Der Stresstest für die US-Banken

Prüft der Stresstest in den USA wirklich, ob die Banken auch in einer tiefen und langen Rezession überlebensfähig wären?

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Derzeit läuft in den USA ein so genannter "Stresstest", mit dem die Überlebensfähigkeit der Großbanken geprüft werden soll. Wer den Test nicht besteht, soll zwangsweise Staatshilfe bekommen. Obwohl der Finanzminister die Verstaatlichungen von Banken ausschloss, wurde schon kurz danach die einst weltgrößte Bank teilverstaatlicht. Der Staat hält an der Citigroup nun 36 Prozent. Doch ob der Stresstest tatsächlich seinen Namen verdient und eines der wesentlichen Ziele erfüllt, das Vertrauen ins Finanzsystem zu stärken, darf bezweifelt werden.

Es ist nun mehr als ein Jahr her, als zunächst die EU-Staats- und Regierungschefs "Transparenz" zur Lösung der Finanzkrise forderten. Kurz darauf setzte man auf dem G7-Gipfel nach und verlangte von den Finanzinstituten die lückenlose Offenlegung ihrer Risiken. Obwohl die Finanzkrise mit aller Härte in die Realwirtschaft durchgeschlagen ist und sich erwartungsgemäß zu einer massiven Weltwirtschaftskrise mausert, besteht auch weitere 12 Monate später kein Überblick über die realen Verhältnisse, die Wahrheit kommt nur scheibchenweise ans Licht. Im Januar sprach der Internationale Währungsfonds in einer optimistischen Prognose von einem Abschreibungsbedarf von 2,2 Billionen US-Dollar (Auch in Davos wird nach dem Staat gerufen).

Da der IWF kürzlich Link auf blogs/8/133281 hat, dass er die Konjunkturprognose erneut nach unten korrigieren wird, dürfte auch diese horrende Summe angesichts steigender Kreditausfälle erneut steigen. Noch vor 12 Monaten glaubten viele Verantwortliche – oder sie wollten es der Bevölkerung weismachen –, dass eine Rezession in vielen Industrienationen wie Deutschland nicht auf der Tagesordnung stehe. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: "Die Basis der europäischen Ökonomien sind weiterhin gesund." Inzwischen sind alle Industrienationen in die Rezession abgeschmiert und so hat sich auch die Botschaft der Politik verändert. Trotz abstürzender Wirtschaftsleistung und steigender Arbeitslosigkeit ergeht man sich, ebenfalls ohne eine reale Basis, in Prognosen darüber, wie schnell das Tal der Tränen durchschritten werden kann. Die Hoffnung wird dabei auf die Rettungs- und Konjunkturprogramme gesetzt, welche die Staatsverschuldung enorm in die Höhe treiben, ohne bisher eine Wirkung gezeigt zu haben.

Die US-Regierung versucht derweil einen zaghaften Schritt, um sich einen Überblick über die Lage der Banken verschaffen. Deshalb kündigte Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche einen Stresstest für die Institute an, die über ein Vermögen von mindestens 100 Milliarden US-Dollar verfügen. Die Finanzbehörden haben mit der Prüfung der angeschlagenen Großbanken begonnen, von deren Ausgang die Regierung entsprechende Schritte abhängig machen will. Bis spätestens Ende April will die US-Regierung wissen, wie es um die Zukunftsfähigkeit der Banken steht, heißt es in einer Erklärung, die von der Einlagensicherungsbehörde (FDIC) veröffentlicht wurde.

In einem anhängenden Text wird erklärt, der Test solle klären, "ob die größten US-Bankhäuser ausreichende Kapital-Puffer haben, um in einem konjunkturellen Umfeld zu bestehen, das noch größere Herausforderungen bereithält als das jetzige". Einer Prüfung unterzogen werden soll "das unternehmensspezifische Verlustpotenzial und die Ressourcen, um solche Verluste aufzufangen", damit klar wird, ob die jeweilige Bank "ihrer unverzichtbaren Rolle in der Wirtschaft" gerecht werden könne. Zur Beurteilung werden zwei Szenarien herangezogen.

Stresstest ohne Worst-Case-Szenario

Szenario 1 geht von der Prognose aus, dass die US-Wirtschaft im laufenden Jahr nur um 2 Prozent schrumpfen wird, es aber schon im folgenden Jahr zu einer zügigen Erholung kommen werde, mit einem Wachstum von 2,1 Prozent. Die Arbeitslosenquote solle demnach 2008 auf 8,4 Prozent steigen und es wird erwartet, dass die Hauspreise 2009 um 14 Prozent fallen, 2010 um weitere 4 Prozent.

Dieses reichlich positive Szenario wird durch ein "nachteiliges Szenario" ergänzt. Demnach soll der Test absichern, dass sich die Banken auch in einer Rezession bewähren können, die "tiefer und länger" ausfallen würde, als bisher absehbar sei. Nach diesem Szenario wird von einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung für 2009 von 3,3 Prozent ausgegangen, wobei für 2010 ein schwaches Wachstum von 0,5 Prozent angesetzt wird. Die Arbeitslosenquote würde demnach auf 8,9 Prozent steigen, die Immobilienpreise würden 2009 um 22 Prozent sinken und 2010 um weitere 7 Prozent.

In Expertenkreisen ist man sich einig darüber, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten, die letztlich weitere Milliarden- oder Billionenlöcher in die Bilanzen der Banken reißen, vom Konjunkturverlauf abhängig ist. Notwendig wäre also zunächst, die Lage analytisch einigermaßen korrekt einzukreisen, um die Belastbarkeit der Banken vorhersagen zu können. Angesichts der Zahlen, die derzeit aus den USA gemeldet werden, ist kaum davon auszugehen, dass sich Szenario 1 auch nur ansatzweise der Realität nähert.

So wurde Link auf blogs/8/133717, dass im vierten Quartal 2008 die Wirtschaftsleistung mit 6,2 Prozent fast doppelt so stark geschrumpft ist, als zunächst angenommen worden war. Am Mittwoch hat die Deutsche Bank eine Studie veröffentlicht, wonach die weltgrößte Volkswirtschaft die schlimmste Talfahrt seit Jahrzehnten weiter beschleunigen wird. "Die Risiken weisen deutlich nach unten, so dass wir nicht überrascht wären, wenn wir nach Revisionen bei etwa minus 10 Prozent landen würden", heißt es darin. Auch die US-Notenbank spricht schon jetzt von einem "sehr schwachen" ersten Quartal. Dass in Japan, der zweitgrößten Einzelwirtschaft, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2008 sogar um 12,7 Prozent geschrumpft ist, weist darauf hin, dass der Absturz in den USA noch deutlich stärker ausfallen kann. So darf bezweifelt werden, ob Szenario 1 als Best-Case-Szenario taugt und vermutet werden, dass eher Szenario 2 diese Bezeichnung verdient.

Auch andere Zahlen geben Anlass zu dieser Annahme. So wird davon ausgegangen, dass die Preise für Immobilien in den USA um bis zu 35 Prozent fallen werden und die Zahl der Zwangsversteigerungen weiter stark zunehmen wird. Economy.com rechnet damit, dass es erst 2011 zu einer Erholung am US-Immobilienmarkt kommen werde, der ein wesentlicher Faktor in der Krise ist. Da die Arbeitslosenquote schon im Januar auf 7,6 Prozent gestiegen ist, darf wegen der miesen Konjunkturdaten erwartet werden, dass sie im Bereich der Quote in Szenario 2 oder deutlich darüber liegen dürfte. Am Freitag, wenn die Arbeitslosenzahlen für Februar veröffentlicht werden, wird schon für Februar eine Quote von 8 Prozent erwartet.

Demnach verfügt der Stresstest real über kein Worst-Case-Szenario, um zu prüfen, ob die Banken in einem nachteiligeren Umfeld überlebensfähig wären. Und auch an anderen Stellen hakt es bei dem Test, denn die Angaben zur Prüfung stammen von den Bankern. Bisher ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang sie überprüft werden können. Die Frage drängt sich auf, warum die Banken nun die Verschleierungsstrategie aufgeben sollten, schließlich drohen vor allem den Verantwortlichen bei einem negativen Testergebnis Nachteile in Form von fallenden Gehältern, ausbleibenden Bonuszahlungen, die trotz der Krise weiter reichlich geflossen sind (Die Idiotisierung der Finanzmärkte).

Von Transparenz ist nicht viel zu sehen

Wer nach den eigenen Angaben keine ausreichende Kapitaldeckung mehr nachweisen kann, bekommt sechs Monate Zeit, sich das nötige Kapital über Kapitalerhöhungen zu besorgen oder muss Staatshilfe akzeptieren. Das läuft zunächst über stimmrechtslose Vorzugsaktien, wie im Fall der Citigroup, die bei Bedarf in Stammaktien umgewandelt werden können. Über diesen Weg hat das Finanzministerium die Citigroup nun teilverstaatlicht und hält 36 Prozent an der einst größten Bank der Welt. Finanzminister Timothy Geithner sprach sich zwar eindeutig gegen Verstaatlichungen aus, doch die Teilverstaatlichung weiterer Banken und die Anhebung der Staatsanteile bei teilverstaatlichten Banken ist angesichts des Krisenverlaufs kaum zu verhindern, da der Kapitalbedarf wegen steigender Kreditausfälle weiter steigt. In Großbritannien kann diese Entwicklung Link auf /blogs/8/132265 werden.

Anders als auf der Insel, wo die Regierung zwar viel Geld in die Banken gepumpt hat, aber nicht mitentscheiden kann, will Obama sicherstellen, dass die Staatshilfe auch über Kredite an die Unternehmen und Verbraucher fließt. Wenn der Staat eingreift, sollen deshalb die Bezüge der Manager beschränkt werden, es soll Auskunft über die Verwendung des Geldes gegeben und die Kreditvergabe offen gelegt werden: "Dieses Mal werden die Chefs die Steuergelder nicht mehr verwenden können, um ihre Gehälter aufzustocken, ausgefallene Büroeinrichtrungen zu kaufen oder in einem Privatjet zu verschwinden. Diese Zeiten sind vorbei", sagte Obama vor dem Kongress.

Ob die bisherige Einschätzung des Finanzministeriums stimmt, dass die meisten US-Banken noch ausreichend kapitalisiert seien, kann angesichts der Rahmendaten und den Entwicklungen wie bei der Citigroup oder den Bank of America bezweifelt werden. Überprüft werden kann das aber auch in der Zukunft nicht, da sogar die Ergebnisse des Stresstests nicht veröffentlicht werden. Von der geforderten Transparenz, die nötig wäre um das Vertrauen in das Finanzsystem wieder zu stärken, kommt man aber auch mit dem Stresstest kaum näher.