Hitzestress vor allem in der Tiefe: Wie lange halten Ozeane und Flüsse das aus?

Seite 2: Wenn Fische keinen Sauerstoff mehr bekommen

Rainer Froese, mariner Ökologe vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar), der selbst nicht an der Studie beteiligt war, gibt zu bedenken, dass die Ausweichmöglichkeiten aus anderen Gründen beschränkt sein können:

Fische suchen im Sommer ganz natürlich im tieferen, kühleren Wasser Zuflucht. Allerdings müssen diese tieferen Stellen dann auch genügend Sauerstoff enthalten, was durch die Überdüngung der Küstenmeere – insbesondere der Ostsee – nicht gegeben ist.

In der Kieler Bucht werde der Sauerstoffgehalt etwa schon unterhalb von zwölf Metern Wassertiefe kritisch. Der Leiter des Geomar, Martin Visbeck, sieht eine Erkenntnis der Studie darin, dass von den Hitzewellen somit auch Kaltwasserkorallenriffe, die in Tiefen zwischen 100 und 1.000 Meter vorkommen, betroffen sein könnten.

Die globale Erwärmung verändert nicht nur die Bedingungen in den Ozeanen, sondern auch in den Flüssen. Wie immer wieder zu beobachten ist, schwankt die Wassermenge darin immer stärker, sodass Flüsse zeitweise trocken fallen und dann wieder schwere Überschwemmungen mit sich bringen.

Allerdings führen die gehäuften Extremwetter auch zu einer Verschlechterung der Wasserqualität der Fließgewässer, wie ein Forschungsteam der Universität Utrecht und des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) nun in einer im Fachjournal Nature Reviews Earth and Environment veröffentlichten Studie gezeigt hat.

Wir haben verschiedene Bestandteile der Wasserqualität wie Wassertemperatur, gelöster Sauerstoff, Salzgehalt und die Konzentration von Nährstoffen, Metallen, Mikroorganismen, Arzneimitteln und Kunststoffen untersucht,

erklärt die Hauptautorin der Studie, Michelle van Vliet von der Universität Utrecht. Am stärksten beeinträchtigt wurde die Wasserqualität bei Hitze und Dürre, gefolgt von langfristigen Veränderungen des Klimas und schließlich von Gewitterregen und Überschwemmungen. Menschengemachte Faktoren wie Einleitungen, Landnutzung und Abwasseraufbereitung spielen aber ebenfalls eine Rolle.

Hitze und Dürre beispielsweise lässt Algen wachsen, verringert den Sauerstoffgehalt und führt, wegen geringerer Verdünnung, zu einem höheren Salzgehalt sowie einer stärkeren Konzentration anderer Schadstoffe – Faktoren, die beispielsweise zum Fischsterben in der Oder im vergangenen Jahr beigetragen haben.

Starkregen und Überschwemmungen führen wiederum zu einem Eintrag von Partikeln und Schadstoffen aus der Umgebung. Und die langfristige Klimaerwärmung lässt ebenfalls Wassertemperaturen steigen und verstärkt das Algenwachstum.

Da extreme Wetterereignisse aufgrund des Klimawandels zunehmen, sind unsere Flüsse und aquatischen Ökosysteme zunehmend in ihrer Gesundheit und Funktionsfähigkeit bedroht, und der Zugang der Menschen zu sauberem Wasser ist zunehmend gefährdet. Das komplizierte Zusammenspiel von Klima, Landnutzung und menschlichen Faktoren erfordert unsere sofortige Aufmerksamkeit,

… befindet Co-Autorin Ting Tang vom IIASA. Gewässer sollten überwacht und effektive Wassermanagementstrategien entwickelt werden.


Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Fassung hieß es missverständlich, dass die Temperaturen in der Tiefe um 19 Prozent höher seien als an der Oberfläche. Damit war natürlich die Temperaturerhöhung gemeint.