Hat die Öffentlichkeit das Recht, an Hinrichtungen teilzunehmen?

The Execution Tapes - Tonbandaufzeichnungen dokumentieren Hinrichtungen

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Der Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh hat den Stein ins Wasser geworfen. Sein Wunsch, dass seine eigene Hinrichtung live im Fernsehen übertragen werden soll, hat die Debatte in den USA neu entfacht. Kontrovers diskutiert wird seitdem die Frage, ob die Öffentlichkeit das Recht hat, an Exekutionen teilzunehmen - via Fernsehen oder Internet.

Die letzte öffentliche Hinrichtung fand in den USA übrigens 1936 statt, als Rainey Bethea in Owensboro, Kentucky gehängt wurde. Unter dem Titel "The Public's Right to Witness an Execution" hat nun der New-Yorker-Sender WNYC zusammen mit der Radio-Dokumentar-Gruppe Sound Portraits einen ungewöhnlich provokanten Debattenbeitrag geliefert. Anfang Mai wurden von dem ehemals kommunalen Radiosender so genannte "Execution Tapes" ausgestrahlt, auf denen Gefängnis-Angestellte des Staates Georgia gleichsam live Hinrichtungen beschreiben. Und die Bänder sind inzwischen auch im Internet abrufbar.

Im Mittelpunkt der gut einstündigen Sendung steht die Hinrichtung von Ivon Ray Stanley am 12. Juli 1984 mittels elektrischen Stuhls. Der damals 28-Jährige besaß einen IQ von 62 und soll im Jahre 1976 einen Versicherungsagenten brutal ermordet haben. Auf dem Band hört man elf Minuten lang die Stimme des Gefängniswärters Willis Marable, der die Hinrichtung beobachtet und über Telefon einem Vorgesetzten den Vorgang detailliert beschreibt.

Auf der Sound Portraits ist noch zusätzliches Material abrufbar. Beispielsweise werden die letzten Worte von Hingerichteten unmittelbar vor ihrem Tod dokumentiert. Besonders schockierend ist die Live-Schilderung einer Exekution, bei der der elektrische Stuhl "versagt" und der tödliche Vorgang wiederholt werden muss. Kein Einzelfall übrigens: allein 32 Fälle dieser Art werden hier beschrieben.

An das Tonbandmaterial kam die Gruppe, die für ihre Radio-Dokumentationen schon mehr mehrfach ausgezeichnet wurde, auf Umwege. Bei einem Prozess im Jahre 1998, bei dem es um die Abschaffung des elektrischen Stuhls ging, wurden die Bänder als Beweismittel für die Unmenschlichkeit dieser Hinrichtungsmethode vorgelegt. Sound Portraits konnte die Bänder danach erwerben und hat nun zusammen mit WNYC die "Execution Tapes" produziert.