"Sie verdienen es, erschossen zu werden"

In Irland steigt die Wut, weil Banken erneut Milliarden erhalten, während die Bevölkerung harte Sparprogramme trifft

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Die irische Regierung will die angeschlagenen und teilverstaatlichten Banken mit weiteren 22 Milliarden Euro stützen. Doch sogar das dürfte nicht ausreichen, um die Institute zu stabilisieren. So hat allein die Anglo Irish Bank mit 12,7 Milliarden Euro den größten Firmenverlust in Irlands Geschichte eingefahren. Bei der Allied Irish Banks wird der Anteil des Staates von etwa 25 % wohl bis auf 70 % steigen, weil auch die einst größte Bank neue Steuermilliarden braucht. Die Sparbemühungen, mit Kürzungen von Löhnen und Sozialleistungen, die vier Milliarden Euro bringen sollen, sind dagegen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Unmut steigt mit der Arbeitslosigkeit und eine wirtschaftliche Erholung ist nicht in Sicht.

Drastisch fiel der Titel der Boulevardzeitung Daily Star am Mittwoch aus. In großen Lettern war zu lesen: "THEY DESERVE TO BE SHOT". Wer damit gemeint war, daran ließ die Zeitung keinen Zweifel, die den Satz von einem irischen Blogger abgeschrieben hat. Neben dem Titel waren zwei Portraits abgebildet. Es handelte sich um die Bilder von Sean Fitzpatrick und Michael Fingleton, die früheren Chefs der Anglo Irish Bank und der Irish Nationwide Building Society (INBS). "Diese Bastards haben uns 25 Milliarden Euro gekostet" und für die Implosion des irischen Bankensystems gesorgt, das nun erneut mit vielen Milliarden gestützt werden muss.

Die große Anglo Irish Bank (AIB), die praktisch verstaatlicht ist, weil der Staat schon 75 % der Anteile übernommen hat, braucht weiterhin viel Geld. Im Geschäftsbericht, der am Mittwoch vorgelegt wurde, wird ein Rekordverlust von 12,7 Milliarden Euro zum Jahresabschluss 2009 ausgewiesen, nachdem faule Immobilienkredite von 15,1 Milliarden Euro abgeschrieben wurden. Es handelt sich um den höchsten Verlust in der Wirtschaftsgeschichte des Landes. Schon bevor die AIB den Geschäftsbericht am Mittwoch vorlegte, hatte die EU-Kommission genehmigt, dass die Anglo Irish Bank (AIB) weitere 10,4 Milliarden Euro an Staatshilfen erhalten darf.

Doch angesichts der Verlustzahlen, die das Institut nun vorlegte, geht auch der irische Finanzminister Brian Lenihan davon aus, dass der Kapitalhunger der großen Bank noch längst nicht gestillt ist: "Unsere schlimmsten Erwartungen sind übertroffen worden", sagte Lenihan. Die von den Banken bekannt gegebenen Details seien "wirklich schockierend", urteilte der Finanzminister. Insgesamt, so wird geschätzt, braucht die Anglo Irish Bank insgesamt 22,3 Milliarden Euro.

"Die Anglo Irish Bank ist mit Abstand die größte Herausforderung“, erklärte Lenihan. Gebetsmühlenhaft trägt die Regierung aber vor, eine Abwicklung der Krisenbank würde für die Steuerzahler noch teuer werden als ihre Sanierung. Es wachsen nach der Veröffentlichung der neuen Zahlen noch stärkere Zweifel daran, ob eine geordnete Abwicklung der Bank nicht günstiger gewesen wäre.

Das Schwarze Loch der irischen Banken

Die oppositionelle Labour-Partei klagt die Regierung inzwischen wegen "wirtschaftlichen Landesverrats" an. Der Labour-Vorsitzende Eamon Gilmore warf Premierminister Brian Cowen und seiner Fianna Fail vor, man habe sich von den Interessen der Geldgeber leiten lassen, als der Staat im Herbst 2008 eine pauschale Garantie für die Banken ausgesprochen habe. Es sei bekannt, dass die Kunden der Anglo Irish Bank der Regierungspartei sehr nahe stünden. Gilmore forderte die Veröffentlichung aller Dokumente zu diesem Vorgang, um die Wahrheit herauszufinden.

Doch die Anglo Irish ist nicht die einzige Großbaustelle, in der Milliarden versenkt werden. Zur Stützung der Bausparkasse INBS dürfen schon jetzt, so beschlossen die Wettbewerbshüter in Brüssel auch, erneut Steuergelder in einer Höhe von 2,7 Milliarden Euro fließen. Der neue EU-Kommissar für Wettbewerb, Joaquín Almunia, meint, das Geld für die AIB und für die INBS sei nötig, um die Finanzstabilität in Irland zu retten. Die AIB wurde ultimativ aufgefordert, bis Mai einen Umstrukturierungsplan vorzulegen. Die EU-Kommission will den gesamten Bankenrettungsplan Irlands prüfen.

Neben AIB und INBS braucht auch die Allied Irish Banks knapp 7,5 Milliarden Euro. Erwartet wird, dass die Bank nach weiteren staatlichen Finanzspritzen dann bis zu 70 % in Staatshand übergeht, der bisher schon etwa ein Viertel der Anteile hält. Unklar ist, ob auch die Bank of Ireland, die Staatsbeteiligung liegt bisher bei 16 %, Steuergelder in großem Umfang braucht. Die Bank hofft darauf, einen großen Teil der benötigten knapp 2,7 Milliarden Euro bei privaten Investoren einsammeln zu können.

Insgesamt schätzt die Financial Times das "Schwarze Loch", das in den Bilanzen der irischen Banken klafft, auf 32 Milliarden Euro. Es ist also noch deutlich größer als ohnehin angenommen wurde und etwa 20 % des gesamten Bruttosozialprodukts des Landes. Die Banken hoffen, sich wenigstens einen Teil des benötigten Geldes auf dem Kapitalmarkt besorgen zu können. Doch die Financial Times geht davon aus, dass bis zu Dreiviertel beim Steuerzahler hängen bleiben werden. Das wären 24 Milliarden Euro und diese Summe übersteigt die gesamte für 2010 geplante Neuverschuldung.

Mit einer Bad Bank soll die Bankenkrise nun, so der Finanzminister "ein- für allemal" angegangen werden. Der Staat hat über die National Asset Management Agency (Nama) damit begonnen, faule Kredite der Banken zu übernehmen. Die Nama hat nun die erste Tranche an faulen Krediten für einen Buchwert von 16 Milliarden Euro übernommen. Der Abschlag fiel zwischen 35 und 58 % auf den Buchwert aus. Mit durchschnittlich 47 % war er deutlich höher, als viele Banken gehofft hatten. Deshalb werden den Banken nur 8,5 Milliarden Euro für die meist faulen Immobilienkredite gutgeschrieben. Auch deshalb fällt der Finanzbedarf der Institute so hoch aus.

Insgesamt sollen aber faule Kredite von den Banken mit einem Buchwert von sage und schreibe 81 Milliarden Euro bis im Frühjahr 2011 an die Bad Bank übertragen werden. Das ist fast die Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Die irische Regierung hofft darauf, dass über die Befreiung der Banken von den Unwertpapieren die stockende Kreditvergabe wieder in Gang kommt. Gleichzeitig, so wurde am Dienstag bekannt gegeben, geht mit der Sanierung eine Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen einher, um die Banken krisenfester zu machen. Die Institute müssen bis zum Jahresende das Kernkapital auf 8 % aufstocken.

Wie angesichts dieser Situation der Haushalt saniert werden soll, ist fraglich. Der hohe Kapitalbedarf der Banken bringt das ohnehin enorme Haushaltsdefizit weiter unter Druck. Mit massiven Sparplänen, die in der EU als vorbildlich betrachtet werden, sollen im laufenden Jahr insgesamt 4 Milliarden Euro eingespart werden. Die Staatsangestellten müssen dafür starke Lohnkürzungen hinnehmen, die Sozialleistungen werden ebenfalls gekürzt und dazu Steuern erhöht (Irland muss drastisch sparen, um Rating-Agenturen zu befriedigen). Das Haushaltsdefizit war 2009 auf 11,7 % explodiert. Nur Griechenland (12,7 %) und Großbritannien lagen noch darüber.

Es wird aber den Iren kaum vermittelbar sein, dass sie wegen der "Bankster" den Gürtel noch enger schnallen sollen. Ohnehin ist fraglich, wie Irland das hohe Defizit abbauen will, um 2014 die Stabilitätsgrenze der EU von 3 % wieder einzuhalten, auch wenn das Land bisher wegen seiner Sparpläne als Musterschüler gehandelt wird. Zwar wurde auch die Bonität von Irland durch die Ratingagenturen herabgestuft, doch der Zinsaufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen hielt sich, anders als bei Griechenland, in Grenzen und fiel in den letzten Monaten sogar.

Die Alramglocken schrillen

Erst in den letzten zwei Wochen ist der Spread wieder leicht gestiegen. Am Mittwoch wurden für zehnjährige Staatsanleihen etwa 4,5 % Zinsen gezahlt, womit der Satz trotz der Hiobsbotschaften aus dem Bankensektor nahe am Jahrestief lag. Der Risikoaufschlag von derzeit etwa 1,3 % im Vergleich zu zehnjährigen Bundesanleihen ist nicht einmal halb so hoch wie der, den Griechenland auch nach dem von den Euroländern verabschiedeten Rettungsplan zuletzt berappen musste.

Der Ernstfall per Rettungspaket kommt in Griechenland ohnehin immer näher. Am Montag hatte Athen mit einer siebenjährigen Anleihe fünf Milliarden Euro eingesammelt, musste dafür aber fast 6 % Zinsen bieten. Der Bluff mit dem Rettungsplan, die Hoffnung, dass über dessen Verabschiedung die Zinsen fallen, ging nicht auf. Die Lage hat sich sogar noch weiter verschlimmert. Am Dienstag hat das Land kaum noch Käufer für eine Anleihe gefunden. Auf eine Milliarden Euro hatte das Land gehofft, um eine zwölfjährige Anleihe aufzustocken, doch es kamen nur 390 Millionen Euro zusammen. Die Alarmglocken schrillen.

Die Bankenrettung treibt den irischen Staat in eine gefährliche Schuldenspirale

Doch ob unter den gegebenen Bedingungen die Sanierung des Wackelkandidaten Irlands gelingt, muss sich noch herausstellen. Nach den vier Milliarden Euro, also etwa 2,5 % der Wirtschaftsleistung, die Irland über das im Dezember verabschiedete Sparprogramm einsparen will, sollen im laufenden Jahr diese Summe noch einmal eingespart werden. Dabei belastet die steigende Arbeitslosigkeit die Kassen aber immer stärker. Die Quote lag im Februar schon bei 13,2 %, gab Eurostat gerade bekannt. Dazu kommen die Steuerausfälle, nachdem die Wirtschaft 2009 um 7,1 % eingebrochen ist. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Mit Spanien gehörte Irland zu den wenigen Ländern in Europa, die weiter in der Rezession stecken. Auch im vierten Quartal 2009 sank das Bruttoinlandsprodukt auf der grünen Insel erneut. Angesichts des strengen Sparkurses ist zudem kaum zu erwarten, dass sich die Konjunktur erholt und sich darüber die Einnahmen wieder verbessern.

Die Opposition kritisiert inzwischen immer deutlicher, dass die Bankenrettung den irischen Staat in eine gefährliche Schuldenspirale treibe. Und tatsächlich werden auch die hohen Kosten für die Bankenrettung das Land und seine Konsolidierung weiter belasten, schließlich muss sich das Land auf den Bondmärkten weiteres Geld leihen und dafür Zinsen bezahlen. Erwartet wird, dass auch die Risikoprämien für irische Anleihen langsam steigen werden, womit die Kosten weiter steigen. Und tritt der Ernstfall ein, dass Griechenland sich nicht mehr über den Kapitalmarkt refinanzieren kann, dann wird wohl auch Ländern wie Irland, Spanien oder Italien ein noch rauerer Wind ins Gesicht blasen.