"Historischer Durchbruch" zum Recht auf Staats-Umschuldung

Seite 3: Der IWF soll draußen bleiben

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Wichtig ist nun für die, die für diese Grundsätze eintreten, den IWF aus dem Spiel zu halten. Einer der zentralen Berater der Sonderkommission machte das auch vor der Kommission mehr als deutlich. Es handelt sich um den Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Der hatte mit seinem Kollegen Paul Krugman auch schon frühzeitig herausgearbeitet, dass die harten Kürzungs- und Sparprogramme, die vom IWF gestaltet und Griechenland von der Troika aufgezwungen wurden, "verrückt" seien und die "katastrophalen Folgen" zeitigen würden, die wir nun mehr als deutlich sehen.

Stiglitz ist entschiedener Verfechter eines Verfahrens zur Regelung von Staateninsolvenzen. Er erklärte der Sonderkommission, dass sich der IWF im Interessenskonflikt befinde und deshalb die Umschuldungsverhandlungen nicht unter seiner Kontrolle stattfinden dürften. "Der IWF ist eine Institution der Gläubiger und man kann auch nicht von der Citibank fordern, ein Gesetz über die Insolvenz der USA zu entwerfen." Denn dann käme nichts Vernünftiges heraus. "Wir brauchen ein Gesetz über eine gerechte und effiziente Staatsinsolvenz." Gesetze aber, die von Gläubigern bestimmt werden, "sind weder gerecht noch effizient", fügte er an.

Deshalb müsse es die UNO und nicht der IWF sein, die die Regeln definiert und unter deren Schirmherrschaft über Umschuldungen verhandelt wird. In seiner Abschlusserklärung vor der Kommission sagte er: "Der einzige adäquate Ort, an dem diese Debatte stattfinden kann, ist nicht beim IWF." Denn dort könne es keine ausgewogene Lösung geben. "Der angezeigte Ort ist die UNO, denn es ist der einzige Ort, wo sich Schuldner und Gläubiger an einen Tisch setzen können."

Man darf davon ausgehen, dass Stiglitz das auch in Bezug auf die Stimmverhältnisse im IWF anführt. Hätten die Abstimmung über die Resolution und die Ratifizierung, die letztlich zu den angeführten neuen Grundsätzen geführt hat, im IWF staatgefunden, wäre das Ergebnis ganz anders ausgefallen und es hätte diese Grundsätze nie gegeben. Statt einer klaren Mehrheit für die Ausarbeitung der Richtlinien einer Staatsinsolvenz wäre es vermutlich zu einer Ablehnung gekommen. Denn die Ablehnungsfront der entwickelten Staaten stellen 46% der Stimmberechtigung im IWF. In der UN-Generalversammlung führten deren Gegenstimmen aber nur zur Ablehnung einer kleinen Minderheit von gut 8%, während sich 76% für die Staateninsolvenz aussprachen. Dieses Abstimmungsergebnis lässt auch die Sonderkommission vermuten, dass die Resolution mit ihren Grundsätzen angenommen werden wird.

Dass es eine geordnete Staateninsolvenz geben soll, darüber wird auch in Deutschland debattiert. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) einen Vorschlag für eine Staatsinsolvenzordnung erarbeitet. "Durch die Schaffung eines geordneten Insolvenzverfahrens für Euro-Staaten wird der Grundsatz der Währungsunion gestärkt, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften muss und so der Gefahr vorgebeugt, dass die Euro-Zone zu einer Transferunion verkommt", sagte einer der beiden Studienautoren.

Nach dem IW-Plan sei ein mehrstufiger Verhandlungsprozess vorgesehen. Ausgelöst werden könne das Verfahren sowohl durch das verschuldete Land oder durch den europäischen Rettungsschirm ESM, der einen Euro-Mitgliedsstaat mit einer Mehrheit in ein Insolvenzverfahren zwingen können soll. Wenn es mit den Gläubigern keine Einigung gäbe, soll eine neu zu schaffende Kammer am Europäischen Gerichtshof die Verhandlungen beratend begleiten. Wird auch dann keine Einigung erzielt, soll sie gegen die Vorstellungen von Schuldner und Gläubiger eine Entscheidung über die Umschuldung treffen.