IS-Identitätspolitik mit Presslufthammer und Belehrung im Museum Mosul

Zerstörung einzigartiger Kulturgüter aus Ninive: Das IS-Kalifat arbeitet an seinem religiösen Profil

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Warum werden Teile des assyrischen Nergal-Tores aus dem siebten Jahrhundert vor Christus zerstört, während es doch heißt, dass der IS vom Handel beträchtliche Einnahmen erzielt?

Die Antwort liegt angeblich in einer Fatwa. Geplünderte Antiquitäten werden vom Kalifat in Hehlermärkte geschleust und zu Geld gemacht.

Wenn die Museumsstücke aber laut Kalifatsauslegung der "Anbetung" dienen, werden sie, wie ein Video vorführt, vom Sockel gerissen und mit Hilfe von Druckluft- und Vorschlaghämmern in Stücke geschlagen. Das Ganze untermalt mit a-capella-Männergesang.

Foto: IS

Zuerst werden die Ausstellungsstücke des Museums Mosul dem Betrachter noch intakt vorgeführt, dann tritt ein bärtiger Mann mit einer Arbeiterjacke vor die Kamera und liefert, mit dem Daumen auf eine große Figur hinter ihm zeigend und zwischendrin den erhobenen IS-Zeigefinger, die theologische Begründung für die bevorstehenden Kaputtmach-Aktionen seiner Mitarbeiter, von denen manche, wie sonst auch im Museum die Kameras zücken. Einer steht sogar für kurze Zeit in andächtig verharrender Pose vor "den einzigartigen Kulturgütern aus altorientalischer Zeit" (FAZ), bevor er in den nächsten Bildern ebenfalls mit dem Hammer auf die Kunstwerke der alten, vorislamischen Ninive-Kultur einschlägt.

Am Anfang des Videos wird ein arabischer Satz an einer Musuemstafel markiert. Um daran den Tatbestand der "Anbetung" herauszustellen? Ob das Unterscheidungskriterium, das die Museumsstücke zur Zerstörung freigibt, von den IS-Ikonoklasten auch bei jedem Museumsgegenstand, den sie zertrümmern, tatsächlich beachtet wird, ist nicht ganz deutlich. Evident ist jedoch, dass für die Begründung und Belehrung im Video viel Mühe aufgewendet wird.

Dies war bei den Taliban nicht so.

Zwar wurde der Ikonoklasmus der Taliban, der 2001 mit der Zerstörung der 38 und 53 Meter hohen Buddha-Statuen in Bamiyan einen weltweiten Aufschrei auslöste, auch mit dem Verbot von Götzenverehrung begründet (siehe Bomben und Granaten auf Buddha), aber die Begründung wurde nicht derartig demonstrativ im Verbund mit der Zerstörung mitgeliefert. Das IS-Kommunikationszentrum legt offensichtlich einigen Wert darauf, dass der oder die dazu gehörigen Hadithe den Rahmen bilden. Man weiß im Kalifat 2015, was Framing für eine Rolle bei der medialen Produktion spielt.

Bild: IS

Bislang ist das Video "nicht verifiziert", aber es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass IS-Bühnenbildner die Ausstellungsstücke in Gips nachgebaut haben, um ein fake-Video herzustellen, wahrscheinlicher ist schon, dass der Schauplatz der Zerstörungsakte das Museum in Mosul war.

Die Chance zu ikonoklastischen Aktionen im Museum Mosul hatte bereits die Vorgängerorganisation al-Qaida im Irak (Aqim), gegründet von Sarkawi. Mosul war bereits vor der Einnahme des IS im vergangenen Jahr (Terrorgruppe ISIL erobert Millionenstadt Mosul eine Hochburg für die Dschihadisten, schon für Aqim war es der Stützpunkt.

Kurz nach der Einnahme Mosuls, Ende Juni 2014, wurde das Kalifat ausgerufen. Der IS legt seither großen Wert darauf, sich von al-Qaida zu unterscheiden. Die Zerstörung der wertvollen Kulturüberlieferungen aus Ninive mit genauer Begründung ist eine weiteres Stück zur Ausarbeitung des IS-Profils, das sich von allen anderen islamistischen Bewegungen unterscheiden soll als das einzig gültige Ziel all jener, mit denen man den selben ideologischen Orbit teilt.

Die UNESCO will den Angriff auf das jahrtausende alte irakische Erbe vor den UN-Sicherheitsrat bringen. Die Attacke auf das Museum in Mosul sei mehr als eine kulturelle Tragödie, so die Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova, das sei auch eine Sache, die die Sicherheit betrifft, da damit der gewalttätige Extremismus im Irak weiter angeheizt werde.

Der IS verstoße gegen die kürzlich erlassene Sicherheitsratsresolution 2199, die die Zerstörung des kulturellen Erbes verurteilt, sie habe um eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats gebeten, teilte die Unesco-Generaldirektorin mit.

Update: Nach Informationen von Experten des Middle East Institutes waren unter den zerstörten Austellungsstücken Orginale und "einige Replicas" - zu erkennen im Video am Gips, der leicht zerfällt und Eisenträgern, die manchmal zu sehen sind. Geht es nach dem Blog Artinfo, das Recherchen von Channel 4 zitiert, so waren die meisten zerstörten Ausstellungsstücke keine Orignale, allerdings die großen Teile des alten Tores schon, was das Video somit noch deutlicher zum Propaganda-Akt macht. Die Berichterstattung habe "zu hysterisch" reagiert, so der Vorwurf.