"Haushalt für arbeitende Menschen"

Der britische Finanzminister George Osborne erhöht den Mindestlohn um zweieinhalb Pfund - und damit um ein Pfund mehr, als die Labour Party dies wollte

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Gestern stellte der britische Finanzminister George Osborne seinen Haushalt vor - den ersten, über den die Tories seit 1996 alleine entscheiden konnten. Das als "Haushalt für arbeitende Menschen" präsentierten Budget sieht Einsparungen in Höhe von 30 Milliarden Pfund vor (vgl. Mit Sparpolitik zum wirtschaftlichen Wiederaufstieg?).

Osborne spart aber nicht nur - er erhöht auch den Mindestlohn. Und zwar deutlich: Von aktuell sechseinhalb Pfund (gut neun Euro) auf 7,20 Pfund (gut 10 Euro) ab nächsten April - und bis 2020 noch einmal auf neun Pfund (12,50 Euro). Die Labour Party hatte in ihrem Wahlkampf lediglich eine Erhöhung auf acht Pfund bis 2020 versprochen. Dafür muss der neue Mindestlohn der Tories nicht mehr an alle Arbeitskräfte über 21, sondern nur noch an Personen über 25 gezahlt werden.

George Osborne. Foto: M. Holland. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch bei den Posten, bei denen gespart wird, lohnt sich ein genaueres Hinsehen: Osborne ging nämlich nicht - wie viele andere Regierungen vor ihm - mit dem Rasenmäher über die Etats, sondern überlegte sich genau, wo er kürzt - und wo nicht: Nicht gekürzt wird zum Beispiel beim staatlichen Gesundheitssystem NHS: Das erhält statt der vorher zugesicherten zwei Milliarden Pfund bis 2020 sogar acht Milliarden mehr.

Bei der BBC spart die Regierung dagegen 650 Millionen Pfund ein, die sie dem Sender bislang als Lizenzgebühr für Rentner über 75 zuschoss. Diese Rentner bleiben auch weiterhin von der Gebühr befreit, aber die BBC erhält kein Geld mehr für sie.

Besonders ungewöhnlich ist die Kürzung von Beihilfen für Familien mit mehr als zwei Kindern. Sie soll für nach dem April 2017 geborene Kinder gelten und 1,4 Milliarden Pfund bringen. Dieses Vorhaben hatte der ehemalige liberaldemokratische Finanzstaatssekretär Danny Alexander bereits kurz vor der Wahl an die Öffentlichkeit gebracht, um den Tories zu schaden und seiner eigenen Partei zu nützen. Allerdings könnte er damit - ohne es zu wollen - eine Gruppe von Wählern aktiviert haben, die von der Politik bislang vernachlässigt wird. In jedem Fall erreichten die Tories sehr überraschend eine absolute Mehrheit, während die Liberaldemokraten nur ein Siebtel ihrer in der vorletzten Wahl gewonnenen Sitze behielten.

Mit dieser Kindergeldkürzung haben die Tories nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal im Vereinigten Königreich, sondern praktisch in ganz Europa (zumindest, was die etablierten Parteien betrifft). In Deutschland und anderen Ländern wird das Kindergeld nämlich regelmäßig erhöht - zuletzt im März. Und statt weniger gibt es pro Kopf mehr Geld für besonders kinderreiche Familien. Frauke Petry, die neue Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), mit der die Tories im Europaparlament eine Fraktion bilden, propagiert diese staatliche Förderung von Kinderreichtum sogar noch lauter als andere deutsche Parteien.1

Steuergeld will Osborne auch dadurch einsparen, dass Mieter, die über 30.000 oder (in London) 40.000 Pfund im Jahr verdienen und in öffentlichen Sozialwohnungen leben, künftig den Marktpreis für diese Wohnungen zahlen müssen. Das Wohngeld für Personen unter 21 Jahren wird komplett gestrichen. Und die Höchstgrenze an staatlichen Zuwendungen pro Jahr beträgt künftig statt 26.000 Pfund im ganzen Land 23.000 Pfund in London und 20.000 Pfund im Rest des Vereinigten Königreichs. Außerdem zahlt die britische Regierung die Stipendien, die bislang als Zuschüsse an Studenten aus Familien mit einem Einkommen unter 42.000 Euro gewährt wurden, zukünftig nur noch als Darlehen aus. Zurückgezahlt werden müssen diese Darlehen aber erst dann, wenn ein Student ein Jahreseinkommen über 21.000 Pfund erreicht.

Steuersenkungen, für die die Tories früher bekannt waren, gibt es lediglich in begrenztem Umfang: Die Freibetragsgrenze, unterhalb der Geringverdiener keine Einkommensteuer zahlen müssen, wird etwas angehoben, der Erbschaftsteuerfreibetrag für einen erbenden Ehepartner wird auf eine Million Pfund erhöht (eine Summe, die mit einer Wohnung oder einem Häuschen in London immer noch schnell überschritten ist) und die Unternehmenssteuer sinkt in den nächsten fünf Jahren in zwei Schritten von derzeit 20 auf 18 Prozent.

Weitergehende Steuersenkungen sind Osborne zufolge nicht möglich, weil sonst die Staatsverschuldung überhand nehmen würde. Das Beispiel Griechenland zeigt seinen Worten nach, dass die Schulden ein Land beherrschen, wenn es einem Land nicht gelingt, die Schulden in den Griff zu bekommen.

Um den angepeilten Haushaltsüberschuss 2020 zu erreichen, ist der Finanzminister darauf angewiesen, dass die britische Wirtschaft jährlich um 2,3 bis 2,4 Prozent wächst. Damit dieses Wirtschaftswachstum haushaltsneutral gefördert wird, stärkt Osborne die Subsidiarität: So sollen die Stadträte in England und Wales künftig selbst entscheiden, ob und welchen Geschäften sie die Öffnung an Sonn- und Feiertagen erlauben.

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