Haushaltskrise: Zerbricht die Ampel an ihrem Buhmann FDP?
Liberale starten Mitgliederbefragung über Verbleib in der Koalition. Ergebnis nicht bindend. Was versprechen sie sich von einem möglichen Ausstieg?
Was die Umfrageergebnisse der Wirtschaftsliberalen angeht, könnte fast von einem Zwergenaufstand gesprochen werden: Die FDP lässt ihre Mitglieder darüber abstimmen, ob sie die Koalition mit SPD und Grünen im Bund beenden soll.
Die erforderlichen 500 Unterschriften für die Mitgliederbefragung seien in der Parteizentrale eingegangen, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag in Berlin. Nach Angaben des Bundesvorstands der Liberalen hatten sich im Rahmen der Unterschriftenaktion knapp 600 Mitglieder namentlich dafür ausgesprochen.
Bundesweit hatte die FDP zum Jahreswechsel 2022/23 nach eigenen Angaben 76.100 Mitglieder. Laut ihrer Satzung reichen aber 500 Unterschriften, um eine Mitgliederbefragung zu beantragen.
Mehrheit für Ampel-Ausstieg hätte politisches Gewicht
Die 14-tägige Befragung soll online erfolgen und schnellstmöglich beginnen. Genauer Wortlaut der Fragestellung: "Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?" Soll, wohlgemerkt – müssen wird sie es nicht. Falls die Mehrheit der Mitglieder dafür stimmt, ist das Ergebnis für die Parteispitze nicht bindend. Das Stimmungsbild hätte aber ein hohes politisches Gewicht.
Als Teil der Ampel-Koalition hat die FDP laut Umfragen ihren Stimmenanteil seit der Bundestagswahl 2021 fast halbiert und liegt gerade bei rund sechs Prozent. Auch die Kanzlerpartei SPD musste Federn lassen – in absoluten Zahlen sogar mehr als die Liberalen. Insgesamt können die Ampel-Parteien alle zusammen gerade nur 34 bis 35 Prozent der Wahlberechtigten überzeugen.
Einige in der FDP scheinen vor allem die Koalitionspartner für die eigenen schlechten Umfrageergebnisse und Misserfolge bei Landtagswahlen verantwortlich zu machen – oder sie wollen nicht mehr der Buhmann sein, hinter dem sich SPD und Grüne notfalls verstecken können, wenn es im aktuellen Haushaltsstreit zu einer Einigung und damit zu sozialen Grausamkeiten kommt.
Warum Lindner sich so gut als Buhmann eignet
Eingespart werden sollen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts schließlich Milliarden. Und: Den sozialpolitischen Buhmann hat die FDP in Gestalt von Bundesfinanzminister Christian Lindner in der Debatte um die Kindergrundsicherung nur allzu bereitwillig gegeben.
Der Porsche-Fahrer, zu dessen Hochzeit einzelne Gäste mit dem Privatjet angereist waren, hatte in dieser Debatte ernsthaft infrage gestellt, ob armen Kindern mehr Geld auf dem Familienkonto überhaupt helfe – und versucht, Milieuprobleme in den Vordergrund zu stellen, die sich nicht allein mit Geldzuwendungen lösen lassen.
Allerdings bewegte sie sich die FDP dann in manchen Umfragen auch bundesweit scharf an der Fünf-Prozent-Grenze oder darunter, nachdem sie 2021 noch 11,5 Prozent geholt hatte.
Nun haben Spitzenverbände des deutschen Kapitals die "Ampel" aufgefordert, den Haushaltsstreit rasch zu beenden. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger bestritt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sogar die Existenz einer Haushaltskrise, da es um Einsparungen von 17 Milliarden Euro bei einem Bundeshaushalt von rund 470 Milliarden Euro gehe.
Kein Durchbruch im Haushaltsstreit
"Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wir haben auch keine Haushaltskrise, sondern eine Entscheidungskrise mit mangelnder Kompromissbereitschaft", sagte Dulger laut Agenturbericht. "Das schürt Unsicherheit und steigert nur die Unzufriedenheit mit der Demokratie."
Einen Durchbruch gab es bei den Verhandlungen der Koalitionsspitzen über einen Haushalt für 2024 aber auch am Montagabend nicht.
Laut dem SPD-Ko-Chef Lars Klingbeil müssen Koalitionsvereinbarungen wie die Einhaltung der Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen hinterfragt werden. Für Lindner gelten sie unverändert: Er schließt Steuererhöhungen – auch und gerade für Wohlhabende – kategorisch aus.
Auch von einer Reformierung der Schuldenbremse, die eine Unterscheidung zwischen Ausgaben für das Tagesgeschäft und Zukunftsinvestitionen möglich machen würde, hält er nichts.
Die Ausstiegsambitionen mancher FDP-Mitglieder sind zumindest geeignet, um in diesem Streit das selbstbewusste Image und die Position des kleinen "Königsmachers" zu stärken. Wenn Spitzenkräfte der Koalitionspartner Angst um ihren Platz an den Fleischtöpfen der Macht bekommen, werden sie handzahm.