Hyperlinkkontrolle - Interaktivität im Zeitalter eines kommerziellen Netzes
Über die besondere Interaktivität der Shetland Times, von CNN und Yahoo! Deutschland
Die Klagedrohung von Yahoo.de gegen eine kleine Vorarlberger Netzfirma, weil diese auf die News von Yahoo verlinkt, das Linkresultat jedoch in den eigenen Frames darstellt, macht ein essentielles Problem in einer immer mehr kommerzialisierten Netzlandschaft offenkundig. Das wirtschaftliche Denken in "Eigentumsrechten" steht oftmals im Widerspruch zu der im Internet gewachsenen Geschenksökonomie, insbesondere dann, wenn es um die Interessen von Quasi-Monopolisten geht. Würde jedoch das Setzen von Links auf fremde Seiten inkriminiert werden, dann wäre doch das Web in seiner grundlegenden Funktionalität bald in Frage gestellt, oder? Rainer Rilling geht den Verzweigungen dieses Falles nach.
Die Rechtsanwälte Beiten, Burkhardt, Mittl & Wegener forderten mit Schreiben vom 27. März 1997 im Auftrag der Firma Yahoo! Deutschland GmbH, München die Kleinfirma Austro-net Vorarlberg auf, "es in Zukunft zu unterlassen, Webseiten unserer Mandantin samt Verweisen in Ihre Webseiten, erreichbar unter www.vlgb.at, durch Hyperlinks oder in sonstiger Weise einzubinden, ohne hierzu die Zustimmung unserer Mandantin zu haben." Weiter spezifiziert heisst es in dem Schreiben des Rechtsanwaltbüros:
"Unsere Mandantin hat uns darüber unterrichtet, dass sie auf Ihren Webseiten die Webseite aus dem Web-Angebot samt Verweisungen unserer Mandantin übernehmen, die unter www.yahoo.de/schlagzeilen aufgeblendet wird. Über Ihre Homepage ist die Webseite unserer Mandantin über die Hyperlink-Button "Neu!" und "Aktuelle Schlagzeilen" erreichbar. Indem Sie Webseiten unserer Mandantin und die Inhalte, die unsere Mandantin in ihre Webseiten über Hyperlinks eingeblendet hat, ohne Zustimmung unserer Mandantin auf Ihrem eigenen Webangebot plazieren, verletzen Sie Urheberrechte unserer Mandantin. Gleichzeitig betreiben Sie hierdurch unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Übernahme einer fremden Leistung und unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rufausbeutung unlauteren Wettbewerb. Dies sowohl nach deutschem als auch österreichischem Recht. Auf die Entscheidung des schottischen Court of Session zur Unzulässigkeit von Hyperlinks im Fall The Shetland Times vs. The Shetland News sei verwiesen."
Auf den ersten Blick ein absurdes Ansinnen: die deutsche Dependence des Netzkonzerns Yahoo!, die von der Kompilation tausender Verweise lebt und auf die bis dato bereits über 800 externe Links gelegt wurden, will einem Vorarlberger Garagenunternehmen untersagen, was die Raison d`etre des WWW ist: auf eine Seite eines anderen Site - hier von Yahoo! De - zu verweisen. Doch die Sache ist weder einfach noch abseitig. Sie ist äußerst relevant, denn sie betrifft die soziale Konstruktion des Netzes. Und sie ist auch nicht singulär:
- Die Washington Post publizierte am 7.2.97 einen Artikel, der mit dem Satz begann: "On the World Wide Web, there are Web sites, and there are parasites." Als Parasiten bezeichnete die Post LookSmart (eine Tochter von Readers Digest) und vor allem TotalNews.com, das über ein Subframe News der Los Angeles Times, der Time, von Reuter, CNN und auch der Washington Post präsentierte. Besonders verübelte der Autor der TotalNews, dass ein Teil des Bildschirms vom Banner eines Konkurrenten okkupiert war, so dass ohne Scrollen die Werbung im Frame nicht gesehen werden konnte. CNN, LA Times, Washington Post und Wall Street Journal gehen juristisch gegen TotalNews vor, weil sie gegen "akzeptable Linkpraktiken" verstoßen hätten. TotalNews wird vorgeworfen, dass nur die Präsentation von Fremdmaterial die Firma für Werbetreibende interessant mache. Tatsächlich transportiert der Frame von TotalNews eigene Werbung - und auf diesen Framekontext kommt es hier offenbar an: von einem anderen Website (Ardvark) angefragt, ob dieser Site Links auf CNN et.al. setzen dürfte in Frames, wurde zur Bedingung gemacht, dass keine zusätzliche Werbung und Branding transportiert werden dürfe. Es geht hier offenbar nicht darum, dass die Wiedergabe von Seiten anderer Anbieter in Subframes prinzipiell zu unterlassen wäre.
- Dies allerdings ist offenbar der Punkt im Fall Yahoo!de: wie die beanstandeten Seiten zeigen, verwiesen die Vorarlberger über eine Subframe auf Yahoo-Seiten, ohne auszuweisen, dass es sich hier um kein eigenes Angebot handelt. Da sich beim Subframing die Adresse nicht ändert, wird ein solcher Eindruck unterstützt. Hier sollen also prinzipiell Verweisungen durch Subframing inkriminiert werden.
- Beträchtlich weiter noch gehen die Regelungen eines seit dem 1. Juli 1996 rechtskräftig gewordenen Gesetzes des US-Bundesstaates Georgia (HB 1630), das von seinen Gegnern schlicht "Internet-Police-Law" getauft wurde. Das Gesetz, dessen Promoter Parsons nach eigener Aussage noch nie auf dem Netz war, (siehe www.clark.net/pub/rothman/ga.htm) formuliert: "Es soll für ungesetzlich erklärt werden...wissendermaßen jedwede Daten durch ein Computernetzwerk zu schicken, wenn diese Daten irgendeinen individuellen Namen, Handelsnamen, registriertes Warenzeichen, Logo oder sonst ein offizielles Zeichen beinhalten, so daß der fälschliche Eindruck entsteht, daß diese Person die Erlaubnis oder gesetzliche Ermächtigung hat, dieses Logo, Warenzeichen, etc. zu benutzen...". Hier geht es also nicht um die womöglich unmerkliche Einbindung fremder Seiten in eigene Site durch Links via Subframing, sondern um die Art und Weise, wie auf den eigenen Seiten der Verweis auf andere gestaltet wird. Shari Steele, Rechtsanwältin der Electronic Frontier Foundation formulierte als Konsequenz: "Dieser Gesetzestext würde es illegal machen, dass wir z.B. auf unserer Web-Site einen Button machen, der den Markennamen oder das Logo von Wired enthält, ohne erst die Erlaubnis des Wired Magazins zu erhalten".
- Exakt in diesem Sinne vor kurzem die Forderung von Television New Zealand an neuseeländische Websites, bei Verweisen auf TNVZ nicht ohne Zustimmung TNVZ-Logos zu verwenden, da ansonsten ihr Copyright verletzt würde. Weitergehend noch die Aufforderung, prinzipiell auf die Frontpage von TNVZ zu verweisen - offenbar, um zu verhindern, dass die dort plazierte Werbung umgangen wird. Diesselbe Forderung kam kurz darauf vom neuseeländischen IRN (Independent Radio News) gegenüber 7am Weekday News (s. Greenstone: The Weak Link).
- Am krassesten bislang freilich jener Fall, der sich am anderen Ende der Welt abspielte und der dem Münchner Rechtsanwaltsbüro als Referenz dient: der Fall The Shetland Times vs. The Shetland News. Die Shetland Times, deren Printausgabe mit 11 000 Auflage den kleinen Zeitungsmarkt der 103 Meilen nördlich von Schottland gelegenen Shetland-Inseln vollständig beherrscht, untersagten im Herbst 96 der offenbar prächtig reüssierenden und von einem gefeuerten Herausgeber der Times aufgezogenen Web-Site Shetland News, Links auf den neu installierten und nicht sonderlich erfolgreichen Website der Times zu setzen. Damit würde ihr Copyright verletzt. Am 24. 10. 96 gab es denn auch einen Beschluss eines schottischen Gerichts in Edinburgh, das der Shetland News bis zur Klärung untersagte, auf seiner Site mittels eines Links auf die Shetland Times zu verweisen. Das Gericht erklärte u.a., dass hier Überschriften übernommen worden und man (wie im Falle der TNVZ) - unmittelbar "...indem man die Eingangsseite des Klägers umgeht, gleichzeitig die auf dieser Seite evtl. stehende Werbung umgeht", bei Seiten der Shetland Times landete. Während der Herausgeber der Shetland Times Wishart dieses Ergänzungsargument aufgriff ("mit einem sauberen Link auf unsere Homepage wären wir absolut zufrieden, so daß die Leser den Zugang zu unseren Berichten im beabsichtigten Kontext erhalten"), traf der Sachverhalt selbst den einfachen Tatbestand, dass (durch die Wiedergabe einer Artikelüberschrift) ein Link von der "News" auf einen Artikel der "Times" gelegt wurde.
Steve Outing von "Editor&Publisher Interactive" notierte in einem Kommentar zur Inselposse: wenn dies eine Copyrightverletzung wäre, "müsste das WWW wie wir es kennen im Vereinigten Königreich illegalisiert werden". Sicherlich wäre das Internet in Frage gestellt, wenn ein Link nur mit Einwilligung des Anbieters der Zielseite eingestellt werden kann. Wer in real life einen Laden öfffnet, muss damit rechnen, dass Leute ihn betreten - auch wenn der Laden ihnen nicht gehört. Wer nicht will, dass sein Laden betreten wird, wird ihn abschliessen oder ein Schild aufhängen, das ein Betreten des Ladens bei Androhung fürchterlicher Strafen untersagt. Wer einen Web-Site aufmacht, muss damit rechnen, dass er zur Kenntnis genommen wird, also auch mit Verweisen zur Kenntnis gebracht wird. Die Installierung eines Website implizit die fraglose Gültigkeit des Verweissystems. Wer den Besuch seines Web-Sites kontrollieren will, kann ein Subkriptionsmodus einführen, Passwörter vergeben, den Besucher mit Mailbomben traktieren o.ä. Jede dieser Aktivitäten verwickelt jedoch die Akteure in Eigentumsverhältnisse. Die Schlüsselrolle spielt dabei die Frage des Copyrights:
- Der einem Link zugrundeliegende URL - Code ist aus funktionalen Gründen nicht schützbar.
- Wird der Name eines Sites im Link genannt und handelt es sich dabei um ein Warenzeichen oder wird z.B. ein Bild-Logo verwandt, könnte es auf den ersten Blick Copyrightprobleme geben. Doch das setzt voraus, dass die Nutzung eines Logos oder eines Tradmearks in Mißbrauchs- oder Täuschungsabsicht geschieht, zum Beispiel also ein Link auf die bekannte Kritiker-Seite einer Fastfood-Firma als Firmenseite ausgegeben wird. Vorausgesetzt, eine solche Absicht liegt nicht vor, fragt sich, warum ein Unternehmen ein Interesse daran haben sollte, dass die allgemeine Verbreitung seines Logos unterdrückt wird? Die leichte Verbreitung ist ein wesentlicher Zweck des Logos. Ob Yahoo.de eine Erlaubnis für jeden Link seines Katalogs erhalten hat, der ein Warenzeichen als Url hat? Soll zukünftig von faschistischen Sites wie Stormfront eine Zustimmung zur Nutzung ihres Logos für einen Link auf Stormfront z.B. im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit eingeholt werden? Richard Ord, Herausgeber von NewsLink, dazu: "Wir fragen niemals um Erlaubnis, ob wir einen Link setzen dürfen, und wir werden es auch nie machen. Links sind die Essenz des Webs. Ohne Links würde das Web gar nicht funktionieren. Deshalb erscheint es redundant, um Erlaubnis zu fragen!...Es gibt keinen Unterschied zu einer Radio- oder Fernsehrezension, bei der der Ansager den Namen des rezensierten Films nennt und dann mit der Kritik beginnt...Suchmaschinen setzen routinemäßig Links auf Sites. Ausserdem möchte ich hinzufügen, daß Suchabfrageergebnisse ebenso routinemäßig einen kurzen Textabschnitt der jeweiligen Site beinhalten...das alles ohne die Erlaubnis der Herausgeber der Web-Sites. Deshalb sehe ich es als absurd an, darin eine Copyrightverletzung zu sehen."
- Werden Texte (zum Beispiel Überschriften von Artikeln) als Link gestaltet, dann ist unter dem Aspekt des Urheberrechtsschutzes wesentlich die Frage, ob es sich bei dem kopierten Material um Literatur handelt. Wenige Wörter, kurze Sätze, Buch- oder Liedtitel, Slogans oder Werbetexte gelten in diesem Kontext nicht als "Literatur" und unterliegen keinem Copyright.
- Auch bei der Frametechnik ist festzuhalten, dass hier das Material eines anderen Anbieters nicht kopiert und unter einer anderen physikalischen Adresse plaziert wird; was stattfindet ist ein Download sonst nichts. Werden die Materialien zudem korrekt und konventionell ausgewiesen und berücksichtigt man, dass mittlerweile eine gewisse Fähigkeit zur Handhabung dieser seit geraumer Zeit vorhandenen Technik vorliegt, dann kann die Eigentümerschaft solchen Materials leicht identifiziert werden. Das andernorts so oft bemühte Bild des souveränen kenntnisreichen Nutzers wird ansonsten ad acta gelegt: er ist zu blöde, die rechte Maustaste zu nutzen oder zu scrollen. Ein anderes Problem, was durch die Verwendung dieser Technik entstehen könnte, ist, dass von Dritten Material von Anbietern auf einem Bildschirm in mehreren Rahmen zusammengebracht wird, die kein Interesse an gegenseitiger Nachbarschaft haben. Dies aber ist ein absolut verbreiter Vorgang bei Printmedien. Dass z.B. Todesanzeigen zwanglos die neuesten Urlaubs- Kino- und Kontaktangebote tangieren, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Der Herausgeber der Shetland News bezeichnete die Aktivität der Shetland Times in einem Kommentar als "einen frivolen und bösartigen rechtlichen Schritt, der ganz klar die Absicht zeigt, unsere neue Firma finanziell schwer zu treffen und ein Monopol für das Publizieren von Internet Nachrichten auf den Shetland Inseln zu erlangen". Er liegt damit wohl nicht falsch. Denn faktisch geht es darum, dass mithilfe des Urheberrechts Firmen wie Yahoo!, CNN, Times oder die Post, die bereits eine zentrale Position im Verweisfeld des Netzes einnehmen, versuchen, die Art und Weise zu beeinflussen, wie auf sie verwiesen wird. Eine solche Beeinflussung der (Verweis-) Beziehungen zwischen den Netzakteuren zielt darauf ab, eine Kontrolle des Erscheinungsbildes dieser Großakteure auf dem Netz über das eigene Angebot hinaus zu erreichen, denn schließlich ist die Sichtbarkeit das netzspezifische soziale Kapital solcher Firmen, das allein in ökonomisches Kapital transformiert werden kann. Es geht nicht mehr nur um Sichtbarkeit, sondern um deren Kontrolle über den Bereich des unmittelbar eigenen Kapitals hinaus. Für den politischen Ökonomen ein klassisches Monopolproblem. Das ist der ökonomische Kern des Kampfes um Links, Frames und Logos: Interaktivität im Zeitalter eines kommerziellen Netzes.