Hitzerekorde, Dürre, abschmelzende Eisdecken

Neueste Studien zeichnen dramatisches Bild über die immer deutlicheren Klimaveränderungen

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Die Meldungen über die bedenkliche Erwärmung der Erde reißen nicht ab. Letzte Woche hat die Nasa gemeldet, 2005 sei das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnung von Klimadaten gewesen. Eine Studie aus Großbritannien spricht unter anderem vor dem Abschmelzen der Eiskappe in Grönland, wodurch der Meeresspiegel sich deutlich erhöhen könnte. Im Vorwort warnt sogar der britische Premierminister Tony Blair vor den deutlichen Klimaveränderungen, während die US-Regierung offenbar versucht, den führenden Nasa-Klimaforscher mundtot zu machen, der für die Reduktion der Treibhausgase eintritt. Spanien bereitet sich derweil auf ein weiteres, noch schlimmeres Dürrejahr vor.

Bild: Nasa

Letzte Woche hatte das Goddard Instituts for Space Studies (GISS) in New York festgestellt, dass 2005 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1873 war. Die Wissenschaftler der US-Raumfahrtbehörde Nasa haben für ihre Studie weltweit die Temperaturdaten ausgewertet. Andere Forschergruppen hatten 2005 als zweitwärmstes Jahr nach 1998 eingestuft, sie hatten aber nicht die Werte für die Arktis einbezogen. Nach Angaben der NASA-Klimaforscher, war es gerade dort im letzen Jahr „ungewöhnlich warm“, weshalb sie zu einem anderen Ergebnis gelangt sind. Analysiert hatten sie Daten von Wetterstationen an Land sowie Satellitenmessungen der Oberflächentemperatur der Meere.

Nach Ansicht der Nasa-Wissenschaftler hält der starke Trend zur Erwärmung der Erde ungebrochen an. Zwischen 1880 bis 1925 seien die Durchschnittstemperaturen in etwa gleich geblieben. Zwischen 1925 und 1975 stieg die Temperatur um etwa 0,2 Grad Celsius an. Seit den 1970er Jahren geht es hingegen steil nach oben. Seither seien die Durchschnittstemperaturen global um rund 0,6 Grad Celsius gestiegen. „Die fünf wärmsten Jahre des letzten Jahrhunderts ereigneten sich innerhalb der letzen acht Jahre”, erklärte James E. Hansen, Leiter des Goddard Instituts. „Das wärmste Jahr war 2005, dann folgen 1998, 2002, 2003 und 2004.“

Der bisherige Rekordhalter 1998 sei durch das Klimaphänomen El Niño (Sturmfluten im Sonnenstaat) geprägt gewesen. Dabei reißt der kalte Humboldtstrom ab und erzeugt besonders warme Strömungen im Pazifik. Das neue Rekordjahr 2005 kam aber sogar ohne derlei Sonderfaktoren auf noch höhere Werte, welche die Nasa-Wissenschaftler der „rapiden Erwärmung“ zuschreiben. Aus indirekt bekannten Werten der Vergangenheit vermuten sie sogar, dass 2005 das wärmste Jahr seit mehreren tausend Jahren gewesen sein könnte. Weil die Erwärmung weiter gehe, werden neuerliche Rekordwerte nicht lange auf sich warten lassen, sagt die Nasa voraus. Schon 2006 oder 2007 könnte es einen neuen Rekord geben.

Die globale Erwärmung erfolgt nicht gleichmäßig. Verstärkt betroffen waren in den vergangenen 50 Jahren Alaska, Sibirien, die Antarktis und die Weltmeere. Die Forscher unterstreichen, dass diese Regionen weit entfernt von großen Ballungsräumen liegen. Deshalb könne nicht der direkte Einfluss von dichter menschlicher Besiedelung, der so genannte „Wärmeinseleffekt“, verantwortlich sein.

Temperaturabweichungen zwischen Dezember 2004 und November 2005. Die Gebiete, die sich am stärksten erwärmt haben, sind rot eingezeichnet. Bild: Nasa

Bis zum Ende des 21. Jahrhundert erwarteten die Wissenschaftler einen Anstieg um drei bis fünf Grad Celsius. Dafür machen sie vor allem Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan und Ozon verantwortlich. Damit würden die Temperaturen auf Werte ansteigen, die es auf der Erde sicher seit einer Million Jahre nicht mehr gegeben habe. Erst kürzlich hatte James Lovelock vor einer Katastrophe bis zum Jahr 2100 gewarnt. Nach Ansicht des Wissenschaftlers und Vaters der „Gaia-Hypothese“ könne sich die Temperatur sogar um 8 Grad Celsius erhöhen ("Die Rache Gaias": Liegt der Planet bereits im Fieber?).

US-Regierung setzt Wissenschaftler unter Druck

Doch die US-Regierung will von derlei Einschätzung weiter nicht viel wissen. Offenbar versucht man in Washington deshalb, den kritischen Klimaforscher Hansen mundtot zu machen. Das hatte die New York Times berichtet. Gegen ihn habe eine Kampagne begonnen, seit er am 6. Dezember öffentlich für die schnelle Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgas ausgesprochen habe, erklärte der Leiter des Goddard Instituts in einem Interview. Die PR-Abteilung der Nasa habe Anweisung erhalten, seine Redemanuskripte und Veröffentlichungen zu überprüfen. Er werde aber die Restriktionen nicht beachten und sich nicht „zensieren“ lassen, kündigte Hansen an.

Die Nasa bestritt die Vorwürfe. Allerdings wäre Hansen nicht der erste Wissenschaftler, der auf Druck der US-Regierung seinen Job verliert. Im April 2002 verlor der damalige Vorsitzende der Internationalen Expertengruppe für den Klimawandel (IPCC), Dr. Robert Watson seinen Job, der die Ablehnung des Kyoto-Abkommens seitens der USA kritisiert hatte (Ein kleiner Coup in Sachen Energiepolitik).

Derweil warnt der britische Regierungschef Tony Blair ausdrücklich vor den Klimaveränderungen im Vorwort zu dem Bericht Avoiding Dangerous Climate Change, den die britische Regierung in Auftrag gegeben hat. „Die hier dargestellten Ergebnisse machen deutlich, dass die Risiken des Klimawandels deutlich größer sein könnten, als wir dachten", schreibt Blair.

Das am Montag veröffentlichte Buch fasst Arbeiten zusammen, die bei einer Konferenz des Meteorologischen Instituts in Exeter vorgetragen wurden. Demnach hätten die Wissenschaftler nun „größere Klarheit und weniger Unsicherheit“ über die Folgen des Klimawandels erlangt.

Antarktis. Bild: British Antarctic Survey

Das Klima in Teilen Europas könnte trotz Erwärmung kälter werden

Eine globale Erwärmung um nur zwei Grad hätte demnach schon fatale Folgen. Das Eis auf dem Festland Grönlands würde womöglich komplett abschmelzen und den Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen lassen. Das Eis der westlichen Antarktis könnte ins Meer abrutschen und den Meeresspiegel um weitere sechs Meter ansteigen lassen. Der letzte Klimabericht der IPCC ging 2001 noch davon aus, dass dieses Eis stabil sei. Nun sagte der Vorsitzende des British Antarctic Survey Chris Rapley: „Der letzte Bericht des IPCC beschrieb die Antarktis hinsichtlich des Klimawandels als schlafenden Riesen - ich würde sagen, jetzt ist sie ein erwachter Riese.“ Das sei wirklich beunruhigend.

Für Europa wäre auch das prognostizierte Abreißen des Nordatlantikstroms fatal. Der Golfstrom hält den Kontinent bisher überdurchschnittlich warm. Doch in den letzten 50 Jahren sei er um etwa 30 Prozent schwächer geworden. Trotz Treibhausklima könnte es also in einigen Teilen Europas deutlich kälter werden. Diese seit längerem beschriebene Gefahr wird nun durch Strömungsmessungen untermauert.

An dem Band waren auch Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt. Im letzten Jahr hatte das PIK bereits eine Studie über die Auswirkungen des Jahrhundertsommers 2003 auf die europäischen Ökosysteme vorgestellt. Vor allem die Alpinregionen und der Mittelmeerraum seien von den Klimaveränderungen stark betroffen (Spaniens schmutzige Klimapolitik). Bis zu 38% der Bevölkerung könnten dort bald unter „erhöhtem Wassermangel leben“, weil häufiger und schwerere Dürreperioden erwartet werden.

Portugal (Portugal: Der Sommer hat gerade erst begonnen) und Spanien litten im vergangenen Jahr unter der extremsten Dürre, seit mit der Aufzeichnung der Messdaten 1947 begonnen wurde (Extreme Dürre in Spanien). Derzeit zeichnet sich in Spanien eine noch heftigere Dürre ab. Schon im Dezember hatte das Umweltministerium gewarnt, dass dieses Jahr wegen fehlender Niederschläge „noch trockener“ werden könne als das vergangene. „Das letzte Vierteljahr war schlechter als das Jahr zuvor“, erklärte der Verantwortliche für Wasser im Umweltministerium, Jaime Palop. In Spanien habe damit das zweite Dürrejahr in Folge begonnen, weil das hydrologische Jahr jeweils mit den Herbstregen im Oktober anfängt. Tatsächlich sind die Wasserpegel in den Stauseen weiter gestiegen, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass sie nur zu 47,6 % gefüllt sind. Vor einem Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt noch 57,7 %. Das Umweltministerium hat gerade Daten veröffentlicht, wonach in einigen Regionen die Speicher nur zu knapp 13 % gefüllt sind.