Die Gefahr eines "Double-Dip" wächst
Die Anzeichen mehren sich, dass die USA wieder in die Rezession abstürzen könnte
Erst kürzlich hatte sich erst der US-Notenbankchef Ben Bernanke größere Sorgen um die Weltwirtschaft. Wie berechtigt die Ängste sind, dass entgegen der Jubelmeldungen in Deutschland, der Konjunkturverlauf alles andere als stabil ist, dafür sprechen immer mehr Daten. So geht das Verbrauchervertrauen in den USA in die Knie. Das Forschungsinstituts Conference Board hat gerade ermittelt, dass der Pessimismus deutlich zunimmt. Der Indikator für das Vertrauen brach im Juli von 54,3 auf 50,4 ein. Damit setzt sich der Abwärtstrend deutlich weiter fort. Nach dem starken Einbruch im Juni wurde zwar allgemein mit einem weiteren Rückgang gerechnet, doch dass der so stark ausfällt, wurde nicht erwartet.
Das sinkende Verbrauchervertrauen, das auf den Konsum und damit auf die Konjunktur drückt, hat sich schon konkret in harten Zahlen ausgedrückt. In dem Land, das vor allem von Binnenkonsum lebt, sind die Auftragseingänge für langlebige Güter im Juni überraschend gefallen. Im Vergleich zum Mai sind sie um 1% zurückgegangen, hat das US-Handelsministerium am Mittwoch mitgeteilt. Das schockierte, denn es wurde allgemein damit gerechnet, dass die Auftragseingänge stattdessen um 1% steigen würden. Es ist das zweite Mal in Folge, dass damit die Auftragseingänge zurückgehen. Seit August 2009 waren sie zuvor Monat für Monat gestiegen.
Dass auch die offizielle Arbeitslosigkeit mit 9,7% auf einem sehr hohen Niveau verweilt, macht deutlich, dass die Befürchtungen von einer neuen Rezession in den USA, mit ihren weltweiten Folgen, nicht unbegründet sind. Schließlich ist auch der Weg in eine weitere Verschuldung für viele Familien versperrt. Und die Daten vom Arbeitsmarkt sind ebenfalls nicht ermutigend, denn die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind in der vergangenen Woche um 37.000 auf 464.000 gestiegen. Erwartet worden war nur ein Anstieg auf 450.000.
So hat der renommierte Ökonom der Yale-Universität Robert Shiller allen Grund, um vor einem "Double-Dip" zu warnen, also den erneuten Rückfall in die Rezession. Shiller, der zu den Ökonomen gehörte, die die Finanz- und Wirtschaftskrise korrekt vorhergesagt hatten, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass er die Wahrscheinlichkeit über 50% ansiedelt, dass die USA wieder in eine Rezession abrutschen, bevor man sich von der letzten erholt hat. "For me a double-dip is another recession before we've healed from this recession ... The probability of that kind of double-dip is more than 50 percent."
Auch am Immobilienmarkt in den USA sieht es weiterhin düster aus. Die Baubeginne verfehlten mit 549.000 im Juni ebenfalls die Prognosen der Analysten. Denn nach revidiert 578.000 im Vormonat ist die Bautätigkeit nach Wegfall der staatlichen Unterstützung weiter zurückgegangen. Der Wohnungsbau bewegt sich in den USA schon seit eineinhalb Jahren auf extrem niedrigem Niveau. Der Leerstand ist weiter hoch und die Zahl der Zwangsversteigerungen ist in den ersten beiden Quartalen 2010 um 8% gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Dabei gab es schon im letzten Jahr einen Rekord, der wohl in diesem Jahr erneut übertroffen wird, wie zu erwarten war. Das führt zu weiteren Bankenpleiten. Seit Jahresbeginn ist nun die 100er-Marke überschritten worden. Am vergangenen Wochenende wurden erneut sieben Regionalbanken geschlossen, womit im laufenden Jahr bereits 103 Institute in die Pleite abgeschmiert sind. Erwartet wird, dass der Rekord von 140 aus dem Vorjahr erneut gebrochen wird (Der wenig stressige Stresstest).
Warnung vor vorschneller Euphorie
Dass sich die Lage in den USA vor allem auch auf die Exportnation Deutschland negativ auswirken wird, müsste allen klar sein. Deshalb geht auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) davon aus, dass das Wachstum in Deutschland einbrechen dürfte. Die deutsche Wirtschaft wird nach der DIW-Prognose im Sommer nicht einmal halb so stark wachsen wie im Frühjahr. Das BIP werde von Juli bis September nur noch um 0,5% zulegen, prognostiziert das DIW. Zwar wird für das zweite Quartal wird noch ein Wachstum von 1,1% berechnet, doch warnt das DIW "vor vorschneller Euphorie". Denn auch das Institut sieht eine nachlassende "Nachfrage nach deutschen Exportgütern". Der bisherige Boom sei auf "Nachholeffekte zurückzuführen“, meint der DIW-Konjunkturexperte Ferdinand Fichtner. Er macht auch darauf aufmerksam, dass jetzt allmählich die Konjunkturpakete auslaufen, womit das Wachstum zusätzlich belastet wird. Die Binnennachfrage bleibe trotz der sinkenden Arbeitslosigkeit schwach, weshalb die Ausfälle nicht aufgefangen werden können.
Erst kürzlich hatte sich auch Joseph Stiglitz sehr besorgt über den harten Sparkurs in Europa gezeigt, der nun überall angeschlagen wird. Der Professor der Columbia University New York und Wirtschaftsnobelpreisträger warnte vor den "katastrophale Folgen" der harten Sparprogramme. Wenn die Forderungen nach derlei Sparplänen "Beachtung finden, wie es in vielen Ländern der Fall zu sein scheint, wird dies katastrophale Folgen haben, vor allem angesichts der Instabilität der Erholung. Das Wachstum wird sich verlangsamen, Europa und/oder Amerika werden womöglich sogar zurück in die Rezession rutschen", schrieb er. Weniger drastisch spricht er damit das aus, was sein Kollege Paul Krugman kürzlich beschrieben hat, nämlich dass "Verrückte an der Macht" seien.
Stiglitz weist darauf hin, dass nicht die "Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft" den Großteil der hohen Defizite und Schulden verursacht hätten, sondern "sinkende Steuereinnahmen und Ausgabenerhöhungen, die jeden Abschwung automatisch begleiten". Das kann zum Beispiel deutlich an Rumänien beobachtet werden, das es trotz massiver Sparmaßnahmen nicht schafft, das Haushaltsdefizit einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Es wird aber vom Internationalen Währungsfonds (IWF) immer weiter auf Sparkurs gesetzt und immer tiefer in die Rezession getrieben.
Stiglitz plädiert dafür, die Ausgaben für "unproduktive Zwecke" zu senken. Er nennt dabei zum Beispiel "Kriege in Afghanistan und Irak" oder auch die "bedingungslosen Bankenrettungspakete", die nicht einmal zur Wiederbelebung der Kreditvergabe beitragen. Die haben zum Beispiel Irland in die tiefe Misere gestürzt. Die Sparpakete führen nun aber dazu, dass Irland wohl in den nächsten Jahren kein oder ein schwaches Wachstum haben wird, weshalb nun seine Kreditwürdigkeit herabgestuft worden ist, womit sich die Kosten für die Staatsschulden erhöhen.
Er plädiert dafür, dass sich der Staat auf "Investitionen mit hohen Erträgen" konzentrieren und die Ausgaben dort erhöhen sollte, wo Gerechtigkeit und Effizienz gefördert werden. So sollten die Steuern für die Unternehmen erhöht werden, die Gewinne nicht reinvestieren. Im Gegenzug sollten die Steuern für die Unternehmen gesenkt werden, die die Gewinne erneut investieren. Auch die Spekulation sollte höher besteuert werden und dazu umweltbelastende Energien, setzt er sich für ein ökologisches Umsteuern ein. Vor schnellen Reaktionen auf den "launischen Zuchtmeister", wie er die Finanzmärkte bezeichnet, warnt er allerdings.