Irland muss drastisch sparen, um Rating-Agenturen zu befriedigen
Der Unmut im Land wächst angesichts der geplanten drastischen Kürzungen von Löhnen und Sozialleistungen durch die Regierung
Die irische Regierung hat große Angst, wie Griechenland als Pleitekandidat (Griechenland wird als Pleitekandidat gehandelt) gehandelt zu werden. Um eine weitere Herabstufung durch Rating-Agenturen zu vermeiden, wie sie für Spanien ansteht, hat die Regierung am Mittwoch einen Sparhaushalt vorgelegt. Und der hat es in sich. Die Ausgaben sollen um vier Milliarden Euro, das sind stolze 10 %, sinken. Zunächst müssen sich Staatsbedienstete auf der grünen Insel wegen des explodierenden Staatsdefizits auf massive Kürzungen der Löhne und Sozialleistungen einstellen, die auch auf die Privatwirtschaft ausstrahlen werden. Der Unmut im Land wächst, sogar die Polizei geht in die Urabstimmung über einen Streik. Soll die Streikbereitschaft nun mit billigerem Alkohol bekämpft werden?
Die irische Regierung setzt alles auf eine Karte, um im Rating nicht noch weiter herabgestuft zu werden und kreditwürdig zu bleiben. Die Wirtschaftsliberalen der Fianna Fail, die bei den Europaparlamentswahlen ohnehin schon für ihr Versagen abgestraft wurden, haben dafür auch den Gewerkschaften heftig vor den Kopf gestoßen. Die Regierung hat nun das Sozialpaktmodell beerdigt, das mehr als zwei Jahrzehnte für einen weit gehenden sozialen Frieden sorgte und sieht nun massiven Streiks entgegen.
Denn am vergangenen Freitag hatte der "Taoiseach" Brian Cowen die Sozialpaktgespräche für gescheitert erklärt. Der irische Premierminister erklärte, er werde zu seinem "ursprünglichen Plan" zurückkehren, die öffentlichen Gehälter zu kürzen. Den Vorschlag der Gewerkschaften, den 400.000 Staatsbediensteten, das sind etwa 20 % der arbeitenden Bevölkerung, in eine Art der Kurzarbeit zu schicken, lehnte er ab. Vor allem mit 12 Tagen unbezahlten Urlaub wollten die Gewerkschaften die Beschäftigten mit 1,3 Milliarden Euro an der Haushaltssanierung beteiligen.
Nun sehen die Vorschläge, die Finanzminister Brian Lenihan am Mittwoch im Parlament vorgestellt hat, ganz anders aus. Gestaffelt nach Einkommen sollen die Staatsbediensteten nun auf 5 bis 15 % des Einkommens verzichten. Bezüge bis zu 125.000 Euro sollen um 5 bis 8 % gekürzt und die Einkommen bis 200.000 Euro sollen sogar um 8 bis 15 % gekappt werden. Doch die Staatsdiener mussten schon im April über eine Rentenabgabe eine verdeckte Kürzung von 7 % hinnehmen. Angesichts des Vorgehens und dieser rabiaten Pläne darf eigentlich die Reaktion der Gewerkschaften niemanden verwundern. Sie erklärten den Sozialpakt für "tot und begraben". Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes, David Begg, sagte: "Als der Taoiseach am Freitag um 16 Uhr auf den Stufen des Regierungspalasts sprach, hat er nicht nur diese Verhandlungen platzen lassen, sondern das irische Modell der Sozialpartnerschaft nach 22 Jahren beendet."
"Eine letzte große Anstrengung"
Der Finanzminister versuchte sich bei der Vorstellung des Haushalts selber Mut zuzusprechen. "Das Schlimmste ist vorbei", versprach Lenihan im Dáil, dem irischen Abgeordnetenhaus. Angesichts einer Wirtschaft, die im laufenden Jahr fast 8 % schrumpfen dürfte, ist es für Lenihan schon eine positive Meldung, dass sich der Absturz abschwächt und Irland im kommenden Jahr nur noch ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt von -1,25 % verzeichnen werde. Die Regierung hofft, dass das Land im zweiten Halbjahr 2010 wieder ein Wachstum verzeichnen und damit aus der Rezession kommen werde. "But by taking the difficult but necessary measures now, we will rebuild our nation's self-confidence here at home and our reputation abroad", versuchte Lenihan für seine drastischen Einschnitte zu werben.
Das wichtigste Ziel sei es nun, die Wirtschaft zu stabilisieren. Dazu forderte er von den Bürgern "eine letzte große Anstrengung". Tatsächlich stimmte er die Iren aber darauf ein, dass sie auch in den kommenden Jahren den Gürtel enger zu schnallen haben: “Further corrections will be needed in the coming years, but none as big as today’s.” (http://business.timesonline.co.uk/tol/business/article6950919.ece). Man habe "traumatische 18 Monate" hinter sich gebracht, "harte Entscheidungen" getroffen, sei dabei aber fair geblieben. Der Plan der Regierung funktioniere und man sei "über dem Berg", predigte Lenihan. Auch der Premierminister sprach von einem "entscheidenden Schritt". Es handele sich nicht um einen einfachen Haushalt, sondern "es gehe um unsere gesamte wirtschaftliche Zukunft", meinte Cowen. Der Taoiseach machte deutlich, dass man vor allem die Rating-Agenturen und die internationalen Kreditgeber beruhigen will. “Whether we like it or not, we have to show the international markets that we are capable of getting our economy back on track, and our fiscal house in order”.
Kürzungen des Arbeitslosen- und Kindergeldes
Die Opposition bezeichnete die geplanten Maßnahmen aber alles andere als fair. Hatte die irische Regierung beim Nothaushalt im vergangenen April vor allem auf zusätzliche Einnahmen abgestellt, stehen angesichts des massiven Haushaltsdefizits für das laufende Jahr von fast 13 % nun vor allem Ausgabenkürzungen auf der Tagesordnung. Und die, so meint die Opposition, seien unfair verteilt. Die große konservative Partei Fine Gael warf der Regierung eine "fehlende Vision" vor. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Labour Party sagte, die Regierung sei inkompetent, dumm und kurzsichtig. Eamon Gilmore kritisierte vor allem, dass die Schwachen die Zeche zu zahlen hätten. Er meint damit, neben den Lohnkürzungen bei Staatsbediensteten vor allem die geplanten Kürzungen des Arbeitslosengeldes um 4,1 % und des Kindergelds, das sogar um 10 % auf 150 Euro gekürzt wird.
Dazu kommen die Kürzungen bei jungen Arbeitslosen, die es sogar noch härter trifft. Die wöchentlichen Hilfszahlungen von 20-21jährigen werden von 204,3 auf 100 Euro gleich um mehr als die Hälfte eingedampft und auf 130,10 Euro für 22-24-Jährige. Dagegen ist die Kürzung der ohnehin hohen Ministerbezüge um 15 % geradezu lächerlich. Dabei zeigt sich die Regierung angeblich als besonders besorgt über die Jugendarbeitslosigkeit und begründet die Kürzungen sogar mit dieser Sorge: "We know from the bitter experience of the 1980s how a welfare system out of step with labour costs in the rest of the economy can trap people in protracted jobless-ness."
Irland als Vorbild für Griechenland?
Der Finanzminister hält die Kürzungen angesichts der Deflation für verkraftbar. Er rechnete vor, die Lebenshaltungskosten seien in den letzten 12 Monaten um 6,5 % gefallen und die Preise für lebensnotwendige Güter wie Kleidung, Nahrung und Wohnung seien dabei sehr stark zurück gegangen. Doch man muss sich hier fragen, ob angesichts dieser gefährlichen Stagdeflation von der Regierung mit diesem Haushalt nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Erhöhung von Steuern und Abgaben bei gleichzeitigen harten Sparmaßnahmen, schließlich sollen die Gesamtausgaben um 10 % gekappt werden, könnten die gefährliche Spirale noch beschleunigen und das Land noch tiefer in der Rezession versenken. Die Arbeitslosigkeit, die schon jetzt bei 12 % liegt, wird weiter steigen, der Konsum wird weiter einbrechen und damit werden weitere Einnahmen des Staates wegfallen. Bekannt ist das zum Beispiel aus der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren in Deutschland.
Derlei Sparhaushalte haben die Iren vor allem den grandiosen Hilfen für abgestürzte Banken nach dem Platzen der Immobilienblase zu verdanken. Die laxen Bestimmungen, von den Politikern erlaubt, die heute Sparhaushalte für die einfachen Bürger beschließen, haben schließlich auch das Debakel der Hypo Real Estate (HRE) ermöglicht und die mehr als 100 Milliarden, welche die Bundesregierung darin versenkt hat. Weitere Kosten für irische Banken, denen über eine Bad-Bank großzügig 54 Milliarden Euro an faulen Krediten und Unwertpapiere abgenommen wurden, sind in dem neuen Haushalt noch nicht einmal berücksichtigt.
Die Sparmaßnahmen zielen vor allem darauf, dass die Rating-Agenturen das Land nicht weiter herabstufen, was die Staatsschulden weiter verteuern und letztlich den Kreditstrom zum Versiegen bringen könnte. Man will in Dublin den Nachweis erbringen, dass man einen politischen Willen zu tiefen Einschnitten hat. Fitch, die gerade mit der Herabstufung von Griechenland und mit der Ankündigung einer Herabstufung von Spanien für neue Beben auf den Finanzmärkten sorgte, lobte derweil die Reformen in Irland. Um die Reformen zu beschleunigen, hatte Fitch im vergangenen Monat Irland um zwei Stufen auf "AA-" heruntergestuft. Nun hält Fitch Irland für stabil, weil es zu "einigen radikalen Maßnahmen" komme, sagte Fitch-Analyst Paul Rawkins. Die Griechen sollten sich an Irland ein Beispiel nehmen, fügte Rawkins an. Er schlug in die gleiche Kerbe wie der Chef der Europäischen Zentralbank. Auch Jean-Claude Trichet hatte Irland den Griechen als leuchtendes Vorbild vorgehalten.
Doch eigentlich fehlt solchen Einschätzungen jeglicher Realismus. Selbst wenn man trotz aller Zweifel einfach mal optimistisch davon ausgeht, dass mit derlei Maßnahmen die irische Wirtschaft tatsächlich stabilisiert werden könnte, dann steht den Iren keine "letzte Anstrengung" bevor, sondern es erwartes sie vielmehr sieben sehr magere biblische Jahre. Allein um auf die Schwelle von 3 % nach dem EU-Stabilitätspakt einhalten zu können, bedarf es noch drei weiterer solcher Sparhaushalte und es wird dabei von Jahr zu Jahr schmerzhafter.
Dass die Sanierung von Banken auf Kosten der Bevölkerung einen enormen sozialen Sprengstoff birgt, ist ohnehin klar. Ende November befand sich schon über eine Viertelmillion Iren im Streik, als die Regierung ihre Absicht zu den Gehaltskürzungen kundtat. Sogar Polizisten hatten sich an diesem Ausstand beteiligt. Noch hatten nur die gestreikt, die nicht vereidigt waren, und die, die an diesem Tag ohnehin frei hatten. Aus der Polizeigewerkschaft hörte man erstaunliches: Man müsse anderen Arbeitern zeigen, dass wir zusammenstehen und ihren Ärger teilen. Im gesamten öffentlichen Dienst nun zum Arbeitskampf gerüstet und diesmal will die auch die gesamte Polizei eine Urabstimmung abhalten.
Ob die Regierung, die ohnehin nach der Auflösung der Partei der Progressive Democrats über keine eigene Mehrheit mehr verfügt und die nun die Koalition aufs Spiel setzt, die wesentlichen Punkte des Sparprogramms umsetzen kann, darf bezweifelt werden. Doch Fianna Fail versucht den Befreiungsschlag. Man brauchte sich aber nicht darüber zu wundern, wenn die Regierung an dem Haushalt zerbrechen würde und es alsbald zu Neuwahlen käme.
Mit allen geplanten Maßnahmen steht Fianna Fail aber nicht allein. Unterstützung hat sie bei der geplanten Co2-Steuer, die auch dem Klimaschutz dient, zum Beispiel von der linksnationalistischen Sinn Fein Partei erhalten. Die Labour Party enthielt sich, womit sich eine Mehrheit von 82 zu 58 Stimmen ergab. Damit werden ab heute die Treibstoffe für Autos teurer, Benzin um 4.2 Cent und Diesel um 5 Cent pro Liter. Billiger wird der Sprit, der durch die Kehlen der Insulaner fließt. Die Verbrauchssteuern für Alkohol, irgendwie will die Regierung offenbar die Bevölkerung beruhigen, werden gesenkt. Bei den trinkfreudigen Iren fand sich dafür im Dáil eine stabile Mehrheit von 88 zu 75 Stimmen. Spirituosen werden sich nun um knapp 3 Euro verbilligen, das Pint Beer um 12 Cent und die Flasche Wein um 60 Cent.