhattan vorführen? Rove sei "schlau, aber nicht so schlau", hieß es dazu reichlich frustriert im neokonservativen Meinungsmacherblatt Weekly Standard. Republikaner und andere Konservative müssten sich letztendlich auf schlechte Nachrichten in der Wahlnacht einstellen, lautete das Resümee unter der Überschrift "How bad will it be?"
Der Trend, den zahlreiche unabhängige Umfrageinstitute und die Strategen beider Parteien einhellig bestätigen, prognostiziert den Demokraten am 7. November im Repräsentantenhaus, dessen 435 Sitze gewählt werden, mindestens 25 Neugewinne und damit eine eindeutige Mehrheit. Im Senat, der zu zwei Dritteln neu gewählt wird, sehen republikanische Amtsinhaber aus Montana, Ohio und Pennsylvania ihrer Pensionierung entgegen. Die Demokraten müssen darüber hinaus allerdings in mindestens vier der fünf heiß umkämpften Bundesstaaten Missouri, Tennessee, Rhode Island, New Jersey und Virginia ihre Kandidaten durchbringen, um dann eine Mehrheit von 51 zu 49 zu haben. Eine solche Senatsübernahme ist Analysen zufolge durchaus möglich.
Die prognostizierten Sitzgewinne für die Demokraten beruhen weniger auf deren Oppositionspolitik als vielmehr auf der generellen Unzufriedenheit der amerikanischen Wählerschaft mit der Amtsführung von George Bush, den Republikanern und generell dem Kongress. Bush dümpelt nach einem leichten Aufwärtstrend im September wieder unter einer Zustimmungsrate von 40 Prozent herum, ein Drittel der Wähler meint, die Republikaner sollten den Kongress beherrschen, nur 26 Prozent halten die Richtung, die das Land allgemein eingeschlagen hat, für gut. Ganz und gar verheerend für die Republikaner ist die Wählerstimmung, was die Politik des Kongresses angeht. Nur 16 Prozent halten das, was dort vor sich geht, für richtig.
Der jüngste Skandal um die Emails des Republikaner-Abgeordneten Mark Foley (Ein Skandal kommt den Demokraten in den USA zugute) verstärkte den Trend, der bereits letztes Jahr mit dem Versagen der Bush-Regierung beim "Katrina"-Orkan begonnen hatte und wegen des Irakkriegs schon davor nicht eindeutig zugunsten der Regierung und der Rechten ausschlug. Der Irakkrieg ist denn wenige Wochen vor den Wahlen nach Auffassung der Wähler das wichtigste Thema bzw. sollte das Hauptthema sein, mit dem sich die Politik befasst.
Interessanterweise wünschen sich sieben von zehn Amerikanern darüber hinaus von der Regierung und den Abgeordneten eine andere US-Außenpolitik. Die Aktivitäten der Bush-Regierung hätten die Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen erhöht. Washington gehe zu schnell unilateral und militärisch vor. Eine Mehrheit der Befragten wünscht sich mehr Diplomatie und ein ehrlicheres Herangehen an die UN.
Angesichts solcher Umfragen, die von den Republikanerstrategen - auch wenn Bush das Gegenteil behauptet - genau studiert werden, geraten sich die Vertreter der diversen rechten Fraktionen innerhalb der Partei zunehmend in die Haare. Deutlich wird dabei, dass von einer "konservativen Bewegung", geschweige denn von einer "konservativen Revolution", keine Rede mehr sein kann. Im Gegenteil: die Interessenlage und die politischen Prioritäten der Fraktionen werden deutlich. Neben den ideologisch motivierten "Neocons" sind da die Kapitalverbände, der Bush-Clan, die "Realisten", die Steuererleichterungs-Lobby und nicht zuletzt die "Theocons". Die New York Times berichtete am Freitag auf ihrer Titelseite, dass die Uneinigkeit bis hin zum Fingerdeuten und zu öffentlichen Beschimpfungen geht.
Auf der libertären Webseite Freedom Works beschuldigte der Republikanerstratege Dick Armey seine Parteikollegen im Kongress, sich der christlichen Rechten, insbesondere dem evangelikalen Rechtsaußen James Dobson, seiner Organisation Focus on the Family und seiner "Verbrecherbande" ("gang of thugs") ausgeliefert zu haben. Die Retour-Kutsche kam von dem Republikaner-Abgeordneten Mark Souder aus Indiana, der für seine Wiederwahl auf die Stimmen der christlichen Rechten angewiesen ist. Armey's Kommentar sei "ekelhaft" und beleidige "die vielen Christen in den USA, die Gott ergeben konservative moralische Glaubensgrundsätze haben".
Schon letztes Jahr hatte die christliche Rechte darüber geklagt, dass die Republikaner der Renten-"Reform" und der Steuerpolitik höhere Prioritäten einräumten als der Kriminalisierung von Homosexualität und Abtreibung. Der Foley-Skandal und "die Schwulen" gelten dem Fundamentalistenspektrum jedenfalls als Hauptgründe für den Abwärtstrend der Republikaner.
Doch auch andere rechte Lobbygruppierungen deuten mit den Fingern auf ihre eigenen Bündnispartner innerhalb der Partei. Die Americans for Tax Reform beklagen die riesigen Ausgaben für den Irakkrieg und machen die Neokonservativen für das Desaster verantwortlich. Die "Neocons" wiederum weisen Pentagonchef Donald Rumsfeld die Schuld zu. Bushs ehemaliger Redenschreiber und Republikaner-Vordenker David Frum glaubt, dass die Unterstützung der Republikaner-Senatoren für Bushs Immigrationspolitik der Grund sei, weshalb die rechte Wählerbasis unzufrieden ist und möglicherweise den Wahlurnen fernbleiben wird.
Sicher ist jedenfalls, die dass sich erhebliche Teile der Hardcore-Christen, statt in die Wählerlokale zu gehen, in ihre Kirchen pilgern werden, um dort den direkten Kontakt mit Gott zu suchen und die "Unmoral", die auch die Republikaner erfasst hat, wegzubeten.