Heißer Sommer in der Antarktis

Seite 2: "Bezos Earth Fund" - nur Imagepflege?

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Auf der Nordhalbkugel ist es derweil bei vielen Unternehmen gängige Praxis, sich ein grünes Image zuzulegen. Braunkohle-Konzern RWE wirbt gerne mit den Windrädern, die er im Ausland betreibt, die mit Kohlestrom fahrende Bahn legt einigen ICE-Loks ein grünes Band um und der Chef eines besonders Transport und Ressourcen aufwendigen Versandhauses entdeckt sein Ökogewissen.

So geschehen mit dem schwerreichen Amazon-Chef Jeffrey Bezos, der Anfang der Woche angekündigte, einen über zehn Milliarden US-Dollar verfügenden Fonds für den Klimaschutz auflegen zu wollen. "Bezos Earth Fund" soll das Vorhaben ganz unbescheiden heißen.

Aus diesem Topf soll es finanzielle Unterstützung für "Wissenschaftler, Aktivisten, NGOs - für alle Anstrengungen geben, die eine reelle Möglichkeit eröffnen, einen Beitrag zum Schutz und Erhalt der natürlichen Welt zu liefern".

Laut Focus finden Amazon-Mitarbeiter das heuchlerisch. In einer auf Twitter verbreiteten Stellungnahme der "Amazon Employees for Climate" heißt es:

Die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft ist in einem sehr klar: Alles Öl aus den bereits erschlossenen Quellen zu verbrennen würde bedeuten, dass wir den Planeten nicht vor der Klimakatastrophe schützen können. (...)

Wir begrüßen Jeff Bezos Philantropie, aber die eine Hand kann nicht geben, was die andere nimmt. Die Menschen in aller Welt wollen wissen: Wann hört Amazon auf, Öl- und Gasgesellschaften dabei zu helfen, den Planeten zu plündern? Wann hört Amazon auf, Think-Tanks der Klimaleugner wie das Competitive Enterprise Institute zu finanzieren und Politik zur Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen? Wann wird Amazon die Verantwortung für die Lungen der Kinder in der Nachbarschaft seiner Lagerhäuser übernehmen und seine Fahrzeuge von Diesel auf Elektromotoren umstellen?

Amazon Enployees for Climate

Amazon bedrohe Mitarbeiter, die auf Amazons Beitrag zur Klimakrise hinweisen. Das Unternehmen ist auch sonst seit Jahren für seine harten Arbeitsbedingungen und gewerkschaftsfeindliche Politik bekannt. Hier geht es zu einer deutschen Facebook-Gruppe von sich wehrenden Amazon-Beschäftigten in der Gewerkschaft ver.di.

Auch Umweltschützer halten wenig von dem Versandhandel. Kritisiert wird unter anderem, dass Rücksendungen einfach vernichtet werden.

Welche E-Mobilität?

Elon Musk, eine andere US-amerikanische Lichtgestalt des modernen Turbo-Kapitalismus und ähnlich gewerkschaftsfeindlich wie Jeffrey Bezos, hat sich kürzlich vorgenommen, Brandenburg mit einem neuen Tesla-Werk zu beglücken. Angelockt wurde er vermutlich unter anderem durch eine dringend um Arbeitsplätze und ein grünes Image bemühte Landesregierung, die ansonsten der Energiewende gegenüber eher zugeknöpft ist und lieber der Braunkohle huldigt sowie der EPH/LEAG, einem intransparenten und zwielichtigen Aufkäufer alter Kohlekraftwerke, den roten Teppich ausrollt.

Mit mehreren hundert Millionen Euro Unterstützung aus dem Steuersäckel kann Tesla für das neue Werk bei Grünheide östlich von Berlin rechnen, will die Zeit erfahren haben. Anfang Februar wurde mit der Kommune ein Kaufvertrag für ein 300 Hektar großes und zu einem knappen Drittel bewaldetes Grundstück abgeschlossen. Die sofort aufgenommenen Rodungsarbeiten wurden allerdings Anfang der Woche vorerst vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestoppt.

Die Grüne Liga hatte beim Gericht einen "Eilantrag gegen den Vollzug des 'vorzeitigen Beginns'" eingelegt. Die Arbeiten müssen nun ruhen, bis das Gericht über den Antrag entschieden hat. Allerdings seien die 95 Hektar bereits zum größeren Teil abgeholzt, heißt es in dem oben verlinkten Stern-Video.

Die Grüne Liga kritisiert das beschleunigte Verfahren trotz ernsthafter Einwände unter anderem des Verkehrsclubs Deutschlands und des Wasserverbands Strausberg-Erkner. Ersterer weist auf die nicht ausreichende Bahninfrastruktur in der Region hin, Letzterer sieht die Trinkwasserversorgung durch den hohen Wasserbedarf des Konzerns gefährdet.

Tesla steht nicht über dem Gesetz. Dass Ministerpräsident Woidke dem Investor einen solchen Zeitplan verspricht, haben wir als öffentliche Aufforderung zum Rechtsbruch empfunden. Alle Beteiligten sollten auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und den Tesla-Antrag genauso sorgfältig prüfen, wie das bei jedem anderen Antragsteller auch erfolgen muss.

Heinz-Herwig Mascher, Vorsitzender der Grünen Liga Brandenburg

Musk spricht unterdessen von 12.000 Arbeitsplätzen und 10.000 Elektroautos pro Woche, die in Grünheide vom Band rollen sollen, die ersten bereits im nächsten Jahr. Zunächst soll vor allem der Tesla Y hergestellt werden, ein Wagen, der nach Tesla-Angaben aus dem Stand in 5,1 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen kann und es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 217 km/h bringt.

Die Klage ist im Landesverband der Umweltgruppe übrigens umstritten. Eine Gruppe von Mitgliedern spricht in einem offenen Brief von planlosem und intransparentem Vorgehen. Inwieweit sich dahinter inhaltliche Meinungsverschiedenheiten verbergen, bleibt zunächst unklar.

Einige Umwelt- und Klimaschützer wie etwa der Berliner Umweltökonom Volker Quaschning, der den Widerstand in Grünheide absurd findet, sehen im Tesla-Werk offenbar einen Beitrag zur Verkehrswende. Doch kann es wirklich die Antwort sein, fossile PS-Monster für den prallen Geldbeutel durch elektrisch betriebene, noch teurere PS-Monster zu ersetzen?

Oder wäre es nicht eher angebracht, weniger und kleinere E-Autos und zwar überwiegend für die Landbevölkerung und als Taxis unters Volk zu bringen und ansonsten, wo möglich, auf einen elektrisch betriebenen öffentlichen Personen- und Lastverkehr zu setzen?

In diesem Zusammenhang könnte auch endlich die Deutsche Bahn vollständig elektrifiziert werden, wie die Deutsche Umwelthilfe mit einer diese Wochen startenden Kampagne "Lückenschluss" fordern will. Nur 60 Prozent der Strecken hätten bisher eine Oberleitung. Das sei weniger als in den meisten anderen europäischen Ländern.

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