Hisbollah: Israel soll hinter dem Attentat an Premierminister Hariri stehen

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah präsentierte in Beirut Material aus den Geheimarchiven seiner Organisation

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Vor 150 Journalisten aus dem In- und Ausland hielt Hassan Nasrallah eine zweistündige Präsentation. Wie üblich über Videolink aus einem Bunker, aus Angst vor einem israelischen Attentat. Mit Spannung war seine Rede erwartet worden. Das UN-Tribunal (STL), das die Ermordung Rafik Hariris untersucht, will nach der Sommerpause teilweise hochrangige Hisbollah-Mitglieder als Tatverdächtige verhören (Erstmals hat das libanesische Militär israelische Soldaten angegriffen). Für Hassan Nasrallah ein Resultat einer israelische Verschwörungskampagne, die er nun mit seinem Auftritt vor den internationalen Medien enthüllen wollte.

Er zeigte den Journalisten Aufklärungsvideos, die Hisbollah von israelischen Dronen abgefangen hatte. Minutenlange Luftbilder rund um den St. George Club, wo Rafik Hariri durch eine Autobombe ums Leben kam, bis hin zu seiner Residenz Qoreitum und dem Parlamentsgebäude, seiner letzten Station, bevor er ermordet wurde (Syrien wieder im Visier der USA). Immer wieder auch Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Zeiten von Kurven auf der Strasse entlang der Corniche al-Manara. "In Kurven müssen offizielle Konvois langsamer fahren", erklärte Nasrallah. Diese Bilder zeigten, dass die Israelis irgendein Attentat vorbereiteten.

Plakat von Hassan Nasrallah in Südbeirut. Bild: Bertramz. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Zudem waren Bilder von Hariris Ferienhaus in Faqrq und vom Wohnhaus seines Bruders Shafik, in der südlich von Beirut gelegnen Stadt Sidon, zu sehen. Am Tag des Attentats, dem 14. Februar 2005, sei auch eine israelische Drohne einige Stunden vor der Bombeexplosion das Gebiet abgeflogen und Kampfflugzeuge seien über Beirut in der Luft gewesen. "Das ist kein endgültiger Beweis", gab Nasrallah zu, "aber damit wird ein neuer Horizont für die Ermittlungen eröffnet".

Um die Wichtigkeit der Drohnenbilder zu unterstreichen, verwies der Hisbollah-Chef auf ein Beispiel aus dem Jahre 1997. Damals hatte Hisbollah mit dechiffriertem Bildermaterial einer Drohne den Weg eines bevorstehenden israelischen Spezialkommandos herausgefunden und es in einen Hinterhalt gelockt.

Einen großen Teil seiner Präsentation widmete sich der Hisbollah-Chef den israelischen Spionage-Netzwerken im Libanon. Alleine 2009 und 2010 sind rund 150 Personen als mögliche Spione Israels verhaftet worden. Darunter auch zum Teil hochrangige libanesische Militärs und bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Er zeigte Videoausschnitte des Verhörs von Ahmed Nasrallah, den Hisbollah Ende der 90er verhaftet hatte. Ahmed, der im Sicherheitsteam von Ex-Premierminister Rafik Hariri gearbeitet hatte, gestand, für die Israels zu arbeiten, dass aber auch ein Attentat auf Rafik Hariri in Planung sei.

Der Hisbollah-Generalsekretär zeigte Bilder von sechs Libanesen, die erst vor kurzem als mutmaßliche israelische Spione verhaftet worden waren und berichtete von den Ergebnissen, die die Verhöre ergeben hätten. Einer der Verdächtigen, Philipos Sader, sei damit beauftragt gewesen, die Bewegungen von Staatspräsident Michel Sleiman und des Armeekommandeurs General Jean Kahwaji zu beobachten. Ebenfalls unter israelischer Observation seien Premierminister Saad Hariri und der Chef der christlich-radikalen Libanese Forces, Samir Geagea, gewesen. "Die Frage ist", meinte Nasrallah rhetorisch, "warum werden ausgerechnet sie (die politischen Gegner Hisbollahs und Syriens) zur Zielscheibe? Die Antwort ist, Israel will Syrien und Hisbollah als Schuldige darstellen."

Ein weiterer Spion, Ghassan Jidd, der jedoch 2009 nach Israel fliehen konnte, sei am Vortag des Hariri-Attentats, dem 13. Februar 2005, in der Gegend um St. George beobachtet worden. Beweise dafür, könne der Generalsekretär jederzeit vorlegen. Allerdings nicht dem Internationalen Hariri-Tribunal, in das man keinerlei Vertrauen habe.

Die politischen Gegner Hisbollahs im Libanon bezeichneten die Beweise Nasrallahs als nicht ausreichend. "Das Internationale Hariri-Tribunal sollte diese Hinweise nur verwenden", erklärte der Amin Gemayel, der Führer der Falange-Partei, "falls das Gericht nicht genügend Beweise habe." In Israel bezeichnete das Außenministerium die Präsentation Nasrallahs als "eine lächerliche Lüge".

Man wird sehen, ob das UN-Tribunal die Indizien und Ermittlungserkenntnisse des Hisbollah-Chefs weiter verfolgt. Normalerweise müsste es das tun, selbst wenn es sich um keine hundertprozentigen Beweise handelt. Indizien brachten Syrien auf die Verdachtsliste des UN-Tribunals, vier libanesische Generäle wurden damit als syrische Komplizen für Jahre in Untersuchungshaft gehalten. Sie mussten aber dann aus Mangel an Beweisen wieder frei gelassen werden. Nun will das Tribunal Hisbollah-Mitglieder als Verdächtige vernehmen. Warum kommt Israel nicht auch ins Visier der Ermittler? Es spielt in der Region eine entscheidende Rolle, hat als Nachbarstaat ein immenses Interesse an den politischen Machtverhältnissen im Libanon, unterhielt dort ein weitreichendes Spionagenetzwerk und hat immer wieder spektakuläre Attentate im Ausland wie in Dubai (Mit Elite-Steuerfahndern gegen elitäre Steuer-Emigranten) begangen?

Wie man den Hisbollah-Chef kennt, hat er auf seiner Pressekonferenz noch lange nicht sein ganzes Wissen preisgegeben. Er deutete bereits an, mehr Material über die israelischen Spione bei den libanesischen Telkommunikationsfirmen zu besitzen, zudem aber auch weitere dechiffrierte israelische Geheimdienstkommunikationen. Bisher habe seine Organisation noch keine Zeit gehabt, ihre Geheimarchive nach Informationen über die Attentatserie libanesischer Persönlichkeiten zu durchsuchen, die unmittelbar auf die Ermordung Rafik Hariris folgte. Man kann sicher sein, der Propagandakrieg zwischen Hisbollah und Israel ist noch nicht zu Ende. Fortsetzung folgt.