Hyperschallwaffen: Der "Sputnik-Moment"
US-General Milley und das "bedeutende technologisches Ereignis" der chinesischen Raketen-Tests. Die Chefs der großen US-Rüstungsunternehmen spüren neuen Rückenwind nach Afghanistan
Wie viel "Sputnik" steckt in den zwei Tests einer "chinesischen Hyperschallwaffe" Ende Juli und Mitte August? Die Financial Times berichtete vergangene Woche, dass sich Experten den Kopf über diese Tests zerbrechen. Einer der drei Quellen der FT gab an, dass sich Wissenschaftler der US-Regierung bemühen würden, das Know-how dahinter zu verstehen. Die USA würden derzeit nicht über diese Fähigkeiten verfügen, da Chinas Leistung "den Gesetzen der Physik zu trotzen" scheine.
Medien reagierten schnell - USA "in großer Sorge" nach Test in China, auch US-Präsident Biden war besorgt. Das Pentagon hielt sich still - bis gestern. Dann äußerte sich der Chef der Joint Chiefs of Staff, Gen. Mark A. Milley:
"Ich weiß nicht, ob es ein Sputnik-Moment ist, aber ich denke, es kommt dem sehr nahe", sagte General Milley und machte deutlich, dass er und andere Beamte überrascht waren. Die Tests seien ein "sehr bedeutendes technologisches Ereignis", und er sagte, "es hat unsere ganze Aufmerksamkeit".
New York Times
Sputnik erinnert an den Kalten Krieg. So mündet auch der aktuelle New York Times-Artikel mit den Äußerungen Milleys zu den Tests - die der Sprecher des chinesischen Außenministeriums als "Routinetest von Raumfahrzeugen" darstellt - beim Wettrüsten.
Momentum: Mit Wettrüsten reich werden
Viele Rüstungskontrollexperten würden sich sorgen, dass die Hyperschall-Waffenprogramme zu einer neuen Form des Wettbewerbs werden könnten. Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem Präsident Biden nach Möglichkeiten suche, "eine geplante Billionen-Dollar-Modernisierung der amerikanischen Atomstreitkräfte und Trägersysteme zu vermeiden".
Darin liegt auf jeden Fall ein "Momentum", wie es auch das Blog Moon of Alabama hervorhebt: "Die Generäle im Pentagon wollen reich werden". Die Tests seien ihr Argument dafür. Über die Erhöhung des Pentagon-Budgets wird gerade verhandelt.
Es sind aber nicht nur die Generäle, sondern vor allem die Rüstungsunternehmen, mit denen Generäle traditionell wie auch der gegenwärtige US-Verteidigungsminister Austin enge Verbindungen haben, die reich werden.
Die Chefs der beiden großen US-Rüstungsunternehmen Raytheon und Lockheed Martin gehen gegenüber Investoren von einem "rosigen Bild von steigenden Verteidigungsausgaben, die die Einnahmen der Unternehmen in die Höhe treiben und die Gewinne der Aktionäre aufbessern" aus, wie der US-Think-Tank Responsible Statekraft berichtet.
Gregory J. Hayes, CEO von Raytheon Technologies Corporation, der selbst im vergangenen Jahr angeblich über 21 Millionen Dollar verdiente, bedauert zwar, dass dem Unternehmen durch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan 75 Millionen Dollar als Jahreseinkommen fehlen, was "keine riesige Summe sei, aber doch bedeutsam", freut sich darüber, dass es Unterstützung im Kongress für die Aufstockung der Militärausgaben aus beiden Parteien gebe.
Und wie wir schon sagten, Verteidigungsausgaben sind überparteilich, und wir beobachten ermutigt, dass der Kongress die Aufstockung des Haushalts des Präsidenten unterstützt, die auch auf unser Geschäft und unsere Investitionen in neue Technologien abgestimmt ist.
Gregory J. Hayes
In der Formulierung, dass das Verteidigungsbudget mit dem Geschäft und den Investitionen von Raytheon auf eine Line gebracht sind - "aligned" -, sieht Responsible Statekraft "ein Moment der Offenheit seitens der Waffenindustrie".
Auch der CEO von Lockheed, James Taiclet, angeblich 23 Millionen Dollar an Arbeitsentgeld im letzten Jahr, beklagt Geschäftsverluste für sein Unternehmen durch den Abzug aus Afghanistan - in Höhe von 200 Millionen Dollar jährlich -, aber äußert ebenfalls die Hoffnung, dass sich künftige Verteidigungshaushalte und die globale geopolitischen Lage günstig entwickeln. Die gegenwärtigen Entwicklungen beurteilt er positiv: "Wir sind ermutigt über die Richtung, in die sich die verschiedenen Ausschüsse bewegen, da sie eine wirklich gute Unterstützung für eine Reihe unserer Programme widerspiegeln."
Müßig zu erwähnen, dass beide Rüstungsunternehmen an der Entwicklung von Hyperschallwaffen arbeiten. Raytheon ist an der Entwicklung des Hypersonic Air-breathing Weapon Concept (HAWC) beteiligt, wie Hayes gegenüber Investoren hervorhob.
Rüstungskontrolle und Abrüstung auf verlorenem Posten?
Lockheed arbeitet zusammen mit Northrop Grumman an einem Hypersonic Strike Program.
Wie es aussieht, stehen Rüstungskontrolle und Abrüstung gegenwärtig auf verlorenem Posten. Das Wettrüsten zwischen den Großmächten und einigen anderen Ländern ist in allen Bereichen im Gang.
Deprimierend? Da alles immer mehrere Seiten hat, sei am Schluss noch angefügt, was dem Bildungsenthusiasten alter Schule, dem ehemaligen bayerischen Kultusminister Hans Meier zum "Sputnik-Schock", den der Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 auslöste, bei einem SZ-Interview im Mai dieses Jahres einfiel:
Hatte man etwas versäumt? Überall traten Wissenschaft und Bildung in den Vordergrund, der Westen nahm den Wettlauf mit dem Osten auf. Und damit traten für gut zwei Jahrzehnte an vielen Orten die Kulturpolitiker in den Vordergrund - in amerikanischen Stiftungskreisen ging damals der Spruch um: "Sag education - und du hast gewonnen!" Manches wurde in der Folge wohl auch überdreht. Aber ich freue mich doch, dass ich den Sturm der Bildungsexpansion noch mitbekommen habe.
Hans Meier
Das ist unübersehbar ein nostalgischer Blick, der vieles verklärt - wieviel "Bildungsexpansion" steckt im neuen Wettrüsten?