Herzschäden nach Covid-Impfungen, Feinstaub-Tote und Flächenbedarf für die Viehhaltung

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Telepolis-Kolumne.

Können Herzschäden reversibel sein?

Zum Artikel "Covid-19: 'Hybride Immunität' schützt besser" schreibt ein User:

Hier eine interessante Untersuchung von Forschern aus Basel: Leichte Schäden an Herzmuskeln nach erstem Corona-Booster häufiger als erwartet. Mit 2,8 statt der erwarteten 0,0035 Prozent waren damit deutlich mehr Personen von der Impf-Nebenwirkung betroffen.

https://www.20min.ch/story/schaeden-an-herzmuskeln-nach-erstem-corona-booster-haeufiger-als-erwartet-108292119873

Ich dachte mal, Schäden am Herzen und Hirn seien irreparabel, wie können die dann leicht sein?

Der Kardiologe Christian Müller von der Universität Basel, der an der zitierten Studie beteiligt war, weist ausdrücklich darauf hin, dass die Ergebnisse noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht wurden, also auch nicht das peer-review-Verfahren durchlaufen haben. Ob die Daten wissenschaftlich valide sind, muss daher noch abgewartet werden.

Die Forschenden testeten laut Uni Basel das Blut von Geimpften am dritten Tag nach dem Booster gegen Covid-19 auf den Biomarker Troponin und fanden hier bei 22 von 777 Proband:innen leicht erhöhte Werte. Der Troponinwert steigt, wenn Herzmuskelzellen absterben. An Tag 4 war der Troponinwert bei der Hälfte der Proband:innen aber bereits wieder im Normalbereich. Müller sagt außerdem:

Dieser Marker ist extrem sensitiv, mit anderen Methoden wie einer Kernspintomografie hätten wir keine Schäden am Herzmuskel feststellen können, da diese erst bei ca. drei- bis fünffach grösserer Schädigung dort sichtbar werden.

Können Schädigungen des Herzens heilen? Laut verschiedenen Fachgesellschaften heilen Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) in zwei Dritteln der Fälle aus – leichte Schädigungen sind also durchaus reversibel. Die Entzündungen sind trotzdem sehr ernst zu nehmen, da sie auch Herzrhythmusstörungen und im schlimmsten Fall den plötzlichen Herztod nach sich ziehen kann.

Auslöser von Myokarditis sind zumeist Virus- oder Bakterieninfektionen, die entzündliche Prozesse im Körper bewirken. "In den westlichen Industrieländern wird eine Herzmuskelentzündung vor allem durch Viren verursacht, zum Beispiel Erkältungs-, Grippe- (Influenza), Herpes-, Masern- oder Hepatitis-C-Viren, HIV, das Epstein-Barr-Virus oder das Parvovirus B19", schreibt das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung.

Es ist daher angezeigt, sich auch bei kleinen Infekten richtig auszukurieren, bevor man sich wieder körperlichen Belastungen aussetzt. Bei einer diagnostizierten Myokarditis sollten Patient:innen sechs Monate lang keinen Sport treiben, rät die Deutsche Herzstiftung. Werden Entzündungen des Herzens nicht richtig ausgeheilt, können sie chronisch werden, in dem Fall ist der Schaden wirklich dauerhaft.

Um die erhöhten Blutmarker aus Basel einzuordnen, müsste es dafür Vergleichsgruppen geben: Es müssten ebenfalls Troponinwerte nach Coronainfektionen erhoben werden sowie Troponinwerte nach anderen Infektionen und anderen Impfungen. Erst dann ließe sich sagen, ob hier ein ungewöhnliches Signal gefunden wurde.

Woher stammt die Zahl der Toten durch Feinstaub?

Meinen Beitrag "Das fossile Energiesystem schädigt die Gesundheit" kommentiert ein User:

300.000 Tote jährlich in Europa durch Feinstaub ... wurden die alle obduziert? Hatten die Vorerkrankungen? Oder wurden die nur statistisch hochgerechnet? Wenn Feinstaub so gefährlich ist, warum wird der Grenzwert nicht auf null festgelegt? Übrigens verströmen brennende Kerzen 120 – 280 Mikrogramm Feinstaub. Bei 4 Kerzen (Advent) kommen auf 60 cbm Luft rund 18,5 Mikrogramm Feinstaub je cbm. Am Arbeitsplatz ist sogar rund das 1000fache erlaubt. (…) Übrigens verursacht auch der Brems- und Reifenabrieb von E-Autos Feinstaub. (…)

Hierzu ist zu bemerken: Die 300.000 vorzeitigen Todesfälle sind auf Luftverschmutzung im allgemeinen zurückzuführen, nicht alleine auf Feinstaubbelastung. Stickstoffdioxidbelastungen spielen also ebenfalls eine Rolle. Und ja, die Zahl ist eine statistische Hochrechnung. Ob eine Obduktion wirklich weiterhelfen würde ist fraglich, weil sich hiermit bestenfalls Schädigungen der Lunge oder kardiovaskuläre Erkrankungen feststellen ließen, aber nicht deren Ursache.

Gesundheitliche Wirkungen von Umweltschadstoffen lassen sich mit sogenannten umweltepidemiologischen Studien an ausgewählten Gruppen der Bevölkerung (Kollektiven) untersuchen. Dabei ist zwischen kurz (akute)- und langfristigen (chronischen) gesundheitlichen Wirkungen zu unterscheiden

Umweltbundesamt

Kurzfristige Wirkungen festzustellen, scheint dabei relativ einfach: Kommt es beispielsweise an Tagen mit hoher Luftbelastung und in den Folgetagen gehäuft zu Krankenhauseinweisungen, und wiederholt sich diese Korrelation über längere Zeit, lässt sich auch auf eine Kausalität schließen.

Um langfristige Auswirkungen am Menschen zu untersuchen, muss man bestimmte Personengruppen über einen möglichst langen Zeitraum hinsichtlich gesundheitlicher Wirkungen beobachten. In sogenannten Kohortenstudien zieht man dazu belastete und bis auf die Belastung möglichst vergleichbare unbelastete Personen heran. Die größte Herausforderung bei solchen Studien ist die Bestimmung der tatsächlichen Exposition der jeweiligen Personen über einen langen Zeitraum, da bei manchen Schadstoffen eine große räumliche Variabilität auftritt (zum Beispiel die Nähe zum Straßenverkehr). Zur Abschätzung werden meist Vor-Ort-Messungen in Kombination mit Modellrechnungen herangezogen

Umweltbundesamt

Zu den sonstigen angeführten Feinstaubbelastungen: Wer nur ein paar Mal im Advent eine Kerze anzündet, atmet in dem Moment zwar Feinstaub ein, ein kurzzeitige hohe Belastung verursacht aber nicht die gleichen Entzündungsreaktionen wie Dauerbelastungen. Wird hingegen ständig in Innenräumen auf offenem Feuer gekocht, wie in vielen Ländern üblich, kann die Gesundheitsbelastung erheblich sein.

Anderer Feinstaub wie Reifen- und Bremsabrieb wird laut einer OECD-Studie bis 2035 den größten Teil der Feinstaubbelastung des Verkehrs ausmachen. Dieser dürfte aber nur zum Teil in der Luft landen, dafür aber eher in Gewässern und Böden – mit gesundheitlichen Folgen, die noch erforscht werden müssen.

Zu viel Vieh oder zu viele stillgelegt Agrarflächen?

Ein Kommentar befasst sich mit verschiedenen Aussagen des Artikels "WWF-Report: Lebensmittelimporte zerstören den Planeten" von Susanne Aigner.

Zwei Punkte des Kommentars lauten:

  • "Die EU muss ihren Agrarsektor und ihre Rolle ökologisch nachhaltig ausrichten. Anstatt intensiver Tierhaltung mit Importfutter braucht es Weidehaltung, kombiniert mit dem Anbau von Leguminosen. So werden Lebensmittelabfälle reduziert und Nahrungskreisläufe geschlossen. (…) Zum einen betreiben die Bauern zumindest in Deutschland Fruchtfolge, welche auch Leguminosen als Zwischenfrucht beinhaltet, zum anderen sollten doch unsere Bauern den Bedarf der Bevölkerung decken. Dass Viehfutter importiert wird, liegt auch daran, dass die EU verlangt, dass die Landwirtschaft immer mehr Felder brach liegen lässt. (...)"
  • "Um Übernutzung und Umweltbelastungen zu vermeiden, muss die Zahl der Nutztiere den verfügbaren Flächen angepasst werden. Es ist mir lieber, wenn Nutztiere regional gehalten werden, da Sie dann bspw. hier in Deutschland unseren Tierschutzbestimmungen unterliegen. Momentan findet ein Trend statt, dass Schweinefleisch nun nicht mehr in Deutschland, sondern in Spanien produziert wird. Das mag vielleicht schön für unsere Böden sein, aber dem Tierwohl tut das nicht gut. Es gibt ja in der EU eine Güllebörse, und das scheint mittlerweile gut zu funktionieren. (…)"

Beiden Punkten können ein paar Zahlen zum Nutztierbestand in Deutschland entgegengesetzt werden:

Die jüngsten Statistiken zeigen, dass elf Millionen Rinder, 26 Millionen Schweine, 1,8 Millionen Schafe und 173 Millionen Geflügel in Deutschland gehalten werden.

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Das waren im Jahr 2020 68 Rinder pro 100 ha landwirtschaftlicher Fläche, 157 Schweine und 959 Hühner. Oder pro 100 Einwohner:innen: 14 Rinder, 32 Schweine und 191 Hühner. Allein aus diesen Zahlen lässt sich wohl ablesen, dass dies weiter über den Bedarf der Bevölkerung hinausgeht.

Wie schon im Artikel erwähnt, wird mindestens die Hälfte der EU-Getreideproduktion als Futtermittel verwendet. "Schätzungen zufolge steht die Nutzung von insgesamt 63 Prozent der Ackerflächen in der EU direkt mit der Tierhaltung in Verbindung", heißt es außerdem in dem WWF-Bericht. Ab dem Jahr 2023 sind landwirtschaftliche Betriebe verpflichtet, mindestens vier Prozent ihrer Fläche stillzulegen, wobei diese Quote angesichts des Krieges in der Ukraine schon wieder in Frage gestellt wird. Auch wenn diese Flächen nicht stillgelegt würden – dass sich damit der gesamte Futterbedarf der Nutztiere decken ließe, scheint utopisch.

Sowohl was den Futterbedarf als auch was das Tierwohl angeht, ein weiteres Beispiel: Nach Angaben des BMEL hat in Deutschland jedes 3. Rind im Sommer regelmäßigen Weidegang, das heißt, zwei Drittel der Rinder stehen fast ganzjährig im Stall. Und Rinder sind neben Schafen, Ziegen und Pferden noch die Nutztiere, die am ehesten im Freiland zu finden sind.

Güllebörsen erfreuen sich tatsächlich momentan hoher Beliebtheit, da Preise für mineralische Dünger stark gestiegen sind. Das war nicht immer so, vor einigen Jahren hatten Landwirte eher Schwierigkeiten, Abnehmer für ihre überschüssige Gülle zu finden. Da sich große Schweinemastbetriebe im Norden konzentrieren, fanden sich in der Region kaum Abnehmer und die Gülle musste über weite Strecken transportiert werden – was auch zu einer zusätzlichen CO2-Belastung führt.