Hauptsache Karneval
Wie die Bonner mit ihrem Bauskandal umgehen
Im Bauskandal um das World Conference Center Bonn (WCCB) hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf die ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin sowie weitere für das Projekt auf städtischer Seite verantwortlichen Personen ausgedehnt. Doch statt die Aufklärung abzuwarten, will Bonns neuer Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch die WCCB-Projektgesellschaft schnellstmöglich in städtische Obhut übernehmen. Der Bonner Stadtrat verhandelt über solche Themen hinter verschlossenen Türen.
Ein vermeintlicher Weltkonzern investiert in Bonn
Nahezu unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit spielt sich in der Bundes- und UNO-Stadt Bonn im Zusammenhang mit der Erweiterung des ehemaligen Plenarsaalgebäudes des Deutschen Bundestages zum "World Conference Center Bonn" (WCCB) ein Bauskandal ab, der durchaus dem entspricht, was man von Berlin gewöhnt ist (Wem gehört das Bonner Prestigezentrum?). Während man aber in der Hauptstadt anlässlich solcher Skandale mit vergleichbarem Umfang immerhin einen Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus einsetzt, bemühen sich im Bonner Stadtparlament nur die Grünen ernsthaft um Aufklärung.
Seit Bonn keine Haupt- sondern nur noch Bundesstadt ist, lassen sich dort fast unbemerkt Steuermillionen verblasen. Weil sich angeblich sonst kein Investor fand, feierten die Bonner Kommunalpolitiker und die führende Regionalzeitung "Bonner Generalanzeiger" einen weltgewandten und vermeintlich finanzstarken koreanischen Investor, die Firma SMI Hyundai. Deren Chef Man Ki Kim verstand es, Macht, Einfluss und Reichtum zu suggerieren.
Gerne kokettierte er mit seinem Firmennamen Hyundai und erweckte den Eindruck, hinter ihm stünde die gleichnamige koreanische Autofirma sowie das koreanische Bauunternehmen Hyundai Construction. Die örtliche Presse nahm dies gerne auf. So ließ der "General Anzeiger" im März 2006 Ha-Sung Chung, einen der Geschäftsführer der Firma SMI Hyundai, spannende Geschichten aus der großen fremden Welt internationaler Investoren erzählen. Und so erfuhren die Leser, wie so ein "weltweit operierender Konzern, der bereits mehrere Milliarden Dollar in Großprojekte - unter anderem in das World Trade Center in Seoul und in Häfen in Saudi-Arabien - investiert hat," gerade auf Bonn kommt.
Bei SMI Hyundai arbeiten drei Teams, die sich mit neuen Projekten befassen. Das "Adler-Team" sucht weltweit nach geeigneten Standorten und führt eine erste Analyse durch. Das Ergebnis wird an das "Löwen-Team" weitergegeben, das "die Jagd nach dem Projekt aufnimmt" und eine konkrete Prüfung des Standorts vornimmt, wobei im "Fall Bonn’ sogar eine eigene Software entwickelt wurde. Bei einem positiven Votum ist das "Tiger-Team" an der Reihe; es muss das Projekt für SMI Hyundai an Land ziehen. "In allen Phasen können wir stets auf die 20.000 Mitarbeiter von Hyundai Engineering and Construction zurückgreifen; darunter sind hochqualifizierte Experten für Kongress-, Hotel- und Messebau", sagt der promovierte Jurist und fügt hinzu: "Das gilt jetzt auch für die Planungs- und Bauphase für das UNCC."
General Anzeiger
UNCC steht für die "UN Conference Center GmbH", die als Bauherr für ein Hotel und weitere Neubauten für das WCCB diente. Anders als von interessierter Seite im Jahr 2006 verbreitet, gab es sehr wohl Alternativen zum koreanischen Investor Kim und dessen Pleitefirma SMI Hyundai. Doch die wurden gezielt ausgebootet, so berichten damalige Verhandlungspartner der Stadt im Gespräch mit Telepolis. Dabei hätten der zunächst als Berater der Stadt tätige Unternehmensberater Michael Thielbeer und der, von der damaligen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zum Projektleiter berufene ehemalige Oberstadtdirektor Arno H. eng zusammengearbeitet und Man Ki Kim als alleinigen Investor für das 140 Millionen Projekt favorisiert.
Zunächst war Man Ki Kim für seine Firma SMI Hyundai lediglich Teil einer Investorengruppe unter Leitung von Dr. Kals, Aachen, zu der auch eine Tochterfirma des Leverkusener Chemie-Riesen Bayer AG gehörte. Thielbeer und Ex-Oberstadtdirektor H. hätten, so berichten damalige Verhandlungspartner der Stadt Bonn dem Telepolis-Autor, Gesprächstermine mit der Kals-Gruppe vorverlegt – aber nur Man Ki Kim über diese Terminvorverlegung informiert. Die übrigen Gesprächspartner kamen folglich zu spät nach Bonn. Die Gespräche waren beendet. Ein ebenso einfacher wie schäbiger, aber wirksamer Trick, wenn man eine Gruppe von Verhandlungspartnern aufspalten will. Thielbeer verfasste als Berater der Stadt Bonn ein für den weiteren Verlauf entscheidendes Gutachten, in dem es heißt: "…da aus meiner Sicht von allen bisher in Rede stehenden Investoren und auch im Vergleich mit der bestehenden Situation mit Gegenbauer, SMI Hyundai das größte Marketingpotential hat und dies zumindest in Ansätzen auch aufgezeigt hat".
Thielbeer kam zu dem Schluss:
…aus meiner Sicht ist der Businessplan vom Ergebnis sehr positiv zu beurteilen und in sich stimmiger als die Pläne der GEAG (…) .dies sind aus meiner Sicht die wesentlichen Punkte auf Basis der Unterlagen von SMI Hyundai. Für Fragen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.
Michael Thielbeer
Thielbeer setzte sich durch, die städtischen Projektleiter prüften offenbar sehr wohlwollend. Nach getaner Arbeit wechselte der Berater der Stadt zu SMI Hyundai – wie es heißt, mit ausdrücklicher Zustimmung seiner bisherigen Auftraggeberin, der damaligen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD). Mittlerweile hat die Bonner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. Nach Man Ki Kim wird mit internationalem Haftbefehl gefahndet, sein Architekt Hong und sein Anwalt und Geschäftspartner Chung saßen zeitweise in U-Haft und haben dort der Staatsanwaltschaft zufolge "umfassend ausgesagt". Gegen die auf Seiten der Stadt für das Projekt verantwortlichen Arno H., Eva Maria Z. sowie die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wird wegen "Verdacht der Untreue in einem besonders schweren Fall" ermittelt. Alle drei sollen frühzeitig gewusst haben, dass der Herr Kim aus Korea alles andere als solvent war und keinesfalls in der Lage war, ein Projekt wie das WCCB zu schultern.
Dass die Projektbeauftragten keinen Alarm schlugen und die Stadt im Gegenteil dazu brachten, sich gegenüber der Sparkasse Köln/Bonn zur Haftung zu verpflichten, werten die Ermittler nun als Untreue im besonders schweren Fall. Denn damit, so der Sprecher der Bonner Staatsanwaltschaft, Fred Apostel, hätten sie das Vermögen der Stadt in große Gefahr gebracht. Dem Bonner General Anzeiger zufolge "geht es bisher um die Haftung für mehr als 100 Millionen Euro". Der früheren Oberbürgermeisterin wirft die Staatsanwaltschaft vor, dass sie in Kenntnis der schwierigen Finanzlage Kims zu seinen Gunsten Absprachen mit der Sparkasse getroffen habe.
Hauptsache, der Karneval ist gesichert
In Bonn gelten besondere Prioritäten. Die Durchführung zentraler Veranstaltungen, nämlich die Proklamation "von Prinz und Bonna" also den Leitfiguren des Bonner Karnevals am 8. Januar 2010, schien gefährdet, wenn das insolvente World Conference Center Bonn (WCCB) zum 31. Dezember 2009 die von ihm mitverwaltete Beethovenhalle schließen müsste. Folglich war schnelles Handeln gefordert.
Um die ganze Dramatik dieser Bedrohung zu unterstreichen, erschienen zum öffentlichen Teil der Stadtratssitzung am 21. Dezember 09 führende Repräsentanten der Bonner Karnevalsvereine, darunter sogar der Festausschusspräsident Horst Bachmann. Sie wurden vom neuen Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch namentlich begrüßt und gleich beruhigt. Alle dem Rat zur Entscheidung in der – natürlich nicht öffentlichen Sitzung – vorliegenden Anträge dienten der Sicherung der bereits geplanten Karnevalsveranstaltungen, darunter auch die Prinzenproklamation. Auch eine weitere lustige Veranstaltung soll im WCCB stattfinden – der nächste Parteitag der vom Bonner Guido Westerwelle angeführten FDP.
Ginge es nach dem Willen der Bonner Verwaltung, hätten die Ratsmitglieder – natürlich nach Beratung in nicht-öffentlicher Sitzung, die insolvente WCCB-Betreibergesellschaft mit all den damit verbundenen nicht abwägbaren Risiken in städtisches Eigentum überführt und dafür mal eben 5,9 Millionen Euro bewilligt. Diesem Vorschlag des SPD-Oberbürgermeisters und seiner, von CDU-Mitgliedern dominierten Stadtverwaltung widersprach die seit der letzten Kommunalwahl in Bonn herrschende Koalition aus CDU und Grünen. Besonders den Grünen, die als einzige in großem Umfang von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machten, stehen auch in der Koalition mit der CDU für eine lückenlose Aufklärung des Millionenskandals.
Schließlich einigte sich eine breite Mehrheit der Stadtverordneten auf einen Kompromiss, dem zufolge die Stadt vorläufig die WCCB-Betreibergesellschaft nicht übernimmt, sondern in der Verantwortung des Insolvenzverwalters belässt und bis Ende Februar städtische Zuschüsse bis zu einer Höhe von 800.000 Euro bereit stellt, um den Veranstaltungsbetrieb bis Ende Februar 2010 aufrecht zu erhalten. Damit sind auch die Karnevalsveranstaltungen gesichert. Das macht die Bonner glücklich.
Von der Hofberichterstattung zur Aufklärung
Wer als Journalist etwas über den WCCB-Skandal erfahren will, sollte zunächst den General Anzeiger lesen. Denn das früher der Stadtverwaltung gegenüber eher lammfromme Bonner Monopolblatt veröffentlichte eine mittlerweile 23 Folgen umfassenden, je Folge oft zwei Zeitungsseiten lange Fortsetzungsstory unter dem Titel World Conference Center Bonn, Die Millionenfalle. In den Jahren zuvor hatte der General Anzeiger im Wesentlichen das brav niedergeschrieben, was die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Diekmann (SPD), ihr Sprecher oder vermeintlich weltweit erfolgreiche Geschäftsleute den Lokaljournalisten erzählten. Da wurde die Firma des mittlerweile weltweit gesuchten Man Ki Kim in einem Kommentar des General Anzeigers schon mal zu einem "Glücksfall für Bonn". Recherche gehörte bis zur WCCB-Geschichte nicht zu den Stärken des Bonner General Anzeigers.
Bereitwillig verbreite die Zeitung auch, "dass die Finanzierung auf soliden Füßen stehe. Das hätten "auch Gutachter der Sparkasse Köln/Bonn festgestellt. Die Beteiligung des hiesigen Geldinstituts am UNCC freue Ha-Sung Chung, der seit zehn Jahren weltweit für die Hyundai-Gruppe arbeitet, besonders: "Wir haben viel von der Sparkasse gelernt, da sie den Markt sehr gut kennt; die Zusammenarbeit findet auf einem hohen Niveau statt."
Es dauerte rund drei Jahre, bis der Chef der so glücklichmachenden Firma SMI Hyundai, Man Ki Kim, mit internationalem Haftbefehl gesucht und sein Partner Chung von der Bonner Staatsanwaltschaft in U-Haft benommen wurde. Im Oktober 2009 berichtete der gleiche General Anzeiger-Autor: Ha-Sung Chung muss ins Gefängnis. Wie investigativer Journalismus im General Anzeiger Einzug fand, lässt sich recht einfach nachvollziehen. Ein Insider, dem Anschein nach aus der Bonner Stadtverwaltung, hatte einen Aktenordner spannender Unterlagen zusammen gestellt und zeitgleich an verschiedene Redaktionen geschickt – darunter auch den General Anzeiger. Die Redaktion befand sich im Zugzwang, wissend, dass auch andere Redaktionen in der Region über das gleiche Material verfügten, blieb ihr gar keine andere Möglichkeit, als es zu veröffentlichen. Wegen ihrer Serie über "Die Millionenfalle" war die Zeitung an vielen Kiosken oftmals ausverkauft.
Alles geheim
Zwar hatte Bonns neuer Oberbürgermeister in seiner ersten Rede vor dem Bonner Stadtrat am 29.10. 2009 angesichts der 100.000 Nichtwähler (fast mehr als die doppelt soviel wie die Zahl seiner 52.000 Wähler) bei der Kommunalwahl am 30. August 2009 Willy Brandt zitiert und gesagt: "Wir müssen wieder 'mehr Demokratie wagen'. In der gleichen Rede sagte OB Nimptsch: "Dort wo Distanzen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik vorhanden sind, müssen wir diese gemeinsam abbauen..."
Das WCCB-Desaster wurde während des Kommunalwahlkampfs bekannt und war erkennbar einer der Gründe, warum Bonner Wählerinnen ihre Stimme nicht abgaben. Dennoch setzt OB Nimptsch in der Aufarbeitung dieses Skandals die Geheimniskrämerei seiner Vorgängerin fort. Die entscheidenden Stadtratssitzungen finden weiterhin hinter verschlossenen Türen statt. Wesentliche Informationen, auch für diesen Artikel, musste sich der Autor aus vertraulichen Quellen besorgen. Auch das Ergebnis eines Berichts des städtischen Untersuchungsberichts, aus dem der General Anzeiger zitierte, war selbstverständlich nicht für die "demokratische Öffentlichkeit" bestimmt. Denn das was dort steht, trägt wohlmöglich zur "Politikverdrossenheit" bei:
Das SGB (Anm. d. Autors: Städtisches Gebäude Management) berichtet: Bei einem Prüfungstermin bei Young-Ho Hongs Baufirma SMI Hyundai Europe GmbH (Berlin), inzwischen insolvent, im Juli 2009 "wurde festgestellt, dass die durch die örtlichen Bauleiter aufgeführten Begründungen und Preisprüfungen nicht in allen Fällen eindeutig und nachvollziehbar waren". Das erklärt vermutlich - nur jede fünfte Rechnung wurde auf Plausibilität geprüft - eine Millionen-Baukostenerhöhung, die das SGB einen kontinuierlichen Prozess" nennt.
Solche Informationen finden sich nicht auf der Homepage der Stadt, die schulmeisterhaft versucht, der Aufklärungsarbeit der Presse, mittels Halb- und Desinformation zu begegnen.
Die Stadt Bonn beantwortet nicht einmal die Frage, wie viele Rechtsanwälte mittlerweile im Zusammenhang mit dem WCCB-Skandal für die Stadt tätig sind. Auch unter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz gibt es keine Auskünfte zum Gesamtkomplex WCCB. Vertraulich bleibt auch, ob es zutrifft, dass die von der Stadtverwaltung angeheuerten Berater von Pricewaterhouse Coopers (PwC) tatsächlich 500 Euro pro Stunde kassieren.
Die Begründungen der Ablehnungen variieren. Eine der gerne verwendeten Ausreden verweist auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die noch nicht abgeschlossen seien und die man nicht durch eine Auskunft gefährden wolle - oder man verweist auf "vorliegende Hinderungsgründe unter dem Aspekt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen". Als der Telepolis-Autor Einblick nehmen wollte in die "Einschätzung Wirtschaftlichkeitsberechnung SMI Hyundai" des Dr. jur. Michael Thielbeer sah des Rechtsamt der Stadt Bonn, "insbesondere mit Blick auf Herrn Dr. Thielbeer solche Hinderungsgründe (Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse)." Wie heißt es doch im rheinischen Karneval: "Jute Fründe stohn zusamme."