Hinweis auf die Möglichkeit von außerirdischem Leben?
Der Jupitermond Callisto hat tief unter seiner Oberfläche aus schmutzigem Eis einen flüssigen Ozean
Das Wissenschaftsmagazin Nature stellt in seiner neuesten Ausgabe eine Studie vor, die plausibel erklärt, warum das Wasser nicht längst gefroren ist.
Die Monde in unserem Sonnensystem sorgen zurzeit immer wieder für Überraschungen. Gerade erst sind um den Saturn neue irreguläre Monde nachgewiesen worden und die Astronomen sind sich einig, dass es nicht lange dauern wird, bis um Jupiter mehr als die bereits bekannten 28 bekannte natürliche Satelliten entdeckt werden (Vgl. Neue Himmelskörper in unserem Sonnensystem).
Callisto ist der zweitgrößte Mond um Jupiter (Vgl. Rätselhafter Jupiter) und der drittgrößte in unserem Sonnensystem. Er ist mit einem Durchmesser von 4,806 km fast so groß wie der Planet Merkur. Callisto ist stärker von Kratern bedeckt als jeder andere bekannte natürliche Satellit. Nahaufnahmen der Galileo-Mission ergaben unlängst, dass die Dichte kleinerer Krater nicht so dicht ist, wie erwartet worden war. Seine Oberfläche reflektiert dort besonders strahlend, wo sich sauberes Eis in den Kratern gesammelt hat. Die dicke Eisschicht, die Callisto bedeckt, ist wahrscheinlich auch dafür verantwortlich, dass alle Erhöhungen abgeschliffen wurden (Hangabtragung durch eisreichen Schutt).
Zu erkennen sind aber noch zwei riesige konzentrische Ringe, Einschlagbecken, die von den Astronomen Valhalla und Asgard getauft wurden.
Callistos Oberfläche ist sehr alt, mit 4 Milliarden Jahren Geschichte stammt sie aus den Zeiten, als sich das Sonnensystem gerade erst geformt hatte. Seine ebenfalls von Galilei entdeckten Geschwister Io, Ganymed und Europa kreisen alle näher an Jupiter als er (Callistos Abstand zum Planeten: 1'883'000 km). Der äußerste Mond schien den Wissenschaftlern immer wesentlich uninteressanter als seine Geschwister. Er galt sozusagen als das hässliche Entlein in der Familie, denn seine pockennarbige Haut ohne aufgefaltete Berge schien zu beweisen, dass er niemals vulkanisch oder tektonisch aktiv war. Neue Analysen von Galileo-Aufnahmen lassen allerdings vermuten, dass er in der Vergangenheit doch tektonische Aktivität zeigte (Vgl. Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung, DLR).
Wie seine Geschwistermonde hat er eine Art von Atmosphäre, aber seine Kohlendioxyd-"Exosphäre" ist extrem dünn. Callistos Dichte beträgt nur 1,86 g/cm3 und er hat keinen metallischen Kern. Nur Eis und Felsen - plus wahrscheinlich flüssiges Wasser unter einer dicken Eisschicht.
Magnometer-Analysen der Galileo-Mission hatten 1998 ergeben, dass Gallisto ein induziertes Magnetfeld hat. Ein Magnetfeld rund um den Mond, das mit der Jupiter-Rotation fluktuiert. Die einfachste Erklärung für dieses Phänomen ist ein Elektrolyt: elektrisch-leitendes, flüssiges und salzhaltiges Wasser. Eis ist als Festkörper kein guter Leiter. Die Wissenschaftler vermuteten einen Ozean unter der eisverkrusteten Oberfläche, aber nach den bestehenden theoretischen Ansätzen dürfte dieses Wasser auf Callisto nicht mehr flüssig sein. Alles, was über den Mond bekannt ist, deutete darauf hin, dass die Wärme, die es braucht, um einen Ozean flüssig zu halten, längst durch Konvektion (Bewegung zwischen Gebieten, die sich aufgrund von Erwärmung in der Dichte unterscheiden) verloren gegangen wäre.
Javier Ruiz von der Universidad Complutense in Madrid, Spanien beweist nun in der neuesten Nature, dass es doch möglich ist, dass Callisto in weniger als 300 km unter der Oberfläche Salwasser in flüssiger Form birgt. Sein geophysisches Modell beruht auf den Eigenschaften von verschiedenen Formen von Eis und Wasser. Er zeigt, dass auch ohne einen extrem hohen Salzgehalt der Gefrierpunkt sehr verschiedenen sein kann. Aufgrund seiner Berechungen hemmt die Eishülle rund um den Mond den Verlust von Wärme derartig, dass ein antiker Ozean flüssig geblieben sein könnte.
Callisto ist zu weit von der Sonne entfernt, um von ihr Wärme zu beziehen. Gezeiten fallen als Möglichkeit ebenfalls weg, weil er keine Flüssigkeit auf der Oberfläche hat. Um seinen Ozean in flüssigem Zustand zu erhalten, braucht er eine Wärmequelle und einen Mechanismus, der die Wärme daran hindert zu entfliehen. Vermutlich ist seine einzige Wärmequelle der Zerfall radioaktiver Elemente (Vgl. Radioaktivität) Und seine Eisdecke hält dichter, als es die bisherigen Modelle annahmen.
Ruiz analysiert zunächst gründlich das Material, um das es substanziell geht: Eis. Eis ist hochgradig anisotrop, d.h. es verändert seine Eigenschaften unter Einflüssen wie extremen Temperaturen, Belastung oder Druck sehr erheblich.
Wie Kristin Bennett vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico in ihrem Begleitartikel ausführt, gibt es 12 bekannte Kristallstrukturen von Eis sowie 2 amorphe (nicht-kristalline) Typen, nicht zu vergessen die flüssige Form - und sie kommen alle im Sonnensystem vor. Es hat bereits Studien gegeben, die sich mit der Viskosität (Zähigkeitsgrad, Verhalten unter Belastung) von Eis in potenziellen Szenarien, wie sie z.B. auf den Jupitermonden herrschen, auseinander gesetzt haben. Es ist von Forschern nachgewiesen worden, dass sich die Viskosität von Eis mit steigendem Druck und Temperaturen drastisch verändert.
Ruiz geht aber über die Ansätze seiner Vorgänger hinaus, denn er bezieht in seine Berechnungen nicht nur die experimentell nachgewiesene Viskosität von gefrorenem Wasser mit ein, sondern auch Faktoren der verschiedenen mikrostrukturellen Bedingungen wie die innere Bewegung des Eises während der Konvektion.
Bennett ist sich sicher, dass die neuen Erkenntnisse über das Verhalten von Wasser und Eis die Theorien über die thermale Evolution von Planeten revolutionieren werden:
Seine Analyse hinterfragt unser Verständnis von Eis und Wasser im äußeren Sonnensystem... Wenn Ruiz Recht hat und es flüssiges Wasser in einem Ozean in Callisto gibt, der Wellen schlägt und Ströme tief in den Mond hinein treibt, dann könnten wir auch dem Geheimnis näher gekommen sein, warum die Geschwister-Monde Ganymed und Callisto, die sich in Größe und Lage so ähneln, trotzdem so völlig unterschiedlicher Natur sind. Und es ist natürlich so, dass wenn es einen Hinweis auf Wasser irgendwo im Sonnensystem außerhalb der Erde gibt, dann ist das ein Hinweis auf die Möglichkeit von Leben.
Nach neuen Erkenntnissen hat Ganymed wahrscheinlich ebenfalls einen Ozean unter der Oberfläche (Vgl. NASA). Der vielversprechendste Kandidat für Wasser in flüssiger Form ist der Nachbarmond Europa, dort vermuten die Forscher die Möglichkeit von Leben in Gestalt von Mikroben oder DNA-ähnlichen Strukturen (Vgl. Außerirdische Mikroorganismen auf "Europa"?). Europa ist auch das Ziel von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology, die mithilfe akustischer Sensoren dem Wasser dort auf die Spur kommen wollen (Vgl. News des MIT).
Die Erforschung der Jupitermonde und speziell der Möglichkeit, dass sich auf ihnen Leben entwickelt haben könnte, geht weiter.