Der wenig stressige Stresstest

Nach dem US-Vorbild sollte auch in der EU nur ein Stresstest simuliert werden, denn es ging vor allem darum, die Märkte mit passablen Ergebnissen zu beruhigen

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Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hatte den sogenannten Stresstest für die Bankenlandschaft in Europa angeregt. Er wollte die Gerüchte, Spanien stehe vor einer Pleite, und die Zweifel am spanischen Bankensystem zerstreuen. Statt die Banken auf Herz und Nieren zu testen, wurde so getestet, dass das gewünschte Ergebnis in der gesamten EU zustande kommt. So konnten alle Regierungen Vollzug melden. Nur 7 von 91 geprüften Instituten fielen durch. Dass darunter fünf spanische Sparkassen sind, sollte Zapatero nicht gerade beruhigen. In Deutschland haben erstaunlicherweise auch alle angeschlagenen Landesbanken bestanden. Nur die Hypo Real Estate (HRE) ließ man erwartungsgemäß durchfallen. Da die ohnehin längst eine Staatsgarantie hat, sind kaum negative Reaktionen des Marktes zu erwarten. Mit der ATEbank fiel auch in Griechenland eine Bank beim Test durch.

Die USA hat es vorgemacht, wie man das Bankensystem einem sogenannten Stresstest unterzieht, der den Namen eigentlich nicht verdient (Der Stresstest für die US-Banken). Die Kriterien waren schon in den USA so lasch angelegt, dass zum Beispiel im Worst-Case-Szenario von einer maximalen Arbeitslosenquote von 8,9% ausgegangen wurde. Doch schon bald lag die Quote auch offiziell über 10% und liegt weiterhin, trotz eines starken Wachstums in den USA, noch auf 9,5%. Die Arbeitslosigkeit ist für zahllose Kreditausfälle verantwortlich, weshalb das Bankensterben noch keineswegs beendet ist. Nach einem Rekord 2009 wird der aller Voraussicht nach 2010 gebrochen. Im laufenden Jahr musste die Einlagensicherungsbehörde (FDIC) schon 96 Banken schließen. Im gesamten Vorjahr waren es 140. Im Jahr vor dem Stresstest waren es dagegen 25 und im Jahr vor der Finanzkrise nur 3. So durfte man sich nicht wundern, wenn zum Beispiel das Wall Street Journal über einen "nicht so stressigen Test" und die Financial Times Deutschland von einem "Schmierentheater" sprachen ("Das gesamte Bankensystem ist insolvent").

Angesichts des europäischen Tests, den das Committee of European Banking Supervisors (CEBS) durchgeführt hat, fragt nun das Wall Street Journal, ob der Test stressig genug war, um angesichts eines Bankensystems, das in den "vergangenen Monaten von Krise zu Krise geschlingert ist", auch glaubwürdig zu sein. Das musste deshalb noch bis Freitag als Frage formuliert werden, weil die EU die Kriterien, nach denen getestet worden ist, erst mit der Veröffentlichung der Ergebnisse offen gelegt hat. Hier hatte man von den USA gelernt. Denn man wollte nicht, dass angesichts der absehbar laschen Kriterien, die angepeilten positiven Ergebnisse schon im Voraus zerredet würden.

Staatspleite nicht vorgesehen

Doch die Frage der US-Zeitung kann nun beantwortet werden. So weist zum Beispiel das Wall Street Journal in einem Artikel auf die Tatsache hin, dass in dem CEBS-Test ein Zahlungsausfall eines Staates nicht berücksichtigt wurde. Schon das muss verwundern, schließlich wird seit Dezember ausgiebig über Staatspleiten geredet. Mit Griechenland musste sogar schon ein Euroland aufgefangen werden, und es wird über mögliche Pleiten in Portugal, Spanien und Italien debattiert, weshalb längst eilig ein Rettungsschirm aufgespannt wurde.

Dazu kommen weitere gravierende Mängel am Test. Auch ein möglicher Verfall von Derivaten und anderen riskanten Anlagen wurde in dem Test nicht erfasst. Außen vor blieben auch die Verquickungen der Banken untereinander und damit zwei der Kernbereiche, die aus der Finanzkrise das gemacht haben, was sie ist. Es wurde quasi so getan, als hätte es die Dominoeffekte weltweit nicht gegeben, die nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zu beobachten waren. So wurde in dem monatelangen Verfahren nicht untersucht, was passieren würde, wenn mehrere Banken oder Sparkassen gleichzeitig abschmieren.

Auch das Krisenszenario, nachdem untersucht wurde, ob die Kernkapitalquote einer Bank oder Sparkasse unter 6% fällt, ist zwar etwas härter als gedacht ausgefallen, doch hat die Wirtschaftskrise in einigen Ländern bisher gezeigt, dass die angenommenen Szenarien übertroffen werden können. Denn ausgegangen wurde nur davon, dass die Wirtschaft 2010 um 2% und 2011 noch einmal um 1,25% schrumpfen könnte. Ein Worst-Case-Szenario ist das genauso wenig, wie es ein solches Szenario in den USA gab. Das gilt auch für den vermuteten Zinsanstieg. Bei drei Monaten Laufzeit wurde von einem Anstieg um 1,2 Prozentpunkte und bei zehnjähriger Laufzeit von 0,75 Prozentpunkten ausgegangen. Wer sich die Dynamik anschaut, mit der die Zinsen für griechische, spanische, und portugiesische Staatsanleihen in den vergangenen Monaten explodiert sind, kann über dieses Stressszenario eigentlich nur den Kopf schütteln. Auch ein Kursrutsch um 20% an den Aktienmärkten ist kein besonderer Stressfall, wenn man sich die Entwicklung in den letzten Jahren anschaut.

In dem erweiterten Stress-Szenario wurde auch einen Abschlag (Haircut) auf Papiere errechnet, welche die Institute in ihren Büchern haben. Für verschiedene Länder wurden dafür Abschläge berechnet. Für Griechenland geht man bei fünfjährigen Papieren von 23,1% aus, in Portugal von 14,1%, in Irland von 12,8% und in Spanien von 12%. Deutschland steht mit 4,7% recht gut da. Nahe daran wird ein geringer Abschlag für die Slowakei (5%), Dänemark und die Niederlande (5,2%), Österreich (5,6%), Frankreich (6%), Finnland (6,1%), Malta (6,4%) Schweden und Zypern (6,7%) Luxemburg und Belgien (6,9%), Italien (7,4%) festgesetzt. Dass für Slowenien mit 4,2% ein noch geringerer Haircut als für Deutschland errechnet wurde, dürfte in deutschen Landen einige verstören. Über dem Durchschnitt von (8,5%) liegen auch Großbritannien (10,2%), Tschechien (11,4%) und Polen (12,3%).

Doch auch hier hält der Test eine besondere Besonderheit bereit. Die Haircuts werden nur auf die Papiere vorgenommen, die sich im Handelsbuch der Institute befinden. Doch dort müssen nur die Wertpapiere verbucht werden, die zum Verkauf bestimmt sind und deshalb zu Marktpreisen bewertet werden. Da die meisten Staatsanleihen aber im Bankbuch verzeichnet sind, also nicht für den direkten Verkauf bestimmt sind, sondern bis zur Fälligkeit gehalten werden, wurden sie komplett ausgeklammert. Auch das spricht nicht gerade für die erhoffte Transparenz, mit der das Vertrauen hergestellt werden soll und lässt weitere erhebliche Zweifel an der realen Aussagekraft dieses Stresstests aufkommen.

Angesichts dieser Kriterien kann man sich eigentlich kaum noch darüber wundern, dass in Deutschland außer der verstaatlichten HRE alle geprüften Banken den Test bestanden haben. Statt auf 6% kam der Münchner Immobilienfinanzierer unter diesen Bedingungen nur noch auf eine Kernkapitalquote von 4,7%. Doch nach Ansicht der Finanzaufsicht BaFin sei HRE ohnehin "außer Konkurrenz" gelaufen. Trotz der laschen Kriterien schrammten die NordLB mit 6,2% und die Postbank mit 6,6% nur knapp am Desaster vorüber. Das Ergebnis der NordLB ist deshalb besonders erstaunlich, weil es sich mit der Helaba um die einzigen Landesbanken handelte, die keine Staatshilfe benötig haben.

In Spanien dürften nicht nur die Sparkassen gefährdet sein

Für Spanien hätte Ministerpräsident Zapatero dann doch den Mund nicht so voll nehmen sollen, wenn man sich die Ergebnisse dieses Tests anschaut. Schließlich hatte er mit einem zornigen Blick auf Berlin erklärt, er habe den Stresstest gegen den monatelangen Widerstand der Bundeskanzlerin Merkel "durchsetzen" müssen. Er legte damit nahe, dass anders als im spanischen Bankensystem in Deutschland einiges im Argen liege. "Deutschland versteckt die Schwäche seiner Banken mit Attacken auf die spanische Wirtschaft", sekundierten die Medien, die seiner sozialdemokratischen Regierung nahe stehen. Doch unter den 7 Instituten die von den 91 geprüften beim Test durchgefallen sind, befinden sich fünf spanische Sparkassen. Darunter auch die die vor kurzem abgeschmierte Kirchensparkasse Cajasur. Doch auch hier fällt auf, dass die schon im letzten Jahr abgestürzte und deutlich größere Caja Castilla-La Mancha (CCM) nicht in der Liste der ruhmlosen Sieben auftaucht.

In Spanien streicht man heraus, dass alle Banken den Test bestanden haben und eben nur Sparkassen betroffen seien, die gerade per Gesetz zu Fusionen gezwungen wurden. Allerdings lässt sich angesichts der Tatsache, dass die Kreditausfälle in Spanien weiter steigen, nichts Gutes vermuten. Gerade wurde veröffentlicht, dass die Quote im Mai mit 5,4% einen neuen Höchststand erreicht hat. Dass die Banken mit einer Quote von 5,42% nur knapp hinter den Sparkassen mit 5,51% liegen, lässt für einige Banken trotz des Bestehens des Tests schwere Zweifel an ihrer realen Stabilität aufkommen. Das gilt ganz besonders für Banken, die sehr stark im Hypothekengeschäft exponiert sind.

Den Löwenanteil des erwarteten Kapitalbedarfs von 3,5 Milliarden Euro, Experten gingen eher von 30 bis 90 Milliarden aus, brauchen deshalb diese fünf spanischen Sparkassen. So wird trotz der Stützung der schon fusionierten Sparkassen Caixa Catalunya, Tarragona und Manresa erwartet, dass der Zusammenschluss gut eine weitere Milliarde braucht. Ähnlich geht es drei weiteren neuen Sparkassenverbänden, womit sich der Hinweis verstärkt, dass sich vor allem die Verlierer der Krise zusammengeschlossen haben. Sie brauchen frisches Kapital, obwohl sie schon reichlich aus dem staatlichen Banken-Restrukturierungsfonds (FROB) bedient wurden. Dass die EU dem Antrag Spaniens, den FROB länger betreiben zu dürfen, gerade stattgegeben hat, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Selten ist es gelungen, dass aus dem Zusammenschluss mehrerer Absturzkandidaten später ein tragfähiges Projekt wurde. Ob es bei den etwa zwei Milliarden Euro bleibt, die spanische Sparkassen nach Angaben des Stresstest brauchen würden, darf bezweifelt werden.

Erstaunlich an dem Stresstest ist auch, dass trotz [http://www.heise.de/tp/blogs/8/147391 Kapitalflucht] und der enormen Probleme in Griechenland nur die ATEbank durchgefallen ist. An der Athener Bank, deren Kernkapitalquote auf 4,4% im Krisenszenario fallen soll, ist der Staat schon Mehrheitseigentümer. Um keine neuen Sorgen aufkommen zu lassen, hat das Finanzministerium in Athen schon am gestrigen Abend erklärt, dass sich der Staat an der Aufstockung des Kapitals beteiligen wird.

Insgesamt darf abgewartet werden, ob sich die Märkte mit einem solchen Test und mit solchen Ergebnissen wirklich dauerhaft beruhigen und die Zweifel über die Stabilität des europäischen Bankensystems zerstreuen lassen. Die Wall Street, der die Deutungshoheit mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ergebnisse nach Börsenschluss in Europa überlassen wurde, hat sich jedenfalls nicht beeindruckt gezeigt. In New York setzte sich zwar der Aufwärtstrend fort, der Dow-Jones-Index stieg um 1% auf 10.424,62 Punkte, doch das lag vor allem an guten Ergebnissen von Verizon, General Electric und Microsoft.