Spaniens schmutzige Klimapolitik
Als ein Hauptbetroffener des Klimawandels entfernt sich Spanien immer weiter von den vereinbarten Klimaschutzzielen, obgleich das sonnenreiche Land seinen Energiebedarf in Zukunft mit erneuerbaren Energien decken könnte
Der Klimawandel geht weiter und auch Europa wird deutlich unter den veränderten Bedingungen zu leiden haben. Nach einer aktuellen Studie sind vor allem der Mittelmeerraum und die Alpinregionen stark von den Veränderungen betroffen. Spanien, ein Hauptbetroffener, entfernt sich nach Angaben einer Nachhaltigkeitsstudie immer weiter von den Klimaschutzzielen. Statt Spitze beim Verstoß gegen das Kioto-Protokoll zu sein, könnte das Land Vorbild beim Einsatz erneuerbarer Energien sein. Greenpeace rechnet vor, dass das sonnenreiche Land seinen für 2050 prognostizierten Energieverbrauch mit erneuerbaren Energien decke könnte.
"Das Schadenspotenzial verschiedener europäischer Regionen gegenüber dem globalen Wandel wird in den kommenden Jahrzehnten zunehmen und zu Problemen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, im Naturschutz, der Energie- und Wasserwirtschaft sowie im Tourismus führen", heißt es in der Studie, die im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurde (Mehr Trockenheit und Überschwemmungen in Europa).
Als Ursache machen die Forscher vor allem den Klimawandel verantwortlich. Betroffen seien die Nahrungsmittelproduktion, der Schutz der Wasserressourcen und das Erholungsangebot. Der Klimawandel allein könnte dazu führen, "dass bis zum Jahr 2080 zusätzliche 14 bis 38% der Bevölkerung des Mittelmeerraums in Gebieten mit erhöhtem Wassermangel leben." Ausgerechnet diese Regionen verzeichnen einen steigenden Wasserbedarf für den Tourismus und die Landwirtschaft.
Die Wissenschaftler erwarten häufiger und noch schwerere Dürreperioden, wie sie derzeit besonders die iberische Halbinsel heimsuchen. Spanien leidet unter der extremsten Dürre, seit mit der Aufzeichnung der Messdaten 1947 begonnen wurde (Extreme Dürre in Spanien). In Portugal ist es nicht viel anders (Portugal: Der Sommer hat gerade erst begonnen).
Doch in Spanien sieht es düster aus, was die Umsetzung der Klimaschutzziele betrifft. Eine neue Studie zeigt, dass sich das Land mit großen Schritten von den Zielen des Kioto-Protokolls entfernt, zu denen es sich verpflichtet hat. Der Nachhaltigkeitsbericht 2005 stellt eine zurückgehende Ökoeffizienz fest. "Spanien macht keine Fortschritte bei der Rückgewinnung der Umweltqualität, sondern sein Wirtschaftswachstum ist immer stärker mit einem höheren Verbrauch von Umweltressourcen verbunden", wird in der Studie festgestellt, die vergangene Woche in Barcelona veröffentlicht wurde.
Die Experten zeigen auf, dass sich der Energiekonsum in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Zwischen 1990 und 2003 habe sich eine jährliche Steigerung von 0,5 % ergeben. In den übrigen EU-Staaten habe eine höhere Energieeffizienz im Durchschnitt eine Verminderung um 1,3 % ergeben. Das führt dazu, dass Spanien beim Ausstoß des Treibhausgases CO2 schon 2004 einen Anstieg von 45,61 % über dem Wert von 1990 aufweist. In Kioto war dem Land, wegen einer nachholenden Entwicklung, ein Zuwachs von 15 % zugestanden worden. Schon jetzt liegt der Anstieg mehr als dreifach darüber. Die Tendenz ist steigend und Spanien entfernt sich in seiner Spitzenposition immer weiter vom EU-Durchschnitt (Spanien liegt an der Spitze beim Verstoß gegen Kyoto) Der iberische Nachbar Portugal liegt zum Beispiel nur 13 Prozentpunkte über dem Sollwert.
Tourismus, Bausektor und Verkehr
Der Tourismus und der Bausektor, Hauptstützen der spanischen Ökonomie, übten dabei den deutlichsten Druck aus. Die Baufläche sei in nur zehn Jahren (1990 - 2000) um 26 % gewachsen. In einigen Regionen an der Südküste sogar um 50 %. Verantwortlich hierfür ist auch die Immobilienblase, die sich im Land immer gefährlicher aufbläht.
So erklärte Domingo Jiménez, Direktor des Observatoriums für Nachhaltigkeit (OSE) bei der Vorstellung des Berichts, dass Spanien derzeit mehr Wohnungen baut als "England, Frankreich und Deutschland" zusammen. "Wie viele Spanier haben denn keine Wohnung?", fragte er rhetorisch. Ohnehin können sich die Wohnungslosen keine Wohnung leisten. Seit 1987 sind ihre Preise nach Angaben der größten Gewerkschaft Arbeiterkommissionen 13 Mal stärker gestiegen als die Löhne.
Angesichts der Tatsache, dass ein Drittel Spaniens unter dem Risiko steht, zur Wüste zu werden (Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden), sieht Jiménez die Hauptprobleme im ineffizienten Einsatz von Energie, Wasser und Boden. Allerdings weist der Bericht auch auf die verfehlte Verkehrspolitik hin. So würden nicht die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut, um einen umweltfreundlicheren Transport zu gewährleisten, sondern das Straßennetz. "Die Indikatoren zeigen, dass der Personentransport auf der Straße auf dem spanischen Territorium um fast 90% zugenommen hat, der von Waren praktisch um 100 %". Dabei handelt es sich um den Zeitraum 1990-2002 berichtet.
Energiebedarf könnte mehrfach bis 2050 aus erneuerbaren Energien gedeckt werden
Die Umweltorganisation Greenpeace wird demnächst die umfassendste Energiestudie für Spanien veröffentlichen, die je erstellt wurde. Schon im Vorfeld wurden einige Daten daraus zur Verfügung gestellt. Demnach könnte Spanien, das heute nur wenige Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen deckt, seine Energieversorgung vollständig darüber bestreiten. Die für 2050 berechnete Energiemenge von 280 Terrawattstunden im Jahr 2050 könnte in dem sonnenreichen Land gleich zehnfach über erneuerbare Energie gedeckt werden. Strom stände sogar in 55facher Menge zur Verfügung.
"Wir haben erneuerbare Ressourcen im Überfluss, dank denen wir die gesamte dreckige Energie durch saubere ersetzen können", erklärt der Verantwortliche der Energiekampagne der Organisation José Luis García Ortega. Nicht allein die Sonnenenergie und Windenergie, sondern auch die Biomasse seien bedeutsaml Obwohl Greenpeace maximale Schranken für den Umweltschutz bei deren Einsatz ansetze, könnten damit 18 % des gesamten Stroms erzeugt werden. Ersetzt werden müsste zuerst die Atomenergie, die 50 % des Strombedarfs erzeugt, der aber nur 19 % des gesamten Energieverbrauchs ausmacht.
Greenpeace greift die sozialistische Regierung für ihre Energiepolitik an. Denn die Sozialisten (PSOE), seit März 2004 an der Regierung, setzten sich nur moderate Ziele, mit denen die Klimaschutzziele nicht zu erreichen seien. Statt Geld in unsinnige Techniken, wie die teure Einlagerung von CO2 im Untergrund, zu pumpen, müsste voll auf erneuerbare Energien gesetzt werden. Die Regierungspläne sehen bisher nur eine Steigerung auf 12 % bis im Jahr 2010 vor. Doch die Organisation fordert bis dahin den Aufbau von 1.000 MW Leistung aus Sonnenkraftwerken und weitere 1.000 MW aus der Fotovoltaik. Das ist doppelt so viel, wie bisher geplant ist. Statt der angestrebten 20.000 MW aus Windenergie sollten es wenigstens 25.000 MW sein
Bei den Vorgaben ist kaum damit zu rechnen, dass die PSOE ihr Wahlversprechen einlöst, aus der Atomenergie auszusteigen. Die Reise geht auch hier eher in die Richtung, wie sie die konservativen Vorgänger angepeilt haben (Spanien will Atomkraft in Europa erhalten) Neuester Hinweis dafür ist die Entlassung des Direktors des Instituts für die Diversifizierung und die Einsparung von Energie (IDAE) in der vergangenen Woche. García Breva bezeichnet Greenpeace als "mutig und engagiert". Mit ihm sei, so Greenpeace, die einzige Person geschasst worden, die auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz gesetzt habe. Brevas Einsatz sei ohnehin ständig blockiert worden, weshalb dessen Pläne für den Einsatz erneuerbarer Energien und zur Energieeinsparung auf halber Strecke stecken geblieben seien. Doch sogar das ging dem Industrieminister José Montilla noch zu weit.
Mit der Entlassung habe die Regierung gezeigt, dass sie "Interessen einer Lobby verteidigt, die auf dreckige Energien, wie Atomenergie und fossile Energieträger, setzt". José Montilla hätte vielmehr den "Atomkraftbefürworter" und Generalsekretär für Energie, Antonio Fernández Segura, austauschen müssen, der immer wieder seine Abneigung gegen die erneuerbaren Energien zeige, meint Greenpeace. Segura hatte gerade erst seine weitgehende Übereinstimmung mit einer Studie der Internationalen Energie Agentur (IEA) gezeigt. Deren Exekutivdirektor Claude Mandil hatte die Regierung darin vor den "enormen Konsequenzen für die Versorgung, das wirtschaftliche Wachstum und den Umweltschutz" gewarnt, wenn sie schrittweise die Atomenergie durch erneuerbare Energiequellen ersetzen wolle, wie sie es versprochen hat.