"Hund samma scho" - Nahles macht den Seehofer
Regierungskrise abgewendet? SPD-Chefin setzt Neuverhandlungen in der Causa Maaßen durch
Die Parteivorsitzenden würden per Telefondiplomatie nach Lösungen in der Causa Maaßen suchen, ein Treffen gebe es erst, wenn eine Lösung gefunden sei. "Man möchte Nahles nicht wieder in die Lage bringen, unannehmbare Vorschläge annehmen zu müssen", twittert der Welt-Journalist Robin Alexander.
Der Chefreporter der Springer-Zeitung Die Welt hat sich schon seit geraumer Zeit einen Namen als Bestsellerautor ("Die Getriebenen") gemacht, der über Einblicke in die Regierungsarbeit verfügt, die er einer entlang einer tonangebenden Stimmungslage beschreiben kann. In der Tagesarbeit zeigt Alexander immer wieder aufs Neue, dass er über einen besonderen Zugang zu Insidern verfügt.
Alexander und sein Kollege Daniel Friedrich Sturm hatten am Montag vergangene Woche mit dem (Vorab-)Bericht, dass Merkel sich entschieden habe, Maaßen zu entlassen, ins Politiktheater eingegriffen. Ihr Bericht erzeugte eine gewisse Dynamik in Berlin. Er war Auftakt für ein öffentliches Spiel, in dem es ab dann darum ging, wer nun auf wen Druck ausübt und vor allem: Was das für Auswirkungen auf die große Koalition hat (vgl. Muss Maaßen seinen Schlapphut nehmen?).
Hohn für die SPD
Angesichts dieser Hintergründe ist der Alexandrische Insider-Satz "Man möchte Nahles nicht wieder in die Lage bringen, unannehmbare Vorschläge annehmen zu müssen" schwierig. Wie ernst ist er zu nehmen? Ist da vielleicht Ironie oder Hohn dabei? Und wenn ja, von wem? Macht sich Seehofer lustig?
Das Ergebnis der ersten Runde sah nicht gut für die SPD aus. Zwar wurde Maaßen tatsächlich entlassen, aber nur von seinem Posten als Chef des Bundesverfassungsamtes, dafür bekam er einen in der Berliner Beamtenhierarchie höher angesiedelten und besser bezahlten Posten als Staatssekretär im Innenministerium - was in den Medien als "Beförderung" bezeichnet wurde.
Etwas später wurde dann auch noch bekannt, dass der CSU-Chef, der hauptsächlich als solcher - und nicht wegen seiner Kompetenzen - den Posten als Innenminister der Regierungskoalition bekommen hatte, einen Staatssekretär der SPD vorzeitig in den Ruhestand geschickt hatte.
"Bätschi"
"Bätschi" könnte man mit Nahles' Worten dazu sagen. Seehofer war Sieger nach Art von "Hund samma scho" und die SPD war fassungslos angesichts der ausgefinkelten Methode Seehofers, wie die SZ in einem großen Hintergrundbericht von drei Autoren am Donnerstag auf Seite 3 darlegte. Bezeichnend, dass am Schluss von stiller Belustigung die Rede ist. Es ist Polit-Theater.
Allerdings ist das ein Theater, dass der Koalition in der Wirklichkeit an die Substanz geht. Was aber auch nur funktioniert, weil die Substanz gerade im Moment angesichts einiger ungelöster großer, echter Probleme und Zukunftsaufgaben einen sehr dürftigen Eindruck macht. Seehofers Schenkelklopfer-Manöver kam in einer ernsteren Dimension einer Bankrotterklärung der schwarz-roten Regierung gefährlich nah. Nahles war Kritik und Spott ausgesetzt und als Parteivorsitzende richtig angeschlagen.
Dass sie mit ihrer Forderung nach einer Neuverhandlung, was auch als Zeichen der Schwäche hätte ausgelegt werden können, auf Entgegenkommen oder eine Bereitschaft - auf jeden Fall auf ein "ja" bei Merkel ("Ich halte das für richtig und notwendig") wie auch bei anderen Unionspolitiker - stößt, (Anm.d.A. hier wurde zuerst auch Seehofer erwähnt; der Innenmininister hat aber inzwischen deutlich gemacht, dass er Maasen nicht entlassen werde) hat damit wahrscheinlich zu tun, dass sich trotz der Schwäche der Regierung Merkel niemand so recht überlegt hat, wer diese Regierung mit guten Aussichten ablösen könnte. Hier agierte Nahles mit dem richtigen politischen Instinkt und setzte eine Nachverhandlung durch
Es gibt im Augenblick keine Alternative zur Regierungskoalition, das ist die große Verlegenheit der gegenwärtigen Situation in Deutschland. Die Union hat keine Nachfolgerin bzw. keinen Nachfolger für Merkel, die oder der eine Ablösung ohne Machtverlust garantieren könnte und die SPD hat außerhalb des safe space in der Koalition große existentielle Schwierigkeiten. Da kommt erstmal nichts Neues. Das ist der Blick in die Finsternis hinter der Bühne, die das Theater um die Causa Maaßen freigegeben hat.
Der genannte SZ-Beitrag vom Donnerstag der vergangenen Woche hat Nahles unterstellt, dass sie "nahezu alles ertrage, um die Regierung zu retten" und dies damit kommentiert, dass das "sicher auch ein Problem ist". Mit der Forderung nach Neuverhandlungen hat sich Nahles dieser Zuschreibung entzogen.
Laut Welt hatte sie auch zuvor bei den Verhandlungen mit Seehofer die ersten Vorschläge abgelehnt, was nicht daraufhin deutet, dass sie es Seehofer auf jeden Fall recht machen wollte, um die Koalition zu halten.
Danach erst ist der SPD und Nahles aufgegangen, wie ausgebufft Seehofer agiert hat. Man kann nun darüber spekulieren, ob Seehofer seine politische Erfahrung, die er im CSU-Intrigantenstadel und Haifischbecken gewonnen hat, auch nach der bayerischen Landtagswahl im Oktober noch auf größerer Bühne ausspielen darf oder im kleineren Kreis. Bis dahin sind CSU-Personalfragen tabu.